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rel="nofollow" href="#fb3_img_img_36d6b64d-1f73-53d8-9dd1-99d4077b7b2a.jpg" alt="image"/> - „heraustreten soll der Bräutigam aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Brautgemach“. In poetischer Sprache will damit der Öffentlichkeitscharakter der Versammlung unterstrichen werden, für den die Mitglieder auch ihre heimlichsten Orte verlassen sollen. Ob zufällig oder beabsichtigt, ergibt sich so auch hier die Zusammenstellung von „Älteste“ und „Kammern“, um damit in meristischer Sprechweise öffentliches Amt und persönliches Privatleben mittels der Brautmetapher als Teile des gesellschaftlichen Gesamtlebens einander gegenüberzustellen. In Ez 8,12 gelingt es den „Ältesten“ auch am Tempel nicht, ihre „Heimlichkeiten“ hinter sich zu lassen.
Aber die Kammern werden noch näher bestimmt:
- „in den Kammern seines Gespinstes“. Für ein Götzenbild aus Stein benutzt auch Lev 26,1 dieses seltene Wort, wo es gilt, den bildlosen Kult einzuschärfen. In übertragener Redeweise spricht dann der Ps 73,7 von den
- „den Gebilden des Herzens“, ebenfalls abfällig im Sinne von schlechten Plänen. Ez 8,12 setzt wie Lev 26,1 den äußeren Götzenkult voraus, trägt aber durch das Personalsuffix der 3. P. Sg., bezogen auf , eine gewisse subjektive Note ein, die an die Herzensgespinste gemäß Ps 73,7 denken läßt. Die ganze Heimlichtuerei und privatistische Absonderung der Ältesten, wie sie hier beschrieben wird, steht im schreiendsten Gegensatz zu ihrer Aufgabe als Älteste und Repräsentanten des Volkes.
Durch - „fürwahr“ (12d) eingeleitet, schließt sich das Part. Pl. - „sie sagen“ an, das alles Folgende als Zitat aus dem Munde der Ältesten kennzeichnet. Die Ältesten sind damit als die Sprecher der Redensart hinreichend ausgewiesen, während die partizipiale Form des Verbs nicht auf einen einmaligen Ausspruch vorausdeutet, sondern auf eine wiederholte Äußerung, und damit auf eine grundsätzliche Haltung, soweit damit ins Wort gebracht.91
Die Redensart weist eine zweiteilige Form auf (Teil 1:12e; Teil 2: 12f). Es geht um die gegenwärtige Beziehung Gottes zu seinem Volk und seinem Land, die der Spruch prägnant ins Wort zu fassen versucht. Die Spruchteile sind in mancher Hinsicht parallel gebaut: Das Subjekt, durch den Gottesnamen ausgedrückt, steht jeweils an zweiter Stelle. Das unterschiedlich ausfallende Objekt dagegen beschließt den Satz und unterstreicht damit das Unterscheidende in der Aussage der Redeteile: einmal geht es um - „uns“ (12e), also um die Ältesten oder, wenn sie mehr als sich selbst im Blick haben, die Bevölkerung, das andere Mal um
- „das Land“ (12f). Diesem parallelen Aufbau hält die chiastische Stellung des Verbs das Gleichgewicht. Steht das Verb - „sehend“ im ersten Teil unmittelbar vor dem beschließenden Objekt und damit relativ am Ende, so steht -„hat verlassen“ im zweiten Teil als erstes Wort ganz zu Beginn.
Untenstehende Graphik veranschauliche die teils chiastische, teils parallele Struktur der Redensart.
Wäre nicht das „uns“ als Objekt des ersten Teils, wie es im textus graecus originalis ja auch fehlt, die beiden Verben stießen direkt aufeinander. Die Wortstellung ist nicht das einzige, was die Verben entgegengesetzt erscheinen läßt. Sie unterscheiden sich daneben auch nach ihrer grammatikalischen Form. Handelt es sich im ersten Teil um ein Partizip innerhalb eines verneinten Nominalsatzes, so trifft man im zweiten eine finite Verbform im Perfekt an.
