Drachenkind. . . .

Drachenkind - . . .


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Eric nahm Jack das Tablett ab, lächelte ihn dankbar an und teilte ihm in Gedanken seine Freude darüber mit, ihn wiederzusehen.

      »Du lange gelegen, über ein Monat. Hoffentlich wieder gesund. Jedenfalls sehen so aus. Wir verstehen nicht, wieso du nicht gestorben, aber wir überglücklich, dass du leben. Und ich dir danken! Ich glaube, du haben uns Leben gerettet.«

      Eric unterbrach Jacks Redeschwall mit einer Frage, als er feststellte, dass er so gut wie keine Erinnerungen an die Zeit vor dem Traum von Manou hatte. Zwischen dem Aufeinandertreffen mit den Wächtern und jetzt gab es nur dunklen, bilderlosen Schmerz und den einen Traum.

      »Wo ist Mia?«

      »Küche, sicher gleich kommen. Alle anderen sind bei Abendessen. Manche dich heimlich vermissen. Jan sich ein wenig zu sicher fühlen ohne dich. Haku dich grüßen, er wollte dich mal besuchen aber es zu heiß hier drin. Sieh, Mias Pflanzen. Manche abgekratzt. Du hattest Fieber. Aber jetzt musst du ja nicht mehr in Bett liegen! Und wissen was? Ich haben Jan Nase gebrochen! Mia sauer, aber sie sich auch ein wenig freuen. Er dachte, wenn du nicht da, er sich können an mir rächen. Aber ich getan, was Mia mich gelehrt. Sie mir gezeigt, dass ich mich mit Technik verteidigen kann und dann ich zugeschlagen!«

      Er hielt Eric seine Faust unter die Nase und seine Augen funkelten angriffslustig. Eric lachte bei dem Gedanken, dass Jan von seinem kleinen Widersacher eins auf die Nase bekommen hatte.

      »Und was hast du mit seinen Freunden gemacht? Sie waren doch bestimmt dabei, oder?«

      »Ja schon, aber Mia in der Nähe. Und ich sehr hart zugeschlagen. Erst er still, dann ganz überrascht, aber dann er wollte anfangen. Mia war die Lösung. Und nun du wieder wach, also ich denken, sie mich in Ruhe lassen. Iss, und dann anziehen, deine Sachen da auf dem Tisch. Du müssen dich waschen gehen und dann wir uns in einer Stunde treffen, damit du endlich können lernen bei Mia!«

      Jack nahm einen Schluck Tee aus seiner Tasse, lachte vergnügt und flitzte aus dem Raum. Eric stand auf, nahm seine gewaschenen Sachen und machte sich auf den Weg zu den Duschen. Er hatte das Gefühl, gerade stundenlang mit Jack gesprochen zu haben. Die vielen Worte wirbelten wie Schneeflocken durch seinen Kopf. Er war froh, niemandem auf seinem Weg zu begegnen.

      Ein synthetisch anmutender, lieblicher Geruch lag in der Luft. Er störte Eric, schmeckte unangenehm. Als Eric die erste Kabine öffnen wollte, fiel ihm auf, dass Jan wieder allesamt mit einer Münze abgeschlossen hatte. Er probierte jede der Türen erfolglos durch. Als er vor der letzten stand, seinem gewohnten Platz, dachte er darüber nach, was Jack in der Küche beim Abwaschen gesagt hatte. Vielleicht konnte er ja wirklich zaubern. Er sah das Schloss an und stellte sich vor, wie es sich drehte und die Tür mit einem leisen Klicken aufging. Nichts passierte. Eric seufzte und spürte, wie sich sein Inneres beruhigte. Nicht der Rede wert, Jan war eben ein Idiot. Er sah das Schloss wieder an. Aufgeben? Niemals! Er schloss die Augen und wartete, bis er das Bild der Mechanik im Plastikschloss vor sich sehen konnte. Dann bewegte er in Gedanken den Stift nach links, der die Tür versperrte. In seinen Gedanken schwang die Tür auf, aber er wusste nicht, wie es wirklich aussah. Eric holte tief Luft, öffnete die Augen und begab sich verblüfft und überrascht in die kleine Kabine. Als er seine Sachen in der Plastiktüte ins Waschbecken legen wollte, bemerkte er etwas auf dem Spiegel, als er ihn mit dem Blick streifte. Er sah genauer hin und das Herz wollte ihm stehenbleiben. Mit roter Schrift stand da geschrieben:

      Wir kriegen dich und deinen kleinen Freund! Schaue ihm beim Sterben zu!

      Eric dachte schnell nach. Das klang zwar wie eine Drohung, doch er spürte keine Warnung in sich und hatte nicht das kribbelnde Gefühl, sich in Sicherheit bringen zu müssen. Er strich langsam mit der Hand drüber und die Schrift verwischte. Er roch an der Farbe. Lippenstift, Erdbeere. Der Urheber des störenden Aromas in der feuchten Luft. Seine Muskeln entspannten sich. Ein Wächter würde wohl kaum mit Lippenstift geschmückt durch die Gegend fliegen und ihm dann sowas auf einen Spiegel schreiben. Eric wusste schon während er sich die Frage stellte, dass es Jan und dessen Freunde gewesen waren. Und Ingrid hatte den Lippenstift gespendet, nur sie hatte solche knalligen Farben im Gesicht. Er atmete tief durch, drehte den Wasserhahn voll auf, ließ sich das erfrischende, warme Nass gefallen. Jan … Der konnte was erleben, wenn er ihm das nächste Mal über den Weg lief.

