Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Hypothek).
Grundschulden sind dagegen in ihrem Bestand davon unabhängig und lediglich schuldrechtlich durch eine sog. Sicherungs- bzw. Zweckabrede mit der Forderung verknüpft (sog. abstraktes Sicherungsrecht). Die Sicherungsabrede verpflichtet den Gläubiger, von der Sicherheit nur im Rahmen des Sicherungszwecks Gebrauch zu machen und gibt bei dessen Erlöschen durch Tilgung einen vertraglichen Rückgewähranspruch (unwirksame Zweckerklärungen machen die abstrakte Sicherheit kondizierbar).
Die Wirtschaftspraxis hat zudem fiduziarische (treuhänderisch gebundene) Sicherheiten entwickelt (Sicherungsübereignung, Sicherungszession), die dem Gläubiger einen „Überschuss an Rechtsmacht“ geben, indem sie das Vollrecht übertragen; sie umgehen damit die Nachteile des eigentlich ausreichenden Pfandrechts, das an Fahrnis jedoch die Sachübergabe voraussetzt (vgl. § 1205 Abs. 1), und dadurch dem Sicherungsgeber die Bewirtschaftung etwa als Betriebsmittel entzieht. Vergleichbar setzt das Pfandrecht an Forderungen (z.B. aus Lieferungen und Leistungen) die Offenlegung gegenüber dem Gläubiger, etwa den Kunden voraus. Aufgrund der Vollrechtsübertragung sind auch die fiduziarischen Sicherheiten notwendigerweise abstrakt.
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Anders als akzessorische Sicherungsrechte bleiben abstrakte Sicherheiten beim Gläubiger bestehen, wenn die zu sichernde Forderung nicht entsteht oder wegfällt, getilgt wird; die zusätzliche Sicherungsabrede bildet hierbei den Rechtsgrund für die Bestellung z.B. der Grundschuld, die (Sicherungs-)Übereignung oder Abtretung.
Die Sicherungsabrede ist nach Tilgung auch der Rechtsgrund für den Anspruch auf Rückübertragung der nicht mehr benötigten Sicherheit. Der bei abstrakten Sicherheiten daher regelmäßig allein schuldrechtliche Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers birgt die Möglichkeit und Gefahr, die Sicherheit trotz und unabhängig von der Tilgung der Forderung weiter zu übertragen, sei es durch den Sicherungsnehmer zu seiner Refinanzierung bei Dritten (vgl. dagegen Schutzvorschrift in § 1192 Abs. 1a), aber auch nach ihrer ordnungsgemäßen Rückgabe an den Sicherungsgeber durch ihn für eine neue Kreditaufnahme.
Lediglich über eine auflösende Bedingung im Bestellungsakt (konstruktiv vergleichbar dem Eigentumsvorbehalt) können auch abstrakte Sicherheiten dinglich derart mit der besicherten Forderung verknüpft werden, dass sie bei Wegfall des Sicherungszecks automatisch an den Sicherungsgeber zurückzufallen (geringe praktische Relevanz; vgl. unter Rn. 1366).
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › G. Kredit- und Kreditsicherungsverhältnisse › IV. Bürgschaft
1. Lebenstypen
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Verbraucherkredite werden meist mangels ansonsten zur Verfügung stehender realer Vermögenswerte durch nahestehende Personen des Schuldners, Ehegatten und Verwandte, als Bürgen besichert. Bürgschaften von Geschäftsführern oder Gesellschaftern für Kredite an ihre Unternehmen dienen neben dem möglichen Zugriff auf deren private Vermögen auch der Bindung an das Unternehmen und stellen das Interesse des Bürgen an einer ordnungsgemäßen Rückzahlung des Kredits sicher.[214] Als Avalkredite werden Bankbürgschaften bezeichnet; sie bieten Gläubigern v.a. in der Baubranche (vgl. z.B. §§ 650f Abs. 2, 650m Abs. 3 BGB, § 2 MaBV) und Investitionsgüterindustrie zuverlässige Sicherheit; mit der Verpflichtung zur Zahlung auf erstes Anfordern können sie bei Auslandsgeschäften das Akkreditiv ersetzen.