Das Partizip wird mit (12e), der Konstruktus-Form von , verneint. Diese Partikel drückt den Gegensatz zu und damit ein Nicht-Vorhanden-Sein aus, gelegentlich wohl aber auch einfach ein Nicht-Gegenwärtig-Sein.92 In anderen Fällen dient sie auch einfach als Gegensatz zum meist weggelassenen Hilfsverb sein als der logischen Kopula eines Nominalsatzes.93 Im theologischen Sprachgebrauch wird damit von andern Göttern verneint, was das Wesen Gottes ausmachen soll. Dadurch wird indirekt entweder die Unvergleichlichkeit Gottes ausgedrückt, wenn es um das Ausmaß einer bestimmten Eigenschaft geht (in sog. Unvergleichlichkeits-Aussagen) oder die Einzigkeit Gottes, wenn eine bestimmte Eigenschaft ausschließlich für den Gott Israels beschlagnahmt wird, wie z.B. das Gott-Sein überhaupt. So weit, den von anderen Völkern verehrten Wesen überhaupt jede Existenz abzusprechen, geht das AT vor Ez bekanntlich noch nicht. Wohl aber werden sie aufgefordert, diese angemaßte Eigenschaft ihrer Göttlichkeit unter Beweis zu stellen. In Jes 43,13 ist es die Fähigkeit zu retten, die nur dem Herrn zugesprochen wird. In Dtn 4,35 dagegen geht es ums Gott-Sein selbst, denn Israels Gott läßt erkennen:
- „daß JHWH selbst der Gott ist und es besteht keiner außer ihm“. In Ez 26,21 wird damit das Einmal-Nicht-Mehr-Sein von Tyrus festgestellt:
- „dem Schrecken gebe ich dich, da wirst du nicht mehr sein.“94
Im Zusammenhang des Spruches in 8,12 zeigt sich, wie das „Sehen“ in einem spannungsvollen Verhältnis zu der von den Ältesten aufgesuchten Finsternis steht. Das Sehen setzt ja Licht voraus. Die Ältesten suchen also die Finsternis auf, weil sie nicht möchten, daß sie und ihre Taten gesehen werden. Gleichzeitig behaupten sie im Spruch, daß Gott gar nicht sehen kann, weil er angeblich das Land verlassen hat. Das würde allerdings vor Gott ihre Flucht vor dem Licht überflüssig machen. Sie begeben sich also in Widerspruch zu sich selbst. Beides befindet sich aber auch in Widerspruch mit der Visionserfahrung des Propheten in Kapitel 8 - 11. Dort erfährt er Gott gerade als Jemanden, der selber alles sieht, aber auch ihn, den Propheten, vieles sehen läßt, das normalerweise in unzugängliche Dunkelheiten gehüllt wäre.
Das Objekt des „Sehens“ wird auf , auf „uns“, auf die Sprecher, bzw. die zugehörige Bevölkerung, eingeschränkt. Das zeigt, was ihnen wichtig ist. Sie sind zunächst an ihrem eigenen Schicksal, an ihrem persönlichen Verhältnis zu Gott interessiert. Erst im Anschluß wird dies mit dem Schicksal des Landes in Verbindung gebracht. Die Meinung, daß Gott das Land verlassen hat, wird wohl aus der Erfahrung der politischen Niederlage des Landes gebildet worden sein. Das Verhalten der Ältesten, sowie ihre Art und Weise zu sprechen, verraten, welche Konsequenzen sie für sich persönlich daraus gezogen haben.
- „das Land“ spielt in den Sprüchen bei Ezechiel eine große Rolle, da es öfters wiederkehrt. Die Sprüche in 11,15; 33,24; 33,10 (Plural!) zeigen das Land als Zankapfel bei Besitzansprüchen. In 36,2 ist der Besitzanspruch auf die Berge Israels bezogen, hat aber ähnlichen Inhalt. In 36,20 geht es wieder ums Verlassen, wenn die anderen Völker spotten, daß das israelitische Volk aus dem Land ausziehen mußte. Das Land erscheint damit immer als ein heiß umkämpfter Bezirk, der entweder in Besitz zu nehmen oder zu verlassen ist. Es ist ein Ort, an dem Völker mit ihren unterschiedlichen Götterkulten sich zeitweilig als geschichtsmächtig,