Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 19 ff. und im Kontext der Kriminalität der Mächtigen Reese Großverbrechen und kriminologische Konzepte, S. 92 ff. – beide mit umfangreichen Nachweisen. Teilweise wird davon ausgegangen, dass diese Unterscheidung wissenschaftstheoretisch der Vergangenheit angehört; vgl. Lüderssen in: Die Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 21 (21).
Vgl. die Ausführungen ab Rn. 106.
Kunz Kriminologie, S. 3.
Vgl. hierzu auch Parsons in: Kriminalsoziologie, S. 9 (10 f.).
Aubert in: Kriminalsoziologie, S. 201 (203 ff.).
Vgl. hierzu Rn. 104 ff.
Angesichts des Personalaustauschprogramms Seitenwechsel der Bundesregierung aus dem Jahre 2004 mag man zugestehen, dass der Gedanke nicht völlig abwegig erscheint. Vgl. hierzu http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/economy/2006/038/t-2-seitenwechsel-schreibtisch-tauschen.html; sowie kritisch aus journalistischer Sicht: Adamek/Otto Der gekaufte Staat.
Zum Gegenstandsbereich kriminalsoziologischer Forschung, und von Sutherland als „social injurious“ bezeichnet, gehören neben strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitensrechtlichen Tatbeständen zudem solche Verhaltensweisen, die von anderen Normen als den in Strafgesetzen fixierten abweichen. Vgl. hierzu Opp Abweichendes Verhalten und Gesellschaftsstruktur, S. 9 ff., 52 ff.; Jung Kriminalsoziologie, S. 13; Kaiser Kriminologie, S. 317 ff., sowie die Ausführungen zu Sutherland ab Rn. 104.
Reese Großverbrechen und kriminologische Konzepte, S. 99.
Vgl. Wells Corporations and Criminal Responsibility, S. 67 mit dem Hinweis, dass es manchmal keine bloße Nichtbeachtung von Vorschriften, sondern ein handfester Totschlag sein kann.
Teil 1 Interdisziplinäre Grundlagen der Unternehmenskriminalität › C › I. Empirische Grundlagen
I. Empirische Grundlagen
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Als „Studie zur Unternehmenskriminalität“ werden – abgesehen von einer jüngsten Ausnahme[1] – Berichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften[2] bezeichnet,[3] die empirische Erkenntnisse in Bezug auf eine Opferstellung des Unternehmens gewinnen und die Unternehmensbefragungen auf das Feld der Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen ausdehnen; im Übrigen bleibt dieses „eigentliche Objekt des Strafrechts“[4] empirisch bemerkenswert unterbelichtet.[5]
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Die allgemeineren Studien sind gleichwohl von Interesse, weil das Auftreten von Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang bzw. innerhalb des Unternehmens thematisiert wird, jedoch soll der Fokus keinesfalls auf die Begehung von Straftaten zum Nachteil von Unternehmen[6] begrenzt werden, sondern – im Gegenteil – die kriminogene Wirkung der Eingliederung[7] in ein Unternehmen oder die sogenannte „kriminelle Verbandsattitüde“ ebenso in den Blick genommen werden.[8] Mithin soll eine mögliche „Täterstellung“ des Unternehmens auch Bestandteil der Fragestellung sein. Dies ist jedoch in Studien, die von Unternehmen ausschließlich als „Geschädigten“ sprechen, welche Wirtschaftskriminalität als „Risiko“ ernster nehmen sollten, nicht der Fall.[9] Auch wenn in jüngeren Studien[10] die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Compliance – einer Übereinstimmung der Unternehmenstätigkeit mit den normativen Anforderungen – betont wird, werden Tatbestände, die zum Nachteil Dritter gereichen, nicht gesondert abgebildet und innerhalb der betrachteten Delikte auch nicht danach differenziert, ob sie sich einzig gegen das Unternehmen richten – wie im Fall der Produktpiraterie – oder dem Unternehmen (un-)mittelbar ökonomische Vorteile bringen können, wie im Fall der Korruption.
Anmerkungen
Vgl. zum Forschungsprojekt Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-BetriebeRn. 79 ff.
Vgl. die hier berücksichtigten Studien von PricewaterhouseCoopersWirtschaftskriminalität 2005 – Internationale und deutsche Ergebnisse; Wirtschaftskriminalität 2007 – Sicherhheitslage der deutschen Wirtschaft und Wirtschaftskriminalität 2009 – Sicherheitslage in deutschen Großunternehmen.
Vgl. z. B. http://www.weka-personal.ch/aktuell-view.cfm?nr-aktuell=270 oder http://www.foerderland.de/419+M55ab4636a16.0.html.
Schünemann in: Deutsche Wiedervereinigung (I), S. 129 (129).
Siehe hierzu schon die Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drucks.: 13/11425 v. 9.9.1998: „Die Bundesregierung hat zur Erhebung rechtstatsächlicher Angaben über die Verstrickung und Beteiligung juristischer Personen und Personenvereinigungen an Straftaten die Länder um Mitteilung dort vorliegender Erkenntnisse gebeten. Diese haben jedoch übereinstimmend erklärt, daß sie nicht in der Lage seien, entsprechende empirische Daten mit einem Anspruch auf annähernde Vollständigkeit zu ermitteln. Statistische Erhebungen zur „Unternehmenskriminalität“, d. h. zu staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren und zu gerichtlichen Strafverfahren nach den in der Großen Anfrage aufgeführten Kriterien, würden nicht geführt. Einschlägige Verfahren würden zudem weder differenziert in Registern erfaßt noch seien sie bislang allgemein nach den Kriterien der Begehung einer Straftat für ein Unternehmen oder in dessen Interesse ausgewertet worden“. Ähnlich der Eindruck von Hefendehl MschrKrim 2003, 27. Der Umstand, dass es keine verlässlichen oder repräsentativen Untersuchungen explizit zur Unternehmenskriminalität gibt, ist auch darauf zurückzuführen, dass schon die Strafverfolgung große Schwierigkeiten bereitet und somit einer ernsthaften empirischen Erforschung des Phänomens