      Frisch gewaschen und guter Dinge machte sich Eric auf den Weg zu Mias Büro. Er freute sich richtig auf seine erste Unterrichtseinheit, Jack wartete schon.

      »Yo! Endlich. Ich schon gedacht, du vergessen! Findest du, ich sein in letzter Zeit gewachsen?«

      Eric wunderte sich über die Frage. Er betrachtete Jack eingehend, dann meinte er:

      »Vielleicht etwas, ja. Jedenfalls eher als geschrumpft.«

      Jack lachte gefälscht. Dann klopfte er an Mias Bürotür und öffnete sie. Mia stand schon hinter ihrem Schreibtisch, mit einem Schlüsselbund in der Hand und auf sie wartend hatte sie gerade noch schnell ein paar der Pflanzen gegossen, welche Erics Fieber überlebt hatten.

      »Gut, ihr seid pünktlich. Wir werden einen kleinen Ausflug machen und zwar in den Wald, wo ihr euch letztes Mal so vergnügt habt.«

      Jack sah Eric fragend an, der zuckte mit den Schultern und beide folgten ihrer Lehrerin bis vor die Haustür, wo sie sich umdrehte und diese verschloss. Mia zeigte die Straße hinunter in Richtung der Sportplätze. Eric sah einen schmalen Verband an ihrer linken Hand, erkannte den Geruch einer ihrer Salben.

      »Mia, was ist mit deiner Hand?«, fragte Eric wie automatisch, bevor er sich überhaupt fürs Nachfragen entschieden hatte. Mia sah ihn kurz an.

      »Ich habe mich verbrannt. Ist nicht weiter schlimm, mach dir keine Sorgen.«

      Eric nickte nur, betrachtete nachdenklich das neue Fenster in der Haustür. Als ihm der Geruch der Teerstraße in die Nase stieg, blinzelte er unwillkürlich und spürte einen merkwürdigen Druck im Gesicht. Etwas in ihm wurde unruhig und wollte hier nicht stehenbleiben. Die Erinnerungen an die zwei Wächter kamen zurück.

      »Da lang, ich nehme an, du brauchst mehr Platz als hier. Ihr seid doch auf dem Tennisplatz gelandet?«

      Eric reagierte verzögert, vertrieb die eisigen und schmerzhaften Erinnerungen und sah sie verlegen an. Woher wusste sie das? Er hatte ihr weder in Gedanken noch anders davon erzählt. Sie gingen in der Dämmerung zu den Tennisfeldern, die abgesehen von einem Fußballplatz und einem riesigen Komplex aus Sporthallen, Fitnessstudios und Sportbars das Einzige in dieser Stadt waren, wo sich jeder uneingeschränkt austoben konnte. Oder eben unentdeckt etwas anderes tat. Drogen dealen, kleine Bandenkriege austragen oder sich wie Eric versteckt in einen Drachen verwandeln. Als sie einige Minuten später auf dem Tennisplatz standen, umringt von völlig menschenleeren Nachbarfeldern, sah sich Eric um. Auf der anderen Seite des Netzes waren selbst nach so langer Zeit immer noch Abdrücke und Spuren von etwas ziemlich Großem zu erkennen. Offensichtlich war dieses Feld nicht benutzt worden. Mia sah auf die Uhr, schließlich in Erics müdes Gesicht.

      »Sei nicht so schüchtern, mach schon! Nur, weil ich deine Lehrerin bin, heißt das noch lange nicht, dass du nicht mächtiger sein darfst als ich! Worauf wartest du noch?«

      Eric wunderte sich schon gar nicht mehr darüber, dass Mia seine Gedanken immer richtig verstand. Er konzentrierte sich und bereits nach ein paar Atemzügen stand er wieder als Drache vor ihnen. Er bemerkte sofort, dass es bei jeder Verwandlung etwas schneller und leichter ging.

      »Tja, Übung macht den Meister!«, hörte er Mia von unten nach oben rufen. Sie klang abwesend und Eric meinte, eine Art Schrecken in ihrer Stimme zu erkennen.

      »Donnerwetter, du bist ja wirklich ein Prachtexemplar. Ich glaube, du wirst für viel Aufsehen sorgen, wenn ich dich den Meistern vorstelle. Aber dazu ist es ja so oder so noch zu früh …«

      »Welche Meister?«

      Mia und Jack zuckten zusammen, Erics tiefe Stimme in ihren Gedanken und ein kurzer, lauter Ton aus seiner Kehle hatten sie erschreckt.

      »Du solltest dich besser nur in Gedanken mitteilen, sonst werden wir doch noch entdeckt. Und jetzt lass uns aufsitzen, bitte.«

      Eric


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