DIE BAUSTELLE. Parpaiola Franco
sie los zu werden also, sagte ich ihr, mit tief bedauernder Stimme, aber auf Deutsch, dass ich sie nicht verstehen könnte.
Sie murmelte daraufhin das nette, in ihren Kreisen obligatorische und übliche „Vaffanculo stronzo“, hielt aber von da an die Klappe, und ich hatte meine Ruhe.
Gegen 19Uhr kamen wir pünktlich fast auf die Minute genau in Monopoli an, wo der Bauleiter neben einem Saab 9000 mit HB-Kennzeichen, wie man mir versprochen hatte, am Bahnhofsplatz auf mich wartete. Er führte mich zu einem Hotel, in dem er bereits ein Zimmer für mich reserviert hatte, und das fand ich sehr anständig von ihm.
Er ging kurz nach unserer Ankunft im Hotel mit dem Hinweis, dass er mich am nächsten Morgen um sieben Uhr abholen wollte.
Er hatte Bekannte aus Polen zu Besuch, erzählte er mir sich fast entschuldigend, darum hatte er es eilig wegzugehen.
Wenn ich mich auch unter anderen Umständen gern ein bisschen mit ihm über die Anlage unterhalten hätte, so war ich doch letztendlich froh, dass er zu seinen Gästen ging, denn ich war der langen Reise wegen etwas müde und wollte mich in der Koje lang legen.
So ließ ich mir an der Bar des Hotels ein paar Brötchen mit Schinken zubereiten, mir auch eine Tüte Milch geben und ging aufs Zimmer.
Nach dem frugalen Abendessen duschte ich mich ausgiebig und legte mich danach bei laufendem TV sofort schlafen.
Auch im Seemannsheim in Bremen hatte ich die Gewohnheit, bei laufendem TV einzuschlafen, wohl fast jeder Mensch, der alleine lebt, tut das.
Dort sprach man aber Deutsch, daher war ich so ziemlich überrascht, als ich gegen Mitternacht wach wurde und reines Italienisch aus der Flimmerkaste hörte.
Nicht nur das, wie so oft, immer wenn ich auf Achse war und mitten in irgendeiner Nacht in irgendeinem Hotelzimmer irgendwo aufwachte, brauchte ich ein paar lange, fast panikartige Augenblicke, um mich zu erinnern, wo zum Teufel ich gelandet war.
Ich brauchte Zeit, um zu begreifen, wo ich war und warum ich dort war, und erst danach konnte ich wieder einschlafen.
Die Kraftwerkanlage war im Industriegebiet außerhalb Monopoli, neben einer Olivenölraffinerie und einer Biodiesel-Produktionsanlage, die auch dem Bauherrn der Kesselanlage gehörte, inmitten endloser Olivenbaumplantagen aufgebaut worden.
Vor dem Kessel lag das Dampfturbinenhaus.
Groß war die Dampfturbine wirklich nicht, die hatte eine Leistung von gerade 10 MW, 10.000 Kilowatt also.
Das Spielzeug war wirklich klein, so ein Kraftwerk hätte vielleicht gerade die Haushalte Monopoli mit Strom versorgen können, mehr aber auch nicht.
Kleinviehmist ist besser als nichts, besonders dann, wenn es auch noch gut - sehr gut - bezahlt wird, nicht wahr?
Hinter dem Kessel hatte man die Kontrollzentrale und Verwaltungsbüros aufgebaut.
Außerdem hatte man ein Gebäude, das als Lager für den Brennstoff gedacht worden war, aufgestellt und vor dem Lagerhaus ein übergroßes, ein monströses System aus Förderbändern, die als Brennmaterial zur Speisung für einen 100-Megawatt-Dampferzeuger gereicht hätte, so groß war das Ding.
In der Halle, wo man tonnenweise Gärenden und Stinkenden, bei hochsommerlichen Temperaturen eventuell sogar sich selbst entzündete Materialien gelagert hatte, wurde weder eine entsprechende Entlüftung noch eine Feuerlöschanlage eingebaut.
Von draußen aus gesehen die Lagerhalle erinnerte eher an einer feiner Einkaufszentrum, als an eine Lagerstätte für verfaultes Brennholz und stinkende Sansa.
»Die Deutschen haben Recht, die Italiener, die spinnen tatsächlich«, -dachte ich mir, als ich das Bauwerk sah- »warum müssen die denn immer so überheblich und großkotzig sein. Die sind noch schlimmer als die Deutschen selbst, verdammt noch mal. Warum denken die immer nur an ihren verdammten Bella Figura Blödsinn und nicht, an erster Stelle, an die Sicherheit der Anlage?«
Das war mein erster wahrer Gedanke über die Brennmaterialspeisung und Bunkeranlage des Kessels, mein allererster Eindruck von dem, was ich da sah.
