EXIT. Michael Herl

EXIT - Michael Herl


Скачать книгу
reklamieren.) Machen wir den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern des Landes also unmissverständlich klar, dass eine weitere Missachtung des Gebots der weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht länger toleriert werden kann!

      Die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel hat in den letzten Monaten Tausende von Menschen dazu gebracht, auf die Straße zu gehen, um gegen die Gängelungen des § 219a StGB und für eine Stärkung des sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmungsrechts zu demonstrieren. Aber §219a StGB ist, wie wir gesehen haben, kein Einzelfall: Es gibt in Deutschland unzählige Gesetze, die bürgerliche Freiheiten aufgrund von irrationalen, kontrafaktischen, weltanschaulich parteiischen Vorgaben beschneiden. Nutzen wir also das Jahr 2019 mit seinen Verfassungsjubiläen »70 Jahre Grundgesetz« und »100 Jahre Weimarer Verfassung«, um diesen rechtspolitischen Skandal ins öffentliche Bewusstsein zu bringen! 100 Jahre Verfassungsbruch sind wahrlich mehr als genug! Es ist an der Zeit, die »Kirchenrepublik Deutschland« hinter uns zu lassen und dafür zu sorgen, dass aus Verfassungstext endlich Verfassungswirklichkeit wird.

      CARSTEN FRERK

      Seid umschlungen Millionen!

      Die Kirchen und unser Geld Über Vermögen, Subventionen, Immobilien – und andere zweifelhafte Besitzstände

      »Die Kirche ist reich – an Menschen«, so lautete jahrzehntelang eine der beständigsten Antworten von Kirchenfunktionären, wenn sie zu den Finanzen und dem Vermögen der Kirchen in Deutschland befragt werden. Dazu passt dann auch das Sprichwort: »Arm wie eine Kirchenmaus«. Warum? Weil es in den Kirchen keine Speisekammern gibt.

      Das hat in Deutschland insofern Tradition, da – im Unterschied zu den USA – nur eine arme Kirche als glaubwürdig angesehen wird, getreu dem Jesus-Wort: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.«

      Im Herbst 2013 gab es allerdings den »Finanzskandal« um den Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, der als »Prunk- und Protzbischof« geschmäht wurde. Im Zentrum der Medien- und Empörungswelle stand vor allem die vorgeblich 15.000 Euro teure Badewanne, und der Präsident der Caritas warnte seine Kirche: »Die Spenden brechen ein!«

      Dass der Bischöfliche Stuhl des Bistums Limburg, als Rechtsträger, ein institutionelles Vermögen des Bischofs von mehr als 100 Millionen Euro besitzt, ging dabei unter. Schließlich musste der Bischof seinen Platz räumen, aber die ganzen Emotionen hatten zur Folge, dass die beiden Kirchen in eine überraschende Transparenz-Offensive gingen. Hatten sie jahrzehntelang geschwiegen, so legten die meisten Bistümer und Landeskirchen in den vergangenen Jahren nun Finanzberichte bzw. Bilanzen vor.

      Das ist ein Anfang, denn sie wurden nach den Prinzipien des Handelsgesetzbuches angefertigt, das heißt alle Bewertungen erfolgen nach dem Niederstwertprinzip. Bei Beteiligungen brauchen nur die Anteile an den Stammeinlagen genannt zu werden, und Immobilien werden linear abgeschrieben und stehen nach 30 bzw. 40 Jahren nur noch mit dem »Erinnerungswert« von einem Euro in der Bilanz – auch wenn es eine 1a-Geschäftslage ist, mit einem aktuellen Marktwert von beispielsweise 30 Millionen Euro. Die vielen Immobilien im Kirchenbesitz (rund 87.000 Gebäude – ohne die 38.000 Kirchengebäude, die in Deutschland stehen) sind noch nicht bewertet, und in den Finanzberichten ist also noch »viel Luft nach oben«.

      Die in den Finanzberichten vorrangig genannten Kapitalvermögen waren aber bereits überraschend hoch. Das Erzbistum Paderborn nennt (2015) ein Vermögen von 4,2 Milliarden Euro, das Erzbistum Köln 3,5 Milliarden Euro, das Erzbistum München und Freising 3,3 Milliarden Euro usw. Rechnet man die bisher veröffentlichten Zahlen der katholischen Bistümer zusammen, ergibt das 20,4 Milliarden Euro. Für die evangelischen Landeskirchen sind es 4,6 Milliarden Euro (Württemberg), 3,5 Milliarden (Bayern), 1,8 Milliarden (Rheinland) usw., zusammen 12,5 Milliarden Euro. Beide Kirchen nennen also insgesamt 32,9 Milliarden Euro Vermögen – nach dem Niederstwertprinzip. Diese Angaben beziehen sich zudem nur auf die Rechtsträger Bistum bzw. Landeskirche, in ihnen sind keinerlei Finanzen und Vermögen der Kirchengemeinden, der kirchlichen Organisationen und Stiftungen oder der Ordensgemeinschaften enthalten.