Steuer- und Zollbürgschaften kommen z.B.in der Zigarettenindustrie eine wichtige Rolle bei Stundungen zu, wenn gesetzlich beabsichtigt ist, die Tabaksteuer vom Produzenten oder Importeur als Steuerschuldner auf den Verbraucher als Steuerträger über zu wälzen. Spediteure haben als Haftungsschuldner durch eine Bank Zollbürgschaften bei der Zollabfertigung für ihre Kunden zu stellen, vgl. § 41 Zollgesetz (sog. Zollgutversand), bis zur vollständigen und ordnungsgemäßen Wiedergestellung des Zollgutes bei der Empfangszollstelle. Schließlich macht § 709 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den meisten noch nicht rechtskräftigen Urteilen von der Stellung von Sicherheiten abhängig, als welche meist Bankbürgschaften bestimmt werden; ebenso gibt § 711 bei den ohne Sicherheitsleistung vollstreckbaren Urteilen abgestufte Abwendungsbefugnisse durch solche Sicherheitsleistungen.
2. Zustandekommen
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Die Bürgschaft entsteht durch einseitig verpflichtenden Vertrag zwischen Bürgen und Gläubiger, also ohne Beteiligung des Schuldners, worin sich der Bürge dem Gläubiger verpflichtet, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit dessen Schuldners einzustehen (vgl. § 765 Abs. 1). Die Bürgschaft soll eine fremde Schuld stützen; dem Gläubiger stehen sodann zwei Forderungen zu: die zu sichernde gegen seinen Schuldner und die mit der Bürgschaft begründete, gegen den Bürgen gerichtete.
Dem Rechtsverhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürge (warum verbürgt sich der Bürge für den Schuldner?) liegt meist ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag zugrunde.
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§ 766 verlangt zwingend die schriftliche Erteilung (vgl. § 126) – nur einseitig – der Bürgschaftserklärung, die sonst gem. § 125 S. 1 nichtig ist;[215] Erteilung in elektronischer Form ist ausgeschlossen (§§ 766 S. 2, 126a). Die Warnfunktion des Schriftformzwangs ist nur erfüllt, wenn die Namen von Bürgen, Gläubiger und Schuldner, der Betrag der zu sichernden Forderung und die eindeutige Erklärung des Bürgen, hiermit für die Erfüllung der Verbindlichkeit einstehen zu wollen, umfasst sind; Blankobürgschaften, bei denen der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, Teile der Bürgschaftsurkunde selbst auszufüllen, z.B.die Höhe der Schuld einzutragen, sind deshalb (Schriftform bezieht sich auf alle wesentlichen Inhalte) – außerhalb von § 350 HGB – nichtig.[216]
Die Bürgschaftsurkunde muss als schriftliche Willenserklärung dem Gläubiger im Original zugehen (vgl. § 130 Abs. 1) und von ihm angenommen werden (vgl. § 151).
Bürgschaften von Kaufleuten, die zum Betriebe ihres Handelsgewerbes gehören (vgl. §§ 343 ff. HGB) sind nach § 350 HGB formfrei; Kaufmann ist regelmäßig nur der Rechtsträger eines Unternehmens (vgl. §§ 1, 6 HGB), nicht aber ein Organmitglied (nur für den Komplementär einer oHG mehrheitlich anders).
Eine Bürgschaft kann auch künftige oder bedingte Verbindlichkeiten sichern (§ 765 Abs. 2). Formularklauseln, mit denen sich ein Bürge – außerhalb von § 350 HGB – ohne Weiteres auf alle bestehenden und künftigen Forderungen bankenmäßiger Geschäftsverbindungen des Schuldners mit dem Gläubiger verbürgt, verstoßen aber gegen §§ 305 ff. Außerdem ist eine Klausel überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1, wenn sie über den Anlass einer Verbürgung hinausreicht.[217] Ist der genaue Sicherungszweck für den Bürgen nicht transparent, verstößt auch dies gegen § 307 Abs. 1. Kann der Bürge etwa als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin allerdings Einfluss auf die Begründung künftiger Verbindlichkeiten und damit auf die Entwicklung seiner Haftung nehmen, gilt ein anderer Maßstab.
a) Sittenwidrigkeit
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Sittenwidrig nach § 138 sind Bürgschaften einkommens- und vermögensloser Familienangehöriger des Schuldners. Solche werden vielfach auf familiären Druck hin übernommen, wobei die verbürgte Schuld die Leistungsfähigkeit des Bürgen häufig krass übersteigt. Ein krasses Missverhältnis besteht, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen nicht ausreichen, in fünf Jahren ein Viertel der Hauptsumme abzudecken[218] und der Gläubiger insoweit mangelnde Geschäftserfahrenheit oder emotionale Verbundenheit des Bürgen in anstößiger Weise ausgenutzt hat.[219] Kann der Bürge voraussichtlich nicht einmal die vereinbarte Zinslast aus dem pfändbaren Anteil