Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
aufweisen.
aa) Diebstahl als Vortat
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Die Vortat muss eine Wegnahme, gleich ob in Selbst- oder Drittzueignungsabsicht, enthalten.[187] Vortat können unstreitig der Diebstahl und die Diebstahlsqualifikationen (§§ 244, 244a StGB) sein, auch die Fälle der §§ 247, 248a StGB.[188] Wie für den Raub ist daher die Geringwertigkeit der Beute unerheblich.[189] Die Vortat muss objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig sowie rechtswidrig, nicht aber schuldhaft gewesen sein.[190]
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Fraglich ist, ob auch der Raub und seine Qualifikationen (§§ 249, 250, 251 StGB) taugliche Vortaten des § 252 StGB sind.[191] Denn der Raub wird üblicherweise als delictum sui generis angesehen (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 36). Dies wird von der Rspr.[192] und der h.L.[193] bejaht, wenngleich dies im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG (Analogieverbot) nicht gänzlich unproblematisch erscheint. Für die Einbeziehung der §§ 249 ff. StGB spricht aber, dass § 249 StGB, i.S.e. logischen Einschlussverhältnisses, sämtliche Tatbestandsmerkmale des Diebstahls enthält[194] und ansonsten Wertungswidersprüche insbesondere im Hinblick auf § 251 StGB auftreten.[195] Zudem ist nach der Rspr. die Zulassung der Raubdelikte als taugliche Vortaten von praktischer Bedeutung, wenn der Täter die qualifizierenden Merkmale der §§ 250, 251 StGB erst nach Vollendung der Wegnahme erfüllt.[196] Keine tauglichen Vortaten sind andere Eigentums- und Vermögensdelikte (wie z.B. Betrug[197], Unterschlagung[198] oder die räuberische Erpressung[199]), sodass auch in diesem Zusammenhang zahlreiche Auslegungs- und Abgrenzungsprobleme relevant werden.[200]
bb) Zeitlicher Anwendungsbereich
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Nach heute absolut h.M. darf die Vortat nicht beendet sein, denn nach einer beendeten Tat kann der Täter nicht mehr in tatbestandsrelevanter Weise „bei einem Diebstahl“ betroffen werden (Wortlautgrenze).[201] Fraglich und strittig ist aber, ob sie vollendet sein muss. Nach h.M. ist eine Vollendung erforderlich.[202] Dies führt dazu, dass bei Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel bis zur Vollendung des Diebstahls stets Raub, danach räuberischer Diebstahl vorliegt. § 252 StGB setzt jedenfalls wegen des subjektiven Tatbestandsmerkmals der (Selbst-)Besitzerhaltungsabsicht bereits erlangten Gewahrsam voraus, was prima facie dafür spricht, dass der Diebstahl vollendet sein muss. Für die h.M. spricht zudem zwar nicht die Formulierung „bei einem Diebstahl“, wohl aber der Wortlaut „gestohlenes Gut“, der sich allerdings nur im subjektiven Tatbestand bei der Besitzerhaltungsabsicht findet.[203] Nach einer Mindermeinung sind aber auch die (seltenen) Fälle erfasst, in denen der Täter durch einen untauglichen Diebstahlsversuch (z.B. bei einer „Diebesfalle“) eine fremde Sache in seinen Gewahrsam bringt.[204] Danach kommt es nicht auf das Vorliegen eines vollendeten Diebstahls, sondern allein auf die Begründung neuen Gewahrsams an. Diese Ansicht sieht die Vollendung des Diebstahls als subjektives Tatbestandsmerkmal an.[205] Damit bestünde zwischen Raub und räuberischem Diebstahl keine objektive Exklusivität in zeitlicher Hinsicht, sondern eine „subjektiv-vorstellungsbezogene“.[206] Diese Ansicht erscheint vorzugswürdig, die „Vollendungslösung“ ist nicht zwingend durch den Wortlaut vorgezeichnet, maßgeblich ist (für eine Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG) vielmehr nur die Erlangung des Gewahrsams durch die Vortat.
