Drachenkind. . . .

Drachenkind - . . .


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zu werden, ihre roten Blicke blendeten ihn wie Scheinwerfer und in ihrer Mitte lauerten die winzigen Pupillen, die so klein waren, dass sie fast mit dem stechenden Rot drum herum verschwammen.

      Eric verteidigte seine Gedanken, ihm wurde schlecht. Die Wächter manipulierten ihn. Sie zeigten ihm Bilder von Jack und Mia, wie sie beide sich auflösten und sich vor Todesqualen die Seele aus dem Leib brüllten. Jack wurde von einem der Wächter eingehüllt und Eric sah ihn wachsen und immer größer werden, die Augen lösten sich gewaltsam aus seinem Kopf und verschwanden, bis er sich zu einer Wolke auflöste und selbst zu einem dieser Wesen wurde. Mia hingegen wehrte sich und versuchte, ihre Gedanken zu verschließen, damit die Wächter nicht an ihre tiefsten Ängste und Geheimnisse herankämen. Eric sah Mias Gedanken aufleuchten und das Heim mitsamt allen Angestellten und Einwohnern in Flammen aufgehen. Durch eines der großen Fenster sah er eine dunkle Gestalt inmitten der Flammen stehen, sie hielt irgendetwas in der Hand, vielleicht ein großes Messer. Eric konnte jeden einzelnen der Bewohner bei lebendigem Leibe verbrennen sehen und spürte ohne Ausnahme all ihre Schmerzen, erinnerte sich genau daran, wie sich das anfühlte, hatte es selbst oft genug erfahren. Er war kurz davor, sich zu vergessen und wurde davon abgelenkt, dass er fast schon zusehen konnte, wie die Wächter sich seiner Müdigkeit bedienten und ihn erschreckend schnell schwächer werden ließen.

      Die Wächter ließen Eric irgendwie wissen, dass er die Wahl zwischen seinem eigenen Leben und dem der gesamten Einwohner des Heims hätte. Entweder, er opferte sich selbst und würde ihnen folgen, oder alle mussten noch viel langsamer und grausamer sterben als sie es ihm gezeigt hatten. Eric kämpfte gegen den Drang an, sein Leben jetzt auf der Stelle zu beenden, ganz egal wie. Doch er konnte die tiefe und kräftige Stimme des Drachen spüren, die ihn eindringlich aufforderte, die Wächter nicht zu beachten, sie zu durchschauen und ihre Täuschungen umzukehren. Niemals würde er einfach sterben. Doch Eric hatte keine Ahnung, wie er das machen sollte. Er war schon am Verzweifeln, da geschah etwas Merkwürdiges. Die Bilder vor seinen Augen blieben stehen, wurden zunehmend unschärfer und offenbarten sich selbst als Täuschung und Illusion. Die Wächter bemerkten, dass er nicht aufgeben wollte. Sie suchten nach einem Weg, aus seinem Bewusstsein in sein Inneres vorzudringen, um ihn ganz unter Kontrolle zu bekommen. Diesen kurzen Moment der Pause benutzte Eric, um sich voll auf den Drachen zu konzentrieren. Er spürte wieder, wie seine Glieder wuchsen, fühlte die ganze Macht seines Willens in sich hochkochen. Die Wächter bemerkten ihren Fehler und als Eric sie mit heißer Glut aus seinem Inneren verbrennen wollte, lösten sie sich plötzlich auf und verschwanden.

      Eric zitterte. Jetzt stand er da, auf der kleinen Straße vor dem großen Haus hatte er kaum Platz. Ein Teil seines rechten Flügels stieß heftig gegen die Hauswand. Er hatte einfach gehofft, dass er sich vielleicht in Gestalt des Drachen von den Bildern befreien könnte, da er so noch viel mehr Kraft entwickelte. Die Hitze pulsierte wild in seinem Bauch. Er schluckte das Feuer, welches er gerade hatte speien wollen und sah sich um. Die Straße war menschenleer, niemand hatte sie gesehen. Eric blickte zur nächsten Straßenecke hinüber, aber auch dort war kein Mensch zu erkennen. Jack bewegte sich.

      »Wo sind sie?«, fragte er mit so schwacher Stimme, dass Eric ihn kaum verstehen konnte. Jetzt wachte auch Mia auf. Sie sprang auf die Füße und riss Jack vom Boden hoch. Der stellte sich überrascht wackelig neben sie, stützte sich an der Hauswand ab.

      »Eric«, sagte Mia abwesend, »du musst dich wieder zurückverwandeln. Sonst sieht dich jemand.«

      Eric sah sie an und bohrte seinen Blick tief in ihre Gedanken. Er hätte sich sofort verwandeln sollen. Sie war kaum geschwächt, aber er erkannte die sprachlose Ratlosigkeit und Reste der bekämpften Angst. Er sah ein Bild von sich selbst, riesig und unwissend. Er schloss die Augen und fand sich Sekunden später auf allen vieren auf dem Pflaster des Bürgersteigs wieder, fühlte die abgestrahlten Spuren seiner eigenen Hitze im Stein. Er wollte aufstehen, aber seine Beine trugen ihn nicht. Stattdessen strömten jetzt gnadenlos und ohne Vorwarnung alle Schmerzen und Bilder auf ihn ein, die ihm die Wächter gezeigt hatten. Eric hörte sich selbst noch schreien, dann wurde er bewusstlos.

