Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
Wenn aber etwa ein weiterer mithaftender Gesellschafter (z.B. Y) vorhanden gewesen wäre, so könnte dieser Gesellschafter unter Umständen bei T nach § 31 Abs. 6 GmbHG Regress nehmen.
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Lösung zu Fall 12:
1. S-GmbH gegen S aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB?
Da kein Vertrag zwischen der S-GmbH und S geschlossen wurde, scheiden vertragliche Ansprüche aus.
2. S-GmbH gegen S aus § 31 Abs. 1 GmbHG
a) Voraussetzung: Verstoß gegen § 30 GmbHG durch S
Es müsste zunächst eine Zuwendung an S vorliegen. Hier hat jedoch E das Darlehen erhalten. E ist weder unmittelbare oder mittelbare Gesellschafterin, sie soll im Übrigen das Geld auch tatsächlich selbst erhalten und nicht etwa an S weiterleiten. § 30 GmbHG kann also nicht unter Umgehungsgesichtspunkten angewendet werden, da E nicht Strohfrau des S ist.
Dem S könnte aber die Zuwendung an seine Ehefrau gem. §§ 89, 115 AktG analog als Zuwendung an sich selbst zuzurechnen sein. Der Rechtsgedanke dieser Vorschriften ist eigentlich nur dann einschlägig, wenn E die Ehefrau des Geschäftsführers T wäre. Andererseits erklärt § 89 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 AktG die Kreditbeschränkungen für Vorstandsmitglieder auch dann für anwendbar, wenn der Ehefrau des Vorstands eines beherrschenden Unternehmens (und dieses ist in aller Regel ein Gesellschafter) Kredit gewährt wird. Insoweit kann man in § 89 Abs. 3 AktG einen auch hier maßgebenden Umgehungsgedanken erkennen. Denn S kann ja mit 75 % die GmbH beherrschen. Danach muss sich S so behandeln lassen, als sei der Kredit an ihn erfolgt.[34]
b) Zuwendung in der Unterbilanz?
aa) Zuwendung oder bloßer Aktiventausch?
Es müsste ferner überhaupt eine Zuwendung erfolgt sein. Hier wurde lediglich ein Darlehen ausgereicht. Eine Kreditgewährung ist bilanziell ganz allgemein problematisch. Grundsätzlich handelt es sich nämlich nur um einen Aktiventausch: Die Gesellschaft verliert Bargeld, gewinnt aber eine Forderung gegen den Darlehensnehmer in gleicher Höhe (sowie zusätzlich eine Forderung auf die Zinsen).
In unserem Fall aber ist die Situation anders: E war mittellos, die Gesellschaft hat keine Sicherheiten erhalten, der Rückzahlungsanspruch gegen E aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ist weitgehend wertlos, von einem Aktiventausch kann daher nicht gesprochen werden.
Daher liegt im Sachverhalt eine verdeckte Zuwendung an S vor (+).
Anm.: Der Sachverhalt wirft noch ein weiteres Problem auf: Auf wen kommt es an, auf die Mittellosigkeit der E oder auf die Kreditwürdigkeit des S? Man denke darüber nach, bevor man weiterliest … Antwort: Wenn man schon eine Haftung des S wegen der Zuwendung an die E in Betracht zieht, dann hat es keinen Sinn, auf seine Kreditwürdigkeit abzustellen – er ist ja selbst aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB gerade nicht zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet, sondern soll über die Regeln der Kapitalerhaltung erst haftbar werden.