      Obwohl es ein lobenswerter Anfang ist, gibt es dazu auch innerkirchlichen Widerspruch, der das traditionelle Schweigen weiter erhalten will.

      Ein vielzitierter bekannter deutscher Dichter, Johann Wolfgang von Goethe, stellte in seinen Gesprächen mit Eckermann am 11. März 1832 fest: »Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe reichdotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der untern Massen.« Und das zu Recht.

      Als eine Recherche ergab, dass die Kirchen zur Finanzierung ihrer beiden Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie nur 1,8 Prozent beitragen (alles andere zahlen die Krankenkassen, die Pflegekassen, die Patienten und der Staat) wurden von der Forschungsgruppen Weltanschauungen in Deutschland (fowid.de) 1000 Kirchenmitglieder befragt, wie sie dazu stünden. Die Frage lautete:

      »Die Kirche unterhält mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer ja auch viele soziale Einrichtungen. Einmal angenommen, die Kirche würde von den Einnahmen aus der Kirchensteuer nur einen sehr geringen Teil oder gar nichts für soziale Zwecke ausgeben. Wäre das für Sie persönlich ein Grund, aus der Kirche auszutreten, oder wäre das für Sie kein Grund?«

      Immerhin: 46 Prozent der befragten Kirchenmitglieder antworteten, dass sie aus der Kirche austreten würden, wenn es so wäre – wir wissen, dass es so ist. Also: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das Gesamtvermögen der beiden Kirchen in Deutschland wird auf ein Volumen von bis zu rund 400 Milliarden Euro geschätzt. Der wirtschaftliche Jahresumsatz aller kirchlichen Organisationen auf rund 130 Milliarden Euro.

      Wie ist es dazu gekommen, nicht nur in Deutschland, sondern generell, und gilt dieses Wirtschaftsvolumen auch in anderen Teilen der Welt? Gehen wir also zurück in die Entstehungsgeschichte des Christentums und betrachten – in aller Kürze – die Entstehung und die Eigenarten der Organisation »Christliche Kirche«. Es geht also um ihre Weltlichkeit, vor allem um das Marketing der Kirchen, insbesondere der katholischen, weltumfassenden Kirche.

       Kirche und Marketing

      Die Geschichte der Unternehmensmarke »Christliche Kirche« lässt sich – in aller Kürze – auch mit Begriffen des Marktverhaltens und des Marketings beschreiben.

      Paulus von Tharsus, der sich nach einem Erweckungserlebnis für den maßgeblichen Apostel hielt, startete eine feindliche Übernahme der Jesus-Gruppen, indem er die Zielgruppe erweiterte (Jesus hatte nur beschnittene Juden als Adressaten), das Vertriebsgebiet ausbaute (Missionsreisen im Imperium Romanum) und Prinzipien aufstellte, die neu sind: Die Auferstehung Jesu, der Gehorsam vor der Obrigkeit in Rom, die Bezahlung der Priester, das Schweigen der Frauen. Während Petrus, so viel wir wissen, sich als Vorsteher der Gemeinde in Jerusalem, als Manager verhielt (Organisation, Qualitätssicherung und Risikomanagement) hatte Paulus offensichtlich »Leadership Quality« (Vision, Kommunikation und Begeisterung). Seine Genialität zeigte sich unter anderem in der perfekten Beherrschung des »Advertising«, insbesondere des »Direktmarketings« in Mailings (Kettenbriefe an die Korinther, Galater, Epheser und viele andere) und in der Beeinflussung von »Opinion Leaders« vor Ort (Timotheus, Titus, Philemon). In seiner Kommunikation von »Unique Leadership« war das »Superiority Statement« für das Christentum konsequent.

      Parallel entstand dazu in den ersten drei Jahrhunderten ein umfangreiches »Mission Statement« (Neues Testament) – mit dem man, in seiner Widersprüchlichkeit, alles begründen kann – und es wurde eine der größten »Positioning Operations« der europäischen Geschichte realisiert. Durch »Produktpiraterie« wird der beliebte Mithras-Kult (Sol invictus) und die weitverbreitete, aus Ägypten stammende Horus-/Isis-Verehrung als Jesus/Maria inkorporiert. Horus, der Falkengott, verschmilzt mit dem Auferstandenen, dem über den Tod siegreichen Christus. Unter dem Christusmonogramm PX (nicht mit dem lateinischen Kreuz) führte Kaiser Konstantin seine Legionen in die Schlacht, die man bekanntlich nicht mit Nächstenliebe


Скачать книгу