Wunder. Kurt Erlemann

Wunder - Kurt Erlemann


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ins Grab. (45) Als sie dies sahen, eilten die um den Zenturio nachts zu Pilatus und verließen das Grab, das sie bewachten. Und sie berichteten alles, was sie gesehen hatten, und sagten voll großer Angst: „Er war wirklich Gottes Sohn.“5

      Die apokryphen Wundertexte bieten tendenziell eine fiktionale Anpassung Jesu an bekannte Wundertäter und Heroen der religionsgeschichtlichen Umwelt. Die Zeichenfunktion der Wunder auf das Wirken Gottes spielt keine Rolle.6

Form Vorkommen Akteure Besonderheiten
Heilungswunder/Therapien Evangelien, Apg Jesus, Kranke, z.T. Jünger und Helfer Betonung des physischen Aspekts (gilt für alle Gattungen)
Exorzismen synEvv., Apg Jesus, Kranke, Dämon Wunder als Machtkampf
Totenerweckungen Evangelien, Apg Jesus, Toter, Angehörige sparsamer Gebrauch; Skepsis der Augenzeugen (außer Lk 7)
Geschenkwunder Evangelien Jesus, Jünger, andere Zeichen messianischer Fülle
Normenwunder Evangelien Jesus, Kranke, Gegner Vollmachtsfrage; Motive der Ablehnung Jesu
Natur- und Rettungswunder Evangelien, Apg Jesus, Jünger/Apostel Furchtmotiv
Strafwunder Apg 5; 13; 19 Apostel, Gegner, Augenzeugen Strafwunder fehlen in den Evangelien
Epiphanien Evangelien, Apg Gott, Engel, Christus, Geist, Adressaten Klären die Bedeutung Jesu Christi
Metamorphosen synEvv., 1 Kor 15 Gott, Jesus, Jünger physisch-leiblicher Aspekt
Führungswunder/Entrückungen Himmelfahrt; Mt 2,1–23; Apg 8 Gott, Geist, Jesus, Jünger; Apostel u.a. Klären die Bedeutung Jesu; lenken die Mission
Kosmisch-apkl. Zeichen Mk 13parr.; Mt 27f.; Apg; 2 Petr 3; Apk Jesus, Augenzeugen; Apostel (Apg); satanische Mächte beschränkt auf Tod und Auferstehung Jesu, Parusie und Weltende
Prophet. Zeichenhandlungen Feigenbaum, Fisch-Wunder, Stater-W. Jesus, Jünger Prophetische Ansage steht im Fokus

      Vergleich traditioneller Wundergattungen

      1.7 Wunderspezifische Termini

      Der Abschnitt klärt zentrale Fachtermini, welche die religionsgeschichtliche Einbettung der Wunder Jesu betreffen (Charisma, Dämonen, Magie, Zauberei, Schamanismus), solche, die mit der Wundererfahrung zu tun haben (Mythos, Spiritualität, Mystik) und solche, welche die historische Wahrheitsfrage betreffen (Rationalismus, weiche Fakten sowie Faktualität und Fiktionalität).

      1.7.1 Charisma

      Charisma meint umgangssprachlich die Ausstrahlungs- und Überzeugungskraft eines Menschen. Der biblische, maßgeblich von Paulus geprägte Begriff bezeichnet eine besondere Gabe der Gnade (gr. cháris) bzw. des Heiligen Geistes (gr. pneumatikón, Röm 12,3–8; 1 Kor 12,1–11). Jesus gilt als der Geistträger schlechthin: Er ist vom Geist gezeugt (Lk 1,35; Mt 1,18.20), erhält ihn bei der Taufe (Mk 1,9–11parr.), er ist immun gegen satanische Übergriffe (Mt 4,1–11parr.), entwickelt Überzeugungskraft und mehr, was zum Gelingen seines Auftrags beiträgt.1 Deutlich wird an Jesus die polarisierende Wirkung von Charisma (→ 2.4.1).

      1.7.2 Dämonen

      Dämonen (gr. daimónia) sind, etymologisch betrachtet, Wesen, welche den Menschen das göttlich bestimmte Schicksal zuteilen (gr. daíomai, zuteilen).1 Sie sind demnach Mittlerwesen zwischen der göttlichen und der menschlichen Sphäre, Engeln und Geistern vergleichbar.2 Die terminologische Vielfalt3 signalisiert die umstrittene Personhaftigkeit der Mittlerwesen.4 – Im Textbeispiel rettet ein Dämon Apollonius von Tyana das Leben (Philostrat, VitApoll 4,44,5–16):

      „Man hatte sich gegen ihn einen Ankläger verschafft, der schon vielen zum Verderben geworden war und zahlreiche Olympische Siege dieser Art vorzuweisen hatte. Dieser Mann hielt eine Anklageschrift in der Hand, die er wie ein Schwert gegen Apollonius schwang, mit den Worten, sie sei ganz scharf gewetzt und werde ihn dem Verderben preisgeben. Als nun Tigellinus dieses Schriftstück auseinanderrollte, fand er darin nicht die geringste Spur einer Schrift vor, sondern sah nur ein unbeschriebenes Buch vor sich. Er kam deshalb auf den Gedanken, dass hier ein Dämon im Spiel sei. Ein ganz gleicher Vorgang soll sich auch später unter Domitian ereignet haben.“5

      Das AT hält Dämonen für Gott unterstellte Boten.6 Dämonenglaube wird weithin abgelehnt.7 Engel und Dämonen werden unterschieden (Dan 8f.; vgl. Gen 6,1–4 als Dämonen-Ätiologie). Für Philo von Alexandria sind Dämonen unkontrollierbare Mächte, die Gutes und Schlechtes bewirken (Gig 16–18; Somn 1,141). Josephus sieht in ihnen gequälte Totengeister sündiger Menschen bzw. Rachegeister Ermordeter (Bell 7,185; Ant 13,317). Die frühjüdische Apokalyptik verortet sie im kosmischen Dualismus von Licht und Finsternis (1 QS 3,25; 4,9ff.).

      Im NT gelten Dämonen als Handlanger Satans, die für Krankheiten, Verführung, Irrlehre und die Lügenpropaganda des röm. Imperiums verantwortlich sind.8 Die Unterscheidung der Geister ist daher eine existenzielle Aufgabe im frühen Christentum (1 Kor 12,10; 1 Joh 4,1). Jesu Exorzismen sind das Fanal des kosmischen Endkampfes zwischen Gott und Satan nach dessen Entmachtung im Himmel; der Heilige Geist überwindet die Dämonen in Exorzismen (Mt 12,28).9

      1.7.3 Magie und Zauberei

      „Ich träume davon, dass die Magie wieder Einzug in die Medizin hält und diese sich mehr auf ihre Wurzeln besinnt. Der Placeboeffekt ist keine Täuschung, sondern eine Bestärkung des Patienten […]. Wenn Menschen etwas Zauber brauchen, um sich zu motivieren, warum geben wir ihnen den nicht?“1

      Antike Magie ist eine schriftbasierte, aus Persien stammende Wissenschaft.2 Ihr Spektrum reicht von Astrologie, Pharmakologie und Volksmedizin bis hin zu Liebes- und Schadenzauber (→ 1.6.9e). Die Magie hatte eigene, von der antiken Medizin


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