Die für die Frage der Kapitalerhaltung heranzuziehende, sozusagen „richtige“ Bilanz nachher sieht also hier wie folgt aus:
Bilanz nachher | Aktiva | Passiva | |
450.000 (Geld) | 100.000 (SK) | ||
-50.000 (Fehlbetrag) | |||
400.000 |
bb) in der Unterbilanz
Die Zuwendung muss zu einer Unterbilanz der GmbH geführt haben oder „in der Unterbilanz“ der Gesellschaft vorgenommen worden sein. Wenn man nach dem unter aa) Gesagten von einer Zuwendung (an S) in Höhe von 50.000 € ausgeht, dann ergibt die Betrachtung des bilanziellen Vermögens der GmbH, dass diese Zuwendung zu einer Unterbilanz führte, da nach der Auszahlung das Aktivvermögen der GmbH 450.000 € war, die Verbindlichkeiten hingegen 400.000 € betrugen, und damit nicht mehr ein zur Erhaltung des Stammkapitals (100.000 €) erforderlicher Vermögensüberschuss vorhanden war.
c) Ergebnis:
Da eine gegen § 30 GmbHG verstoßende Zuwendung an S vorlag, besteht ein Anspruch der S-GmbH gegen S aus § 31 Abs. 1 GmbHG in Höhe von 50.000 €.
3. S-GmbH gegen T aus § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG
Voraussetzung des Anspruchs ist zunächst ein Verstoß gegen § 30 GmbH. Dieser liegt vor, siehe soeben 2. Ferner muss T Gesellschafter der S-GmbH sein. Schließlich ist erforderlich, dass von S keine Befriedigung zu erwarten ist. Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte, ein Anspruch gegen T in seiner Eigenschaft als Gesellschafter scheidet daher hier aus (siehe zu seiner Haftung im Falle mangelnder Solvenz des S Rn. 213 f.).
4. S-GmbH gegen T aus § 43 Abs. 3 GmbHG
Voraussetzung ist zunächst ein Verstoß gegen § 30 GmbH durch T, dieser ist in der Auszahlung des Darlehens an E zu sehen. Erforderlich ist ferner, dass dem T in seiner Rolle als Geschäftsführer ein Verschuldensvorwurf zu machen ist, § 43 Abs. 2 GmbHG. Hier hat sich T überreden lassen, das Darlehen auszureichen, obschon er über die Lage der GmbH informiert war. Darin wird man zumindest fahrlässiges Handeln erblicken müssen, so dass T in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer auf Rückzahlung der vollen 50.000 € haftet. Ein seine Haftung ausschließender Gesellschafterbeschluss liegt nicht vor, so dass der Anspruch grundsätzlich zu bejahen ist.
6. Haftung nach Verkauf der Geschäftsanteile
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Fall 13:
Wie Fall 12, bald nach Auszahlung des Darlehens an E verkaufen und übertragen S und T ihre Anteile an der S-GmbH auf die B-AG zu einem angemessenen Preis, nachdem sie dem Vorstand der B-AG Einsicht in die Geschäftsbücher der GmbH gegeben haben. Dann fährt E den Wagen auf der Landstraße gegen einen Baum, dieser ist nur noch Schrott. Kurze Zeit später verlangt der neue Geschäftsführer der S-GmbH (auf Weisung durch Gesellschafterbeschluss der B-AG) von S und T eine Zahlung an die S-GmbH in Höhe von 50.000 € „wegen der Auszahlung des Darlehens an E“. Rn. 224
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Die Haftung der Gesellschafters aus § 31 GmbHG erlischt nicht durch den Verkauf ihrer Anteile. Das ergibt sich schon aus § 31 Abs. 4 GmbHG. Und der Erwerber haftet nicht für Verstöße seiner Vorgänger gegen die Kapitalerhaltung, der Verstoß haftet also nicht am Gesellschaftsanteil. Allerdings kann ein Veräußerer eventuell aus dem Kaufvertrag gegenüber dem Erwerber geltend machen, die Minderung des Stammkapitals sei ja schon beim Kaufpreis berücksichtigt worden und insoweit müsse der Erwerber ihn von seiner Haftung freistellen. Gegenüber der Gesellschaft kommt ein solcher Einwand indessen nicht zum Tragen, da er aus dem Schuldverhältnis mit dem Erwerber resultiert und daher nicht der Gesellschaft gegenüber erhoben werden kann (Relativität der Schuldverhältnisse).
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Lösung zu Fall 13:
Die Lösung des Falles orientiert sich zunächst an der Lösung zu Fall 12 und wird insoweit nachfolgend nicht