Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
zahlungsfähig oder überschuldet ist oder später wird, so dass die Rückzahlung des Darlehensbetrags gefährdet ist, soweit das Darlehen nicht ausreichend besichert ist. All dies kann zwar theoretisch in einer Bilanz berücksichtigt werden. Das setzt aber voraus, dass die Gesellschaft täglich die Forderung gegen den Gesellschafter neu bewertet, seine Kreditwürdigkeit überprüft und die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung des Kredits feststellt. Genau dies wird praktisch nicht geschehen, schon weil es zu aufwendig ist. Gleichwohl hat der BGH in dem angesprochenen Urteil solches für die Rechtslage in der AG von dem Geschäftsleiter verlangt (lesen!).[29] Der BGH nimmt nunmehr schon dann einen bloßen Aktiventausch an, wenn die Kreditwürdigkeit im Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens an den Gesellschafter nicht zweifelhaft ist. Hier im Fall ist die Kreditwürdigkeit aber mehr als zweifelhaft, siehe dazu unten Rn. 221.
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Hinweis:
In einer Klausur muss ein Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG geprüft werden und im Rahmen dieses Anspruchs der Verstoß gegen § 30 GmbHG incidenter, d.h. im Rahmen des Tatbestands des § 31 Abs. 1 GmbHG, erörtert werden (Zahlungen, die § 30 zuwider geleistet sind).
4. Mithaftung anderer Gesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG
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Eine Mithaftung der anderen Gesellschafter ordnet § 31 Abs. 3 GmbHG an, falls von dem die Zuwendung empfangenden Gesellschafter keine Befriedigung zu erlangen ist (weil der pflichtige Gesellschafter z.B. selbst zahlungsunfähig ist und/oder er sich ins Ausland abgesetzt hat). Die Höhe der Haftung des Mitgesellschafters ist aber zweifelhaft und streitig. Aus dem Gesetz ergibt sich keine Beschränkung der Haftung. Allerdings war dem Gesetzgeber bei Schaffung des GmbHG nicht klar, dass bereits die Haftung aus § 31 Abs. 1 GmbHG im Einzelfall auch deutlich über die Stammkapitalziffer hinausgehen kann (wenn die Gesellschaft nämlich bereits überschuldet war oder die Zuwendung selbst höher als der Betrag des Stammkapitals ist). Einige wollen deshalb den Mitgesellschafter vor einer zu weitgehenden Inanspruchnahme schützen, weil, wenn und soweit er „nichts dafür kann“. Andere wollen die Gläubiger schützen, weil diese ja kaum wissen können, wie weit der Mitgesellschafter selbst mit im Boot saß und/oder eben doch etwas dafür kann. Nach der Rechtsprechung haften die Mitgesellschafter bis zur Höhe der Stammkapitalziffer:
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§ 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG ordnet an, dass der Mitgesellschafter „nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile“ haften soll. Bedeutet das, dass etwa T aus Fall 12 lediglich in Höhe von 25 % von 50.000 € in Anspruch genommen werden kann? Nein, insoweit spricht § 31 Abs. 3 S. 2 GmbHG noch eine deutliche Sprache. Wenn von S selbst nichts zu erwarten ist, haftete T bis zur vollen Höhe des Stammkapitals.[30]
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Wie gesagt, die Begrenzung auf die Stammkapitalziffer ist streitig, es werden noch höhere, wie auch niedrigere Verpflichtungen des Mitgesellschafters in der Literatur vertreten.[31] Ein besonders interessanter Aufsatz, in dem – entgegen dem BGH – behauptet wird, es gebe überhaupt keine Grenze, stammt von Jungmann.[32] Dagegen hat sich wiederum K. Schmidt ausgesprochen,[33] der meint, die Haftung der anderen Gesellschafter beschränke sich auf die Stammeinlage des ausfallenden Inferenten (also im Fall 12 auf die Stammeinlage des S, der die Zuwendung veranlasst hat, d.h. auf 75.000 €).
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Man beachte: Für den die Zuwendung empfangenden Gesellschafter selbst gilt die vom BGH rechtsfortbildend festgelegte Beschränkung auf die Stammkapitalziffer nicht. Wären also im Fall 12 z.B. 150.000 € an S ausgezahlt worden, so müsste er auch 150.000 € zurückzahlen.
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Hinweis:
In einer Klausur ist ein Anspruch gegen Mitgesellschafter aus § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG nur dann zu prüfen, wenn entweder Hinweise auf die fehlende oder eingeschränkte Zahlungsfähigkeit des empfangenden Gesellschafters gegeben werden oder aber ganz allgemein nach der Rechtslage gefragt wird. Wenn ausschließlich nach Ansprüchen gegen Mitgesellschafter gefragt ist, muss der Verstoß gegen § 30 GmbHG wiederum incidenter, d.h. im Rahmen des Tatbestands des § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG, geprüft werden. Zum Tatbestand des § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG gehört implizit ein solcher Verstoß, da § 31 Abs. 3 wegen seiner systematischen Stellung auf § 31 Abs. 1 und damit auf § 30 GmbHG Bezug nimmt.
a) Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 3 GmbHG
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§ 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG ordnet eine strenge Mithaftung des Geschäftsführers für verdeckte Gewinnausschüttungen an. Neben der verbotswidrigen Zahlung ist noch Verschulden erforderlich, § 43 Abs. 2 GmbHG. Ist die Haftung gegeben, geht sie als Haftung auf Schadensersatz ggf. über den Betrag der Zuwendung hinaus, z.B. wenn die Zuwendung zu weiteren Schäden bei der GmbH führt. Die Haftung ist gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn ein Gesellschafterbeschluss vorliegt, der den Geschäftsführer zur Auszahlung anweist. Diesen muss er ja grundsätzlich ausführen; dazu oben Rn. 67. Doch zeigt § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG, dass eine solche Entlastung nur gegenüber der Gesellschaft stattfindet, nicht gegenüber den Gläubigern. Wenn die Haftung des Mitgesellschafters zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, dann kann er sich auf den Beschluss nicht berufen. Es wird also von ihm verlangt, sich in solchen Fällen gegen die Gesellschafter zu stellen, wenn er nicht in die Haftungsfalle geraten will.
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In Fall 12 ist von den Gläubigern der S-GmbH nicht die Rede, offenbar ist die Gesellschaft also weder zahlungsunfähig noch überschuldet (vgl. auch die Bilanz, nach der das Stammkapital durch die Zuwendung nur zur Hälfte verbraucht ist). Daher könnte ein entsprechender Gesellschafterbeschluss die Haftung des T aus § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG wirksam ausschließen.
b) Haftung nach § 31 Abs. 6 GmbHG
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Zu beachten ist noch § 31 Abs. 6 GmbHG. Die Vorschrift ordnet die Haftung des Geschäftsführers zugunsten der mithaftenden Mitgesellschafter an. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass in erster Linie der Geschäftsführer Kassenwalter der Gesellschaft ist. Wenn um der Seriosität der GmbH willen der Gesetzgeber eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter anordnet (Rn. 212), dann sollen diese den handelnden Geschäftsführer wenigstens in Regress nehmen oder sich von ihm freistellen lassen können. Denn unter Umständen wussten sie ja nichts von der verbotenen Auszahlung an den nun nicht mehr zu belangenden Empfänger der verbotenen Zuwendung, der Geschäftsführer ist hingegen stets „näher dran“.
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Daraus ergibt sich: Wenn dem Geschäftsführer ein Verschuldensvorwurf bezüglich der Auszahlung zu machen ist (und das wird in aller Regel der Fall sein), so haftet er im Ergebnis neben dem empfangenden Gesellschafter allein (d.h. noch vor den unbeteiligten Mitgesellschaftern, die von ihm ja nach § 31 Abs. 6 GmbHG Freistellung von ihrer Haftung verlangen können) für die Rückzahlung der verbotenen Auszahlung. Ist aber bei dem Geschäftsführer nichts zu holen, so haften die Mitgesellschafter.
Im Fall 12 hülfe § 31 Abs. 6 GmbHG dem T in seiner Rolle als Gesellschafter (vgl.