Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
gegeben. Dazu folgendes Schaubild:
Der BGH hatte sich bereits zweimal mit genau dieser Fallkonstellation zu befassen.
BGH 1987:[22] Wenn die Unterbilanz später (nach der Zuwendung) wieder überwunden wird (z.B. durch Gewinne der Gesellschaft), können die Gläubiger durch die frühere Auszahlung nicht mehr nachteilig betroffen sein. Also entfällt der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG.
BGH 2000:[23] Der einmal entstandene Erstattungsanspruch der GmbH aus § 31 könne durch „derartige Überlegungen“ nicht wieder wegfallen.
In der zweiten Entscheidung fällt die rein formale Argumentation des BGH auf. Der BGH will offenbar etwas für den Gläubigerschutz in der GmbH tun. Je nachdem, für welche Auffassung man sich entscheidet, ist der Anspruch des I gegen den G zu bejahen oder zu verneinen.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › VI. Details zur Kapitalerhaltung
VI. Details zur Kapitalerhaltung
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Anhand einiger Fälle werden nun einige Details zur Kapitalerhaltung erläutert. Um niemanden zu überfordern, beschränkt sich die Darstellung auf sieben Aspekte, die praktisch wichtig und nicht unmittelbar aus dem Gesetz abzuleiten sind. Sie sind anhand der Fälle 12, 13 und 14 erklärt und dienen dazu, das Verständnis des Kapitalerhaltungssystems und die Rechtsprechung dazu zu vertiefen.
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Fall 12:
Gesellschafter S (an der S-GmbH, einem Bauunternehmen, zu 75 % beteiligt, daneben ist der Geschäftsführer der S-GmbH, T, zu 25 % an ihr beteiligt) will seiner mittellosen Ehefrau E auf ihre Bitte hin ein Darlehen für einen neuen Sportwagen besorgen. Es gelingt dem S, den Geschäftsführer T der S-GmbH zur Hingabe eines solchen Darlehens (50.000 €) an die E zu überreden. Dies geschieht, obwohl die letzte Jahresbilanz der S-GmbH nicht besonders gut aussah, was auch dem S bekannt war: Stammkapital 100.000 €, Aktivvermögen 500.000 €, Verbindlichkeiten 400.000 €. Dann fährt E den Wagen auf der Landstraße gegen einen Baum, dieser ist nur noch Schrott. Besteht ein Anspruch der S-GmbH gegen S und/oder T auf Zahlung an die S-GmbH in Höhe von 50.000 € „wegen der Auszahlung des Darlehens an E“? Rn. 221
Bilanz: | Aktiva | Passiva |
---|---|---|
100.000 (SK) | ||
500.000 | 400.000 |
1. Analoge Anwendung des § 30 GmbHG auf Umgehungsfälle
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Im Grundsatz verbietet § 30 GmbHG nur Zuwendungen an Gesellschafter, nicht an Dritte. Zu den Gesellschaftern gehören zwar auch mittelbare Gesellschafter, d.h. solche Personen, die Gesellschafter eines unmittelbaren Gesellschafters sind und den unmittelbaren Gesellschafter beherrschen (vgl. näher dazu Rn 634 ff. und die Lösung von Fall 26). Nicht hingegen gehören dazu Freunde oder Verwandte eines Gesellschafters oder andere „nahestehende Personen“.
§ 30 GmbHG kann aber dann angewendet werden, wenn ein Umgehungsfall vorliegt, wenn also der Gesellschafter sich hinter Strohmännern (oder -frauen) versteckt, über die am Ende doch ihm selbst das Geld zufließen soll.[24]
2. §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG analog
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Im Aktienrecht verbieten die §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG Kredite an nahe Verwandte von Organmitgliedern eines die Gesellschaft beherrschenden Unternehmens. Da dieses in aller Regel ein Gesellschafter der fraglichen Aktiengesellschaft ist, lässt sich den beiden Vorschriften der Grundgedanke entnehmen, dass Zuwendungen an nahe Angehörige von herrschenden Gesellschaftern als Zuwendungen an den Gesellschafter selbst anzusehen sind.
3. Darlehensgewährung an Gesellschafter und Aktiventausch
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Solange der Darlehensnehmer kreditwürdig, das Darlehen gesichert und der Zinssatz marktüblich ist, liegt keine Zuwendung vor und damit keine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Vielmehr hat die Gesellschaft nur Aktiva (Bargeld) gegen andere Aktiva (Rückforderung der Valuta aus dem Darlehensvertrag) getauscht. Das meint das Gesetz mit „vollwertigen Rückgewähranspruch“ in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG.
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Aktiventausch bilanziell gesehen:
Bilanz vorher: | Aktiva | Passiva | |
500.000 (Geld) | 100.000 (SK) | ||
400.000 |
Bilanz nachher: | Aktiva | Passiva | |
450.000 (Geld) | 100.000 (SK) | ||
50.000 (Forderung) | 400.000 |
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Die Frage der Kapitalerhaltung und der bilanziellen Betrachtung bei Darlehen an Gesellschafter ist höchst problematisch.[25] Das Problem ist einerseits, dass der Gesellschaft durch Darlehen zwar nicht notwendig Vermögen, wohl aber Liquidität entzogen wird. Dieser Abzug von Liquidität kann gegen das Gesellschaftsinteresse verstoßen, wenn die Gesellschaft im konkreten Fall auf die Liquidität angewiesen war. Deshalb hatte der BGH noch im Jahr 2003 solche Darlehen als „Auszahlung“ behandelt.[26] Mit der Neuformulierung des § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG (und entsprechend auch des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG) hat der Gesetzgeber freilich eine Behandlung als Aktiventausch quasi vorgeschrieben, daraufhin hat der BGH seine Rechtsprechung geändert.[27] Zum zweiten kann in dem Darlehen auch bei bilanzieller Betrachtung durchaus eine Vermögensminderung zu sehen sein. Das ist sofort offenbar, wenn ein zu geringer (unter dem marktüblichen) Zinssatz vereinbart wird. Die Zuwendung liegt dann aber nur im Zinsunterschied.[28]
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Darüber