Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
So auch Rittner Wirtschaftsrecht, S. 125.
Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (134).
Köndgen beispielsweise sieht den Beitrag der Gesellschafter als Eigenkapitalgeber nicht so sehr mit der Bezeichnung „Eigentümer“ richtig dargestellt, sondern bezeichnet sie als schlichte „Financiers“, deren Beitrag – wie der anderer „input-Lieferanten“ – als ein Beitrag zum Gesamtoutput zu werten sei; Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (133).
Vgl. nur die Nachweise bei Mansdörfer Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, Fn. 638.
So z. B. Kohlhoff Kartellstrafrecht und Kollektivstrafe, S. 246.
So z. B. v. Freier Kritik der Verbandsstrafe.
Vgl. zur Weiterentwicklung des Begriffsverständnis Rn. 39 ff.; Rn. 189 ff.; Rn. 195 ff.; Rn. 250 ff. und Rn. 598 ff.
Teil 1 Interdisziplinäre Grundlagen der Unternehmenskriminalität › B › II. Einordnung aus ökonomischer Perspektive
II. Einordnung aus ökonomischer Perspektive
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Das Unternehmen aus einer ökonomischen Perspektive tatsächlich erfassen zu wollen und dieses Konzept zur Grundlage weiterer Überlegungen zu machen, würde den vorliegenden Rahmen sprengen. Und dennoch: die Konstruktion des Begriffs Unternehmenskriminalität scheint auf eine „ökonomische Sachanalyse“ angewiesen, geht es doch letztlich um die Erfassung des ökonomischen Akteurs schlechthin.[1] Die Ökonomie scheint hier geeignet zu sein, zur Brückenbildung zwischen Sein und Sollen beizutragen, weil sie erfahrungswissenschaftliche Aussagen trifft, aber auch Handlungsalternativen aufweist und damit Hinweise darauf gibt, was von einem potenziellen Normadressaten bzw. strafrechtlichen Akteur erwartet werden kann.[2] Sowohl die „Objektbeschreibung“ als auch ein Einblick in die (institutions-) ökonomischen Voraussetzungen und Gesetzmäßigkeiten, die den Kontext des Unternehmens bilden, scheinen also notwendige Voraussetzung für spätere strafrechtliche Schlüsse zu sein. Da es die ökonomische Theorie der Unternehmung nicht gibt, sondern vielmehr eine Vielzahl miteinander konkurrierender Modelle, die auf divergierenden methodologischen Vorentscheidungen beruhen,[3] wird im Folgenden also kurz auf diese unterschiedlichen Sichtweisen eingegangen, bevor in einem nächsten Schritt auf die Dynamik zwischen Unternehmen und Wirtschaft eingegangen wird, die wiederum Rückkoppelungseffekte innerhalb des Unternehmens zur Folge hat.
Anmerkungen
Vgl. zu dieser Sichtweise auch Lüderssen StV 2009, 486 (491), der darauf hinweist, dass auch das Zurückweichen des Strafrechts vor einer „höheren Vernunft der Ökonomie“ vorstellbar ist.
Vgl. in diesem Sinne auch Lenk/Maring in: Wirtschaft und Ethik, S. 7 (12 ff.) mit Hinweis auf den Grundsatz ultra posse nemo obligatur.
Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (2).
1. Die produktionsorientierte Sichtweise
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Es sind die produktions- und entscheidungsorientierten Theorien, die bei einer ersten Annäherung einleuchtend erscheinen: das Unternehmen wird zunächst als Produktionseinheit wahrgenommen und in seinen Abhängigkeiten von Produktionsfaktoren und Preisen untersucht. Wie Schneider bemerkt, ist Hauptziel dieser „neoklassischen“ Mikroökonomie „das Ableiten derjenigen Austauschverhältnisse zwischen Mengen vorgegebener Erzeugnisse und Erzeugungsfaktoren, welche die Pläne einzelner Wirtschaftseinheiten aufeinander abstimmen und ins Gleichgewicht bringen soll“.[1] Fragen nach der Ordnung des Wirtschaftssystems und der darin enthaltenen Elemente „Unternehmen“ werden in dieser – auf eine naturrechtliche Ordnung als „Wesensbestimmung“ des Wirtschaftens von Menschen ausgerichteten – Herangehensweise marginal behandelt.[2] Der Blick wird auf technische Produktionsfunktionen gelenkt und so geraten die Bedeutungsebenen der Begriffe „Unternehmen“ und „Betrieb“ nahezu zwangsläufig durcheinander.
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In der Betriebswirtschaftslehre ist der Terminus „Betrieb“ naheliegenderweise zunächst anzutreffen: er bezeichnet eine Institution, die Güter und/oder Dienstleistungen für Dritte erzeugt bzw. bereithält. Es ist hierbei noch nicht präzisiert, ob diese Güter und Dienstleistungen von einem Entgelt abhängen oder die Institution in eine bestimmte Rechtsform gekleidet ist. Nach einer verbreiteten Auffassung ist der Betrieb als Unterbegriff zur Unternehmung zu verstehen, die sich in drei Arbeitsbereiche untergliedert: den Betrieb als technisch-produktionswirtschaftlichen Arbeitsbereich, das Geschäft, das den technisch-produktionswirtschaftlichen Bereich mit den innerbetrieblichen Vorgängen (z. B. Güter- und Zahlungsströme) verbindet und schließlich die Führung, die Pläne erstellt und die beiden erstgenannten Bereiche koordoniert.[3] Nach anderer Auffassung in der Literatur wird der Betrieb als produktionswirtschaftliche Einheit, die Unternehmung oder das Unternehmen dagegen als „juristische“ oder „finanzwirtschaftliche“ Einheit begriffen.[4] Die Begriffe „Unternehmung“ und „Unternehmen“ werden jedenfalls meist synonym verwendet. Allerdings hat sich – und dies ist für rechtliche Überlegungen von Belang – der Terminus „Unternehmen“ durchgesetzt, wenn es um eine eindeutige Zurechnung der Auswirkungen, die ein Betrieb auf das Leben der Menschen haben kann, handelt. Das Unternehmen wird in diesem Zusammenhang als eine, in eine bestimmte Rechtsform gekleidete, Produktionseinheit bzw. eine bestimmbare, interaktionsfähige Rechtsfigur[5] bezeichnet. Abgesehen von terminologischer Klarheit kann der betriebswirtschaftliche Ansatz für die vorliegende Fragestellung wenig beitragen, weil technische Produktionsfunktionen, die Erörterung absatzpolitischer Instrumente bei unvollkommener Konkurrenz und Kapitalbedarfsfunktionen bzw. Kapitalfondprozesse Bezugsgegenstand sind.[6] Es wird daher nicht der innerbetriebliche Ansatz zu den abstrakten Fragen der Wirtschaftsordnung in Beziehung gesetzt, sprich das Unternehmen nicht als ein Akteur innerhalb einer „Umwelt“[7] untersucht. Bereichernder erscheinen daher die Ansätze, die Unternehmen als organisatorische Einheiten wahrnehmen, in denen wirtschaftliche Leistungen – in der Regel durch das Zusammenwirken mehrerer Wirtschaftssubjekte – erstellt werden und die besondere – vom Markt abweichende – Struktur im Mittelpunkt steht.
Anmerkungen