      Kapitel 7

      Jack hatte sich schon lange wieder erholt, während Eric sich nach zwei Wochen immer noch unter Schmerzen im Bett herumwälzte. Er träumte nur von dem, was er durch die Wächter gesehen und empfunden hatte. Mia ließ ihn auf einer Liege in ihrem Büro, kümmerte sich um ihn wie um einen Schwerkranken. Jack verbrachte die meiste Zeit damit, Erics Gedanken zu überwachen, um Mia Bescheid sagen zu können, falls es Eric wieder besser ginge. Mia kochte Tee, stellte Salben gegen die starken Krämpfe her und betete, dass Eric schnell wieder gesund würde.

      Eines Tages kam Jack zu ihr in die Küche, wo sie gerade mit der Köchin den Speiseplan für die nächste Woche schrieb und eine Einkaufsliste erstellte. Als sie Jack sah, legte sie den Bleistift aus der Hand, sagte ein paar Worte zu ihrer Kollegin und folgte Jack in ihr Büro, wo sie sich neben die Liege kniete. Eric gab noch immer keinen Ton von sich, lag einfach still da und nichts war mehr von seinen Gedanken zu bemerken. Jack sah Mia so besorgt an, dass sie befürchtete, er könnte gleich losheulen.

      »Was ist?«, fragte Jack und unterdrückte einen Kloß im Hals.

      »Er hat es geschafft. Er denkt an gar nichts mehr. Wahrscheinlich hat er den Kampf gegen sie gewonnen und ruht sich nur aus, vielleicht aber auch nicht. Wir müssen abwarten. Ich weiß nicht, wann er aufwachen wird.«

      Jack sah sie nur wenig überzeugt an. Doch er vertraute ihr und nickte.

      »Warum er das überlebt?«

      »Weil er stark ist. Aber falls er nicht bald wieder zu Kräften kommt, werden wir hier alle nicht mehr sicher leben können. Sie werden wiederkommen. Er muss unbedingt lernen, damit er sich richtig wehren kann. Also bete, dass er bald erwacht. Die Wächter haben sich noch nie so verhalten oder eine so unangreifbare Form gehabt. Sie hatten immer die Gestalt von menschenähnlichen Wesen, erst letzten Monat begegnete ich einem. Aber jetzt … Sie sind offensichtlich viel stärker geworden. In so kurzer Zeit … «

      Mia klang besorgt. Jack nahm einen Klappstuhl und setzte sich an Mias Stelle an das Kopfende der Liege, auf der Eric lag. Wie ein Toter.

      Es dauerte ganze fünf Tage, bis Eric aus seinen Gedanken wieder einen Weg in die Realität gefunden hatte. Er bemerkte schnell, wie lange es her war, dass er sich mit jemandem unterhalten hatte. Er ließ die Augen geschlossen. Es war, als hätte er sich Jahre lang verirrt, irgendwo in den Untiefen seines Unterbewusstseins. Ohne es zu wollen, bei dem rastlosen Versuch, den Schmerzen und ihren Bildern zu entgehen. Vergeblich. Stattdessen musste er sich tagelang gegen die Spuren der Wächter in seinem Geist wehren, welche wie Gift nachwirkten und angriffen. Das hatte ihn mehr Kraft gekostet als er hätte geben können. Für fast vier Tage waren seine Körperfunktionen alle auf ein Minimum reduziert, wie bei einem Tier im tiefsten Winterschlaf. Es war keine bewusste Entscheidung gewesen und Eric begriff nicht, wie er eine derart hohe Kontrolle über seinen Körper erlangen konnte. Jener zustand hatte ihm das Leben gerettet und er begann langsam wieder, sich zu erholen. Eric spürte deutlich, wieviel Gewicht er verloren hatte. Feurig dachte er nur noch an eines: Regeneration.

      Eric öffnete die Augen und sah Mias Gesicht. Sie schien ihn zu untersuchen und als er plötzlich blinzelte, wirkte sie überrascht. Sie sprach, doch Eric hörte nichts. Sie legte ihre Hand auf seine Stirn und zog sie reflexartig zurück. Mia blickte Eric mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an, betrachtete dann ihre verbrannte Handfläche. Eric versuchte, etwas zu sagen, aber seine Muskeln blieben still und es fühlte sich an, als würde sein Kurzzeitgedächtnis nur wenige Sekunden umfassen. Alles zerfloss, war haltlos und irgendwie unangenehm. Als wäre er von seinem Körper getrennt. Er stellte seine Frage in Gedanken.

      »Ist das hier echt?«

      »Allerdings. Du lebst. Du brennst förmlich. Ein Schutzmechanismus, nehme ich an. Würdest du versuchen, ihn aufzuheben? Wir können dich sonst nicht mehr berühren und … die Stoffe, das Bett … «

      Eric wollte denken, beobachtete Mias Mund, der Worte formte, doch sie gelangten nicht in sein Inneres. Er hörte sie einfach nicht und auch ihre Gedanken waren plötzlich wie ausgesperrt. Er analysierte seinen


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