Krallenspur. Lara Seelhof

Krallenspur - Lara Seelhof


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Und das Erstaunliche geschah.

      Nicht dass ich auf dem Weg war, die nächste Frida Kahlo zu werden, aber das Zeichnen fing tatsächlich an, mir ein bisschen Spaß zu machen, was ohne Zweifel an meinem tollen Lehrer lag. Und kurz vor Ende der Stunde hatte ich sogar ein halbwegs brauchbares Werk zu Papier gebracht. Das Porträt sah ihm zwar nicht im Geringsten ähnlich, aber es war besser als das wirre Gekritzel. Mein selbst ernannter Lehrmeister zeigte sich auf jeden Fall zufrieden mit meiner Leistung und allein für sein Lächeln hatte sich die ganze Schufterei schon gelohnt, auch wenn mein verkrampftes Handgelenk wie Feuer brannte. Wieso nur war für mich das Zeichnen so fürchterlich anstrengend, während es bei ihm ganz leicht ausgesehen hatte?

      Ich war davon ausgegangen, dass wir auch die Mittagspause miteinander verbringen würden. Doch leider verabschiedete er sich, als Kathy und Sandra in Sicht kamen, und verschwand in die entgegengesetzte Richtung.

      Meine gute Laune war schlagartig dahin und ich musste mich zu einem Lächeln zwingen, als Kathy mich begrüßte. Sandra hatte nur einen unterkühlten Blick für mich übrig, den ich ebenso kühl erwiderte. Ihr wäre es offensichtlich lieber gewesen, wenn ich meine Mittagspause auf dem Mond verbracht hätte, aber den Gefallen tat ich ihr nicht.

      Den Rest des Tages sah ich Cassian nicht mehr und ich tat alles, um auch nicht ständig an ihn zu denken. Ich lauschte angestrengt dem Unterricht, schrieb eifrig mit und schaffte es tatsächlich, ihn kurzzeitig aus meinen Gedanken zu verbannen.

      Nach der letzten Stunde gingen Tyler und ich zur Sitzung des Festkomitees. Abby hatte uns im Stich gelassen, weil sie wieder arbeiten musste, und Susan quittierte ihre Abwesenheit mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. Aber wenigstens stand nach eineinhalb Stunden endlich das Motto unseres Schulballs fest: »Ball der Vampire«. Und wir hatten uns sogar auf die Dekoration einigen können. Susan entließ uns gnädig und glücklicherweise war der nächste Termin erst in drei Wochen.

      Als ich den Raum verließ, fiel mir ein, dass ich meinen Ausweis noch immer nicht wiederhatte. Also beschloss ich, es noch einmal in der Bibliothek zu probieren. Außerdem konnte ich so Doug aus dem Weg gehen. Mit ziemlicher Sicherheit würde er wieder versuchen, mich zu überreden, mit ihm und Tyler etwas zu unternehmen, und ich war überzeugt, dass sein Freund uns nicht lange Gesellschaft leisten würde. Vor den anderen aus der Clique hielt er sich bisher zurück, aber wenn wir alleine waren … Nein danke. Auf peinliche Liebesbekundungen konnte ich gut verzichten.

      Also verabschiedete ich mich von Tyler und machte mich auf den Weg zur Bibliothek. Erstaunlicherweise saß Mr. Brown diesmal hinter seinem Tresen.

      »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie den vermissen würden.« Lächelnd reichte er mir die Plastikkarte.

      »Danke.« Ich steckte den Ausweis in meine Geldbörse und wünschte ihm einen schönen Feierabend.

      Auf dem Weg zum Parkplatz ließ ich mir viel Zeit und es war schon dunkel, als ich bei meinem Wagen ankam. Aber es hatte funktioniert. Der rote Camaro war weg. Erleichtert drückte ich den Türöffner, öffnete die Fahrertür und schlüpfte auf den Sitz. Meinen Rucksack stellte ich in den Fußraum vor den Beifahrersitz, steckte den Schlüssel ins Zündschloss, aber als ich ihn umdrehte, tat sich nichts. Der Anlasser gab keinen Mucks von sich.

      Das konnte nicht wahr sein. Ich hatte eine nagelneue Batterie drin. Er musste doch anspringen. Ich versuchte es noch einmal - wieder mit demselben Ergebnis. Er rührte sich nicht. Genervt zog ich den Hebel für die Motorhaube und stieg wieder aus.

      Ich starrte in den Motorraum, ohne wirklich zu wissen, was ich jetzt tun sollte, aber schließlich machte man das doch so, wenn man eine Panne hatte. Vielleicht sah ja auch zufällig jemand die offene Haube und kam mir zur Hilfe. Als ich mich jedoch umsah, schwand meine Hoffnung. Weit und breit war niemand zu sehen.

