Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
rel="nofollow" href="#ueab1aa80-bacf-5ce7-9e18-f6c4a5307281">D. System der Anspruchskonkretisierung durch untergesetzliches Recht › II. Leistungsvoraussetzungen und -ausschlüsse durch Rechtsverordnungen
II. Leistungsvoraussetzungen und -ausschlüsse durch Rechtsverordnungen
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Zur normativen Konkretisierung von Leistungsansprüchen gehören insbesondere die Rechtsverordnungen des Gesundheitswesens im weiten Sinne. Diese sind – über das Krankenversicherungsrecht hinausgehend – im Wesentlichen in den Bereichen des Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Zulassungsrechts,[3] und der Gefahrenabwehr[4] angesiedelt, sowie unmittelbar der Regelung des Umfangs von Krankenversorgungsansprüchen.
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Diese Rechtsverordnungen, deren Aufzählung vorliegend nur auszugsweise erfolgen kann, spielen bei der unmittelbaren Konkretisierung der Leistungsansprüche der Versicherten keine unmittelbare Rolle. Sie regeln die Voraussetzungen, welcher Leistungserbringer unter welchen fachlich-qualitativen Voraussetzungen an welchen Orten mit welchem Personal welche Leistungen erbringen darf. Sie regeln die Anforderungen an die Ausbildung, an die Ausstattung von Räumen, die Voraussetzungen der Medizintechnik und des Einsatzes von Stoffen, speziell Gefahrstoffen.
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Vornehmlich der Sicherheit dienen auch die Normen des Medizinprodukterechts,[5] des Arzneimittel- und Apothekenrechts oder des Betäubungsmittelrechts.[6]
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Auch das 3. Kapitel des SGB V ermächtigt in vielen Normen die Exekutive, Leistungsansprüche der Versicherten zu regeln, zu kanalisieren und insbesondere auch zu begrenzen. Der Tendenz nach zieht das Bundesgesundheitsministerium immer mehr Regelungskompetenzen an sich.
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Beispielhaft seien erwähnt:
– | § 20i Abs. 3 SGB V Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, |
– | § 31 Abs. 4 SGB V Arznei- und Verbandmittel, |
– | § 34 Abs. 3 SGB V unwirtschaftliche Arzneimittel[7], |
– | § 34 Abs. 4 SGB V unwirksame Heil- und Hilfsmittel[8], |
– | § 35a Abs. 1 und 3a SGB V Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen.[9] |
7. Kapitel Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung › D. System der Anspruchskonkretisierung durch untergesetzliches Recht › III. Untergesetzliche Normkonkretisierung
III. Untergesetzliche Normkonkretisierung
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Die eigentliche Konkretisierung des materiellen Leistungsrechts der §§ 20 f. SGB V erfolgt unterhalb der Ebene der Gesetze und Rechtsverordnungen durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie durch Normverträge nach § 2 Abs. 2 S. 3 SGB V, die die Krankenkassenverbände mit den Verbänden der Leistungserbringer zu schließen haben. Richtlinien und Verträge bestimmen den Inhalt, den Umfang und den Zeitpunkt der Inanspruchnahme sowie die Art der Leistungen mit Wirkung auch für die Versicherten. Auf sie ist differenzierter einzugehen.
a) Richtlinien- und Regelungskompetenz
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Nach § 91 Abs. 1 SGB V bilden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpiBuKK) den Gemeinsamen Bundesausschuss. Das GKV-VStrG[10] hat die Besetzung und das Verfahren des G-BA wesentlich gestrafft. Der Einfluss des Gesundheitsministeriums und des Gesundheitsausschusses wurde gestärkt, gleichzeitig die Unabhängigkeit erhöht und die Beteiligung an den Verfahren erweitert. Der G-BA ist nach dem Gesetz rechtsfähig. Der G-BA ist weder Körperschaft des öffentlichen Rechts noch Anstalt des öffentlichen Rechts, sondern eine eigene körperschaftlich strukturierte rechtsfähige Einrichtung des öffentlichen Rechts.[11] § 91 SGB V, aufgabenbezogen aber auch § 92 SGB V, regeln die Zusammensetzung des G-BA je nach den speziellen Aufträgen im Vertragsarztrecht, im Krankenhausrecht, im Arzneimittelrecht. Dabei werden Beteiligungsrechte sowie der Kreis der beschließenden Gremien des G-BA jeweils unterschiedlich bestimmt. Nach § 91a SGB V[12] führt das Bundesministerium für Gesundheit die Aufsicht über den G-BA inklusive der Kontrolle über das Haushalts- und Rechnungswesen sowie des Vermögens.
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Das Aufgabenfeld des G-BA ist umfassend.
– | § 92 Abs. 1 SGB V beauftragt den G-BA zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung, Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu verabschieden. Die für die vertragsärztliche Versorgung wesentlichen Richtlinienfelder sind durch das GKV-WSG erweitert in § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–15 SGB V aufgeführt. Unter dem Aspekt der Regelung der vertragsärztlichen Versorgung werden hiermit im Zusammenhang stehende Leistungsbereiche in die Richtlinienkompetenz einbezogen, nämlich ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz und kieferorthopädische Behandlung, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien, Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, Verordnung von im Einzelfall gebotenen medizinischen Leistungen und die Beratung über die medizinischen, berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation, Bedarfsplanung, medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, Maßnahmen nach § 24a und b SGB V sowie die Kryokonservierung nach § 27a Abs. 4 SGB V und schließlich Richtlinien über die Verordnung von Maßnahmen nach den §§ 24a (Empfängnisverhütung) und 24b (Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation) SGB V, Krankentransporten, zur Qualitätssicherung, zur speziellen ambulanten Palliativversorgung und zu Schutzimpfungen. |
– | Die Richtlinienziele werden jeweils in den Absätzen 1a bis 8 des § 92 SGB V unter Darstellung spezieller Beteiligungsverfahren konkretisiert. Der Gesetzgeber hat den Richtlinienauftrag des G-BA im Leistungsrecht selbst niedergelegt unter anderem in §§ 20i Abs. 1, 22 Abs. 5, 22a Abs. 2, 25 Abs. 4, 25a Abs. 2, 26 Abs. 2, 27a Abs. 5, 27b Abs. 2, 28 Abs. 3 S. 1, 29 Abs. 4, 32 Abs. 1a, 33 Abs. 1, 35a Abs. 3, 35b Abs. 3, 35c Abs. 2, 37 Abs. 6 und 7, 37a Abs. 2, 37b Abs. 3, 39 Abs. 1a, 56 Abs. 1, 60 Abs. 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 3c, SGB V. Die Befugnis umfasst auch die Einschränkung oder den Ausschluss von Leistungen sowie die ausnahmsweise Aufnahme grundsätzlich ausgeschlossener Leistungen (§§ 31 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 3 S. 2 SGB V). |
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Tipp
Die aktuellen Veröffentlichungen des G-BA können im Anschluss an die Beschlussfassung, d.h. sogar noch vor der Genehmigung des Ministeriums, im Internet abgerufen werden unter www.g-ba.de.[13]
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Die allgemeine Richtlinienkompetenz des Gemeinsame Bundesausschusses wird durch spezielle gesetzliche Regelungskompetenzen ergänzt: