Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
oder werkvertraglicher Grundlage erbracht und nach GOÄ oder nach Vereinbarung abgerechnet. Häufig treten aber auch im Rahmen geltend gemachter Kostenerstattung Grenzfälle auf, bspw.:
– | Erstattung selbst beschaffter Leistungen nach zweifelhafter Beratung durch den Leistungserbringer nach § 13 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB V. Nach § 128 Abs. 5a SGB V stellt die Beeinflussung zur Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen anstatt zustehender vorhandener Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung einen Pflichtenverstoß des Leistungserbringers dar. |
– | Zuzahlungen für – aus der Sicht der Vertragsärzte – unwirtschaftliche „vertragsärztliche Leistungen“; |
– | Leistungen, für deren Inanspruchnahme die Leistungsberechtigung durch Versicherungsschein oder Chipkarte (binnen einer Frist von 10 Tagen nach § 18 Abs. 8 BMV-Ä, § 21 Abs. 8 EKV-Ä) nicht nachgewiesen wurde; |
– | Selbstzahlerleistungen als Privatpatient, die eine schriftliche Zusicherung des Versicherten und den Hinweis auf die Kostentragungspflicht nach § 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä voraussetzen; |
– | sog. individuelle Gesundheitsleistungen (sog. IGeL-Leistungen), die nicht oder noch nicht in die gesetzliche Krankenversicherung integrierte Verfahren oder ausgeschlossene Leistungen betreffen, z.B. professionelle Zahnreinigung.[30] |
7. Kapitel Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung › C. Leistungsarten › III. Geldleistungsansprüche
III. Geldleistungsansprüche
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Eine Ausnahme im Sachleistungssystem stellen die Ansprüche auf unmittelbare Geldleistung dar. Sie sind gerichtet auf Krankengeld nach §§ 44 f. SGB V (die Erweiterung des Versichertenkreises macht eine Begrenzung der Anspruchsberechtigung auf Krankengeld durch § 44 Abs. 1 S. 2 SGB V in der Fassung des GKV-WSG erforderlich) oder auf das Fahrgeld nach § 60 SGB V. Geldansprüche bestehen ausnahmsweise auch im Zusammenhang mit der Erbringung medizinischer Leistungen. Sie sind aber auf den Fall des Festbetrages für Zahnersatzleistungen nach §§ 55 f. SGB V beschränkt. Auf die hierzu ergangenen Richtlinien des G-BA nach § 56 SGB V, zuletzt v. 6.12.2019 (www.g-ba.de), wird verwiesen.[31]
7. Kapitel Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung › C. Leistungsarten › IV. Satzungsleistungen
IV. Satzungsleistungen
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Grundlage für die Inanspruchnahme von Leistungen können nach § 11 Abs. 6 SGB V auch die Satzungen der Krankenkassen sein. In den Satzungen können Leistungen auch der primären Prävention nach § 20 Abs. 1 SGB V, nicht ausgeschlossener ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, die Aufnahme nicht verschreibungspflichtiger Medikamente, die Erweiterung des Katalogs von Hilfsmitteln oder Heilmitteln geregelt werden. Mit dem GKV-WSG wurde den Krankenkassen zunächst ermöglicht, Kosten für Arzneien der besonderen Therapierichtung als Satzungsleistung aufzunehmen, § 53 Abs. 5 SGB V a.F.[32]. Diese Möglichkeit wurde durch das TSVG[33] mit der Begründung gestrichen, dass der Aufwand, insbesondere für die Erstellung der notwendigen versicherungsmathematischen Gutachten, sich angesichts der geringen Nachfrage an diesem Wahltarif nicht rechtfertigt.[34] Zudem bestünde mit den Satzungsleistung nach § 11 Abs. 6 SGB V für die Krankenkassen ausreichende Möglichkeit, die Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln weiterhin anzubieten.
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Öffnungsklauseln enthalten auch die §§ 63 Abs. 2 ff. SGB V für Modellvorhaben. Im Rahmen derartiger Modellvorhaben können Ansprüche der Versicherten begründet werden. Insoweit können auch Vereinbarungen mit Leistungserbringern nach § 64 SGB V geschlossen werden.
Anmerkungen
BVerfGE 11, 30 f.
Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 80.
Grundlegend hierzu: Muckel SGb 1998; Hauck/Noftz/Noftz § 2; Schnapp/Wigge/Steinhilper § 16.
BSGE 69, 70.
Zum Begriff siehe § 69 SGB V.
BGHZ 63, 306, 309; 97, 272; so auch Palandt/Weidenkaff BGB, Vor § 611 Rn. 19.
BSGE 59, 172, 177.
Schnapp NZS 2001, 337; Neumann SGb 1998, 609; Schnapp/Wigge/Propp § 12 Rn. 38 ff. sowie Franke SGb 1999, 5.
Bspw. Anspruch auf Zahnkronen, LSG Rheinland-Pfalz NZS 2012, 2211.
Diese Einheit bleibt auch in den sog. Integrationsverträgen zwischen Krankenkassen und Ärzteverbänden z.B. in den Hausärzteverträgen nach § 73c SGB V a.F. oder hausarztzentrierten Versorgung nach § 73a SGB V erhalten. Gesetzlich Krankenversicherte können diesen Verträgen beitreten.
Grundsätzlich und über den Krankenhausbereich verallgemeinerungsfähig hat sich mit der Rechtsstellung des Kassenpatienten im Rahmen der Abrechnung seiner Behandlung Knorr in seiner Dissertation auseinandergesetzt: Knorr S. 94, siehe hierzu auch BGHZ 140, 102, 104 sowie BSGE 73, 274.
Knorr S. 178–182.
Zum Krankenhausbehandlungsvertrag als Dienstvertrag nach § 611 BGB oder Dienstvertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB: Knorr S. 84, Anm. 138 m.w.N.
Schnapp/Wigge/Propp § 12 Rn. 32 ff.; KassKomm/Schifferdecker 105. Erg.-Lfg. 2019, SGB V, § 13 Rn. 11–39.
Quaas/Zuck/Clemens/Quaas