      Während ich noch überlegte, ob es Sinn machte, zurück zur Bibliothek zu gehen, um Mr. Brown um Hilfe zu bitten, oder ob ich lieber gleich unseren Mechaniker Gordon Rowney von seinem wohlverdienten Abendessen abhalten sollte, hörte ich doch ein Auto kommen und zu meiner Überraschung hielt es auch noch neben mir, obwohl der gelbe Porsche eindeutig weder einem Schüler noch einem der Lehrer gehörte. Dazu war das Cabrio zu teuer und sein dunkelhaariger Fahrer eindeutig zu attraktiv.

      »Alles in Ordnung bei dir?«

      Ich schätzte den Mann, der mit französischem Akzent sprach, auf Mitte zwanzig. Sein Lächeln war gewinnend, dennoch war ich nicht sicher, ob es klug war, Hilfe von einem Wildfremden anzunehmen.

      »Na ja …« Aber was konnte schon passieren, wenn er sich mein Auto zumindest mal ansah? Ich beschloss, es darauf ankommen zu lassen, setzte ein hilfloses Lächeln auf und erklärte ihm mein Problem.

      Er schaltete sofort den Motor aus, öffnete die Wagentür und schwang sich mit einer eleganten Bewegung aus seinem Porsche.

      Wie die meisten Typen war er größer als ich. So groß wie Cassian, schätzte ich, denn als ich ihn ansah, musste ich auch bei ihm den Kopf in den Nacken legen.

      »Was ist mit der Batterie?« Seine Stimme klang eine Spur kühler und sein Lächeln war jetzt verschwunden. Er betrachtete mich auf eine unangenehm abschätzende Weise. Sofort fühlte ich mich unbehaglich und sah schnell auf meinen Motor.

      »Keine Ahnung, was er hat …« Wie dünn meine Stimme auf einmal klang. Beinahe ängstlich. Das war nicht gut. Hätte ich ihn doch bloß nicht um Hilfe gebeten.

      »Ist sie schon älter?«, forschte er.

      Eigentlich eine normale Frage. Doch ich sah ihn noch immer nicht an, sondern tat, als wäre ich an dem wirren Durcheinander von Kabeln und Schläuchen interessiert. »Nein … ich meine, die Batterie ist fast neu.«

      »Hmmh, dann nützt es wohl nichts, wenn ich dir Starthilfe gebe.« Sein Tonfall ließ mich jetzt doch aufschauen und ich stellte fest, dass sein Lächeln zurückgekehrt war.

      Seltsamerweise verschwand auch sofort das nervöse Gefühl. Eigentlich wirkte er doch ganz nett. Vermutlich hatte er nur so komisch reagiert, weil ihn meine Panne von irgendeinem wichtigen Termin abhielt. Oder vielleicht einem Date?

      »Gut, dann sehen wir mal nach, woran es sonst liegen könnte.« Er beugte sich über den Motor, ohne dabei auf seinen eleganten dunklen Anzug zu achten, und murmelte etwas.

      »Wie bitte?«

      »Un moment s’il vous plaît.« Er fummelte noch kurz an einem der Kabel herum, dann richtete er sich auf, strich sich die halblangen, gewellten Haare aus der Stirn und grinste siegessicher.

      »Das eine Kabel war nicht richtig fest. Könnte sich beim Fahren gelockert haben. Versuch mal zu starten. Wenn ich richtigliege, funktioniert jetzt wieder alles.«

      Gehorsam klemmte ich mich hinters Steuer und betätigte den Anlasser. Diesmal brummte der Motor sofort auf.

      »Hey, das ist ja super!« Ich strahlte meinen Retter dankbar an. Erstaunlicherweise sah er nicht nur gut aus, er verstand auch tatsächlich etwas von Autos.

      »Danke.« Während ich ausstieg, fiel mir auf, dass ich nicht einmal seinen Namen kannte.

      Offenbar hatte er denselben Gedanken. »Verzeihung, wie unhöflich. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Sebastian Duveauchelle. Stets zu Ihren Diensten, Mademoiselle.« Er verbeugte sich elegant vor mir. »Und wen habe ich gerade vor dem Abschleppdienst gerettet?«

      Ich fand ihn und seine altmodische Art auf einmal richtig sympathisch. »Celia. Celia McCall.«

      »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Mademoiselle Celia.”

      Als ich seine Hand berührte, fühlte diese sich noch kälter an als meine, aber sein Lächeln wirkte warm und gewinnend.

      »Mich auch«, antwortete ich und meinte es auch so. Merkwürdig, dass ich mich eben noch so unwohl in seiner Gesellschaft gefühlt hatte.

      »Okay, Celia. Kann ich dich dann allein lassen?«

      Er ließ meine Hand los und auf einen Schlag war die Leichtigkeit und Fröhlichkeit aus seiner Stimme verschwunden. Seine braunen


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