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Nach dieser Auffassung soll im Ergebnis aber nur ein versuchter räuberischer Diebstahl vorliegen, da auch die Vortat nur versucht wurde und bei einem Einsatz des Nötigungsmittels vor der Gewahrsamserlangung auch nur ein versuchter Raub vorläge.[207] Dies überzeugt jedoch nicht, da § 252 StGB als einaktiges (Rn. 33) Tätigkeitsdelikt mit überschießender Innentendenz mit Anwendung der Gewaltmittel vollendet ist und anders als der Raub gerade keinen Erfolg voraussetzt. Zu bestrafen ist somit wegen vollendeten räuberischen Diebstahls. Solange der Täter durch den (versuchten) Diebstahl Gewahrsam erlangt, kann das von § 252 StGB erfasste Unrecht der (beabsichtigten) Perpetuierung einer Eigentumsverletzung unabhängig davon verwirklicht sein, ob die Vortat versucht oder vollendet ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Täter Nötigungsmittel einsetzt, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Daher kann ein versuchter Diebstahl (bzw. Raub) nur in den Fällen taugliche Vortat eines (vollendeten) § 252 StGB sein, in denen der Täter zumindest Gewahrsam an der Sache erlangt hat. Stellt sich der Täter nur vor, dass er den Gewahrsam an der Sache erlangt hat, so ist §§ 252, 22 StGB verwirklicht. Im Übrigen sind die Fälle, in denen der Täter erkennt, dass der Diebstahl lediglich im Versuchsstadium stecken geblieben ist, im subjektiven Tatbestand zu lösen (Rn. 64).
cc) Persönlicher Anwendungsbereich
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Sowohl an der Vortat wie auch am räuberischen Diebstahl selbst können mehrere Personen beteiligt sein. Letztere Konstellation wirft klassische Beteiligungsfragen auf (Rn. 72 ff.). Eine Frage des objektiven Tatbestandes des § 252 StGB ist es aber, inwieweit die Formulierung „bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen“ eine Subsumtion von Sachverhalten zulässt, in denen der Täter des § 252 StGB entweder Unbeteiligter oder Teilnehmer (also Anstifter oder Gehilfe) der Vortat war. Weitgehend unstrittig ist im Hinblick auf den Wortlaut („auf frischer Tat betroffen“), dass der Täter des § 252 StGB zumindest an der Vortat beteiligt sein muss.[208] Eine andere Auslegung wäre im Hinblick auf an der Vortat gänzlich Unbeteiligte nicht mit dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.
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Str. ist aber, ob Täter des § 252 StGB nur sein kann, wer den Diebstahl als Vortat täterschaftlich begangen hat. Der Einbeziehung von Teilnehmern steht der Wortlaut nicht entgegen. Dementsprechend hält die Rspr. und ein Teil der Lehre einen Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) des Diebstahls für einen tauglichen Täter eines räuberischen Diebstahls, allerdings nur dann – da bei Teilnahme keine Zurechnung des Beutebesitzes erfolgt – wenn er sich in Besitz der Beute befindet.[209] Dagegen ist nach h.L.[210] eine täterschaftliche Begehung der Vortat erforderlich, wobei eine sukzessive Mittäterschaft genügen soll. Teilnehmer der Vortat können danach (wie gänzlich Unbeteiligte) nicht Täter des § 252 StGB sein.[211] Auch beim Raub setze eine täterschaftliche Begehung voraus, dass sowohl die Nötigung als auch die Wegnahme täterschaftlich begangen worden seien.[212] Dies ist folgerichtig, soweit man, wie z.B. Vogel oder Natus von einer zweiaktigen Struktur des § 252 StGB ausgeht. Nach hier vertretener Ansicht (Rn. 33) handelt es sich jedoch beim räuberischen Diebstahl um ein einaktiges Tätigkeitsdelikt, sodass dieses Argument nicht trägt. Auch das Argument, dass beim Teilnehmer keine „verlängerte Zueignungsabsicht“[213] vorliege und sich ein Wertungswiderspruch ergäbe, da die Täterschaft des § 252 StGB nicht weiter reichen dürfe als die des § 249 StGB (bei fehlender Selbstzueignungsabsicht lag kein Raub vor, wenn der Diebesgehilfe mit Raubmitteln eine Sache wegnahm)[214], ist seit dem 6. StrRG (Rn. 12) obsolet, da nun auch die Drittzueignungsabsicht bei § 249 StGB genügt, sodass bei Beutebesitz des Gehilfen auch eine verlängerte (Dritt-)Zueignungsabsicht vorliegen kann.[215] Letztlich wird darauf verwiesen, dass das Gebot einer restriktiven und raubgleichen Auslegung für die h.L. spräche.[216] Bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis des Tatbestandes als einaktiges Delikt, bei dem das Tatbestandsmerkmal „bei einem Diebstahl“ nur die Tatsituation beschreibt (