Neben dem Verwaltungsgebäude wurde auch gebuddelt, dort sollte, wie ich später erfuhr, die Trocknungsanlage für die Sansa ihren Platz finden.
Da ich aber überhaupt noch nicht wusste, was Sansa war, konnte ich mir kein Urteil erlauben.
Ich wusste auch, wie Sansa aussah, und weil mir weder der Brennwert noch die Eigenschaften der mir total fremden Brennmaterie bekannt waren, machte ich mir auch keine allzu großen Gedanken darüber.
Warum denn auch?
Erstens bin ich weder ein Kesselplaner noch ein Feuerungsexperte.
Zweitens bin ich auch nicht in der Lage, bei jedem gegebenen Brennmaterial die genauere und dafür benötigte primäre und sekundäre Luftmenge für eine effiziente Verbrennung in einem Megakessel zu berechnen.
Drittens bin ich auch nicht in der Lage, die Stärke eines Saugventilators, der die Kesselabgasen erst durch den Rauchfilter, um Rußpartikel und Feinstaub zu entfernen, hineinsaugt und dann durch den Kamin in die Atmosphäre pustet, auszurechnen.
Last, but not least konnte ich auch nicht ausrechnen, wie groß der Gasreinigungsfilter einer solchen Anlage hätte sein sollen, um eine effiziente Reinigung der Kesselabgas auszurechnen, bevor die in die Umwelt gepustet werden würden.
Das ist nicht mein Fach, das habe ich nie studiert.
Vielmehr bin ich ein Schiffsmaschinist, der solche Anlagen zwar fast im Schlaf fahren kann, der aber weder die Rauchentwicklung der Sansa noch den Brennwert eines solchen ungewöhnlichen Brennmediums kennt, geschweige denn ausrechnen kann.
Nein, das kann ich nicht.
Ich kann das nicht, weil ich ein ganz normaler Seemann bin.
Ich kann Schiffsanlagen fahren, genauso wie ich so einen Scheißkessel von gerade 48 Bar Dampfdruck für einen Scheiß 10-Megawatt Siemens Dampfturbine fahren, diagnostizieren und auch total überholen kann.
Mehr aber auch nicht!
Meine damaligen Arbeitskollegen und ich können das, weil wir aus der Seefahrt kommen, wir können das, weil wir das von der Pike aufgelernt und zum Teil schon gemacht haben, das ist aber auch alles, mehr können wir nicht.
Meine Aufgabe dort, auch weil ich Italienisch als Muttersprache habe, war, die kleinen grünen Menschen darauf einzuarbeiten und anzulernen.
Danach wäre ich wieder nach Bremen, in meine vertraute Umgebung, ins Seemannsheim, zu meinem Freunden und Bekannten, zu den glorreichen Vierzehn in die Katakomben der ersten Etage des Hauses, zu meinem Clan zurückgefahren, und Monopoli wäre, wenn auch sehr eine interessante Erfahrung, Schnee von gestern gewesen,
Darum machte ich mir keine Gedanken darüber, denn ich war mir sicher, dass für jemand sich schon Gedanken darüber gemacht hatte und die Anlage, konform zum Brennmaterial, auch ausgelegt und gebaut hatte.
Es wäre also albern und dumm von mir gewesen, als einfacher Schiffsmaschinist den Konstrukteuren und Ingenieuren aus den Siemens und Wehrle zückt, fragen in dieser Richtung zu stellen, nicht wahr?
Kesselkonstrukteure, und anderen Kesselfeuerungskoryphäen, Kesselbaumeisters, Maß und Regeltechnikers alle Art, Kaminabzugsventilatoren und Feuerungsexperten, und sonstigen Rauchgaswissenschaftlern, danach zu fragen, ob die ihre Hausaufgabe gemacht hatten, nichts wahr?
Drum hielt ich brav meine Klappe dicht und die Augen und Ohren weit offen.
Die jungen Leute aus Monopoli sprachen weder Deutsch noch Englisch, denn die waren noch jung, manche von denen sogar viel zu jung.
Die Italiener, widerspenstig, wie sie nun mal sind und wahrscheinlich auch gerade eben, weil die Menschen in Italien die drollige Angewohnheit haben, Italienisch zu sprechen, verlangten, dass auch die Deutschen dies täten.
Die Germanen wiederum verlangten, dass die Italiener, weil sie von den Germanen unterstützt