Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy

Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht? - Charlotte Schmitt-Leonardy


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strafrechtliche Folgerungen. Für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wird bedeutsam sein, inwiefern die „Eigentümer“ – also die Anteilseigner – einzubeziehen sind,[40] ob ein „System“ aus sich heraus auf die Unternehmensmitglieder wirken kann, inwiefern bestimmte Unternehmensmechanismen überhaupt beherrschbar sind und welchen Zwängen das Unternehmen als korporativer Akteur bzw. seine Mitglieder unterliegen. Wird das Unternehmen – wie bislang von der Rechtsprechung[41] – als hierarchisch-strukturierte Einheit mit regelhaften Abläufen verstanden, leiten sich hieraus andere Prämissen ab als von der Vorstellung einer heterarchen oder flexiblen Struktur.

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      Anmerkungen

       [1]

      In Eser/Heine/Huber Criminal Responsibility of Legal and Collective Entities ist der Titel jedoch ganz offenbar im Hinblick auf die unterschiedlichen Herangehensweisen der verschiedenen Rechtsordnungen mit Bedacht gewählt.

       [2]

      Schünemann in: Deutsche Wiedervereinigung (I), S. 129 (129 ff.).

       [3]

      So der österreichische Entwurf der Unternehmenshaftung in § 1 Abs. 2 ÖVbVG „Verbände im Sinne dieses Gesetzes sind juristische Personen sowie eingetragene Personengesellschaften und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen.“

       [4]

      Vgl. beispielsweise die Arbeiten von Kohlhoff Kartellstrafrecht und Kollektivstrafe, S. 192 ff. und v. Freier Kritik der Verbandsstrafe, passim.

       [5]

      So wohl v. Freier GA 2009, 98 (101).

       [6]

      Den Begriff Mesokriminalität brachte Alwart Verantwortung und Steuerung von Unternehmen in der Marktwirtschaft, S. 36 in die Diskussion ein.

       [7]

      Vgl. für das Folgende auch die Darstellung von Kohlhoff Kartellstrafrecht und Kollektivstrafe, S. 230 ff. m. w. N.

       [8]

      Das HRefG (Vgl. hierzu EntwBegr. BT-Drucks. 13/8444 S. 22 f. und RefEntw BJM 3822/1 unter B 1c) beispielsweise hat den Begriff „Unternehmen“ in § 1 Abs. 2 HGB als Oberbegriff zum Gewerbebetrieb gewählt und somit eine zentrale Position eingeräumt, ohne ihn jedoch näher auszuführen, während in der herrschenden handelsrechtlichen Auslegung das Unternehmen als ein Gebilde gegenständlicher Art begriffen wird und sich aus Sachen (z. B. Betriebsanlagen, Warenlager), Rechten (Geldforderungen, Patente) und sonstigen Beziehungen („good will“, Organisation) zusammensetzt. Dieses „Unternehmen im engeren Sinne“ definiert einen Rechtsgegenstand eigener Art, der im Zivil- und Handelsrecht (gerade auch aufgrund der Nähe zum Vermögensbegriff) bestimmte Funktionen erfüllt, jedoch den Unternehmensträger zwangsläufig zum maßgeblichen Kriterium macht. Vgl. Creifelds/Weber Rechtswörterbuch, S. 1425 und die Überlegungen von Rittner Wirtschaftsrecht, S. 128 f.

       [9]

      Als Beispiel soll der Normkontext des europäischen Wettbewerbsrechts herausgegriffen werden: Der – zunächst herrschende – materiell-institutionelle Unternehmensbegriff in EuGH Slg. 1962, 653, 687 („Klöckner und Hoesch“) definierte Unternehmen als „einheitliche, einem selbständigen Rechtssubjekt zugeordnete Zusammenfassung personeller, materieller und immaterieller Faktoren, mit welcher auf Dauer ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird“. Heute scheint der sogenannte funktionelle Unternehmensbegriff herrschend, der tätigkeitsbezogen darauf abstellt, ob die betrachtete Einheit als Anbieter/Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzusehen ist. Hierdurch könnte jedoch dieselbe Einheit für eine bestimmte Tätigkeit als Unternehmen angesehen werden und für eine andere wiederum nicht, was durchaus Friktionen bedeuten könnte. Jedenfalls sind im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts Unternehmen jede, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende, Einrichtung unabhängig von Rechtsform und Finanzierung; vgl. die Ausgangsentscheidung in der Sache FENIN/KOM: EuG v. 4.3.2003, Rs. T-319/99, Slg. 2003, II-357, Rn. 35, der sich der EuGH ausdrücklich und vollumfänglich anschloss in EuGH vom 11.7.2006, C-205/03, FENIN/KOM, Slg. 2006, I-6295. Die rechtliche Selbständigkeit und die Beteiligung am Wirtschaftsleben werden also als die entscheidenden Faktoren herausgestellt. Hinzu kommt in jüngster Zeit aber, dass primär auf das Anbieten von Gütern und Dienstleistungen abgestellt wird. Vgl. insofern Holland Der EU-rechtliche Unternehmensbegriff, S. 15 ff. Die herausgestellten Kriterien werden allerdings großzügig ausgelegt. So ist, entsprechend Art. 101, 102 AEUV, nach der Auslegung der Kommission der wirtschaftliche Unternehmensbegriff zugrunde zu legen und eine wirtschaftliche Einheit beispielsweise auch dann anzunehmen, wenn Konzerngesellschaften keine volle Autonomie haben, sondern beispielsweise zu 100% in einen Mutterkonzern eingegliedert sind. Eine zentrale oder einheitliche Leitung ist hierfür ausreichend, sofern personelle Verflechtungen zwischen den Aufsichts- und Leitungsgremien vorliegen. In diesen Fällen ist der Mutterkonzern, das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit, Adressat der jeweiligen europarechtlichen Sanktion. Vgl. hierzu die früheren Deutungen von Dannecker in: Verantwortung und Steuerung von Unternehmen in der Marktwirtschaft, S. 5 (18 ff.) m. w. N. Seine Auslegung unterscheidet sich gravierend von der im Folgenden vorgestellten zivil- oder handelsrechtlichen Begriffsbildung.

       [10]

      Siehe hierzu Schmidt Handelsrecht, § 4 I 2/S. 66. Letzteres scheint ein für das Handelsrecht besonders bedeutsames Kriterium zu sein, wobei in erster Linie das Auftreten als Anbieter von Leistungen gemeint ist. Siehe hierzu Wirtschaftsstrafrecht-Müller-Gugenberger 4. Aufl. § 23 Rn. 5 ff. m. w. N.

       [11]

      Teubner ZHR 1985, 470 m. w. N.

       [12]

      Vgl. den historischen Überblick hierzu bei Riechers Das „Unternehmen an sich“ (mit Nachweisen hierzu auf S. 1); des Weiteren


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