Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
der Vortat, die selbst keinen unmittelbaren Besitz an der Beute haben, soll der alleinige Besitz eines anderen Mittäters nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können, sodass die Verteidigung dieses mittäterschaftlichen Besitzes regelmäßig in Selbstbesitzerhaltungsabsicht erfolge.[313] Diese Konstruktion einer Besitzzurechnung über § 25 Abs. 2 StGB überzeugt jedoch nicht: Sie findet keine Stütze im Gesetz, was im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG höchst problematisch ist, zudem ist der (zu erhaltende) Besitz kein objektives Tatbestandsmerkmal des § 252 StGB.[314] In Fällen der Mittäterschaft kann deshalb nur dann Selbstbesitzerhaltungsabsicht bejaht werden, wenn zumindest Mitgewahrsam besteht. Dagegen kann einem Gehilfen (des Vortäters), der keinen Gewahrsam an der Sache aufweist, unstreitig nicht der Besitz des Täters (der Vortat) zugerechnet werden, sodass § 252 StGB von vornherein ausscheidet.[315]
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Kommt es dem Täter allein auf die Flucht oder Verhinderung der Festnahme an, scheidet § 252 StGB aus.[316] Nicht ausreichend ist auch, dass der Täter die Feststellung seiner Person verhindern möchte, um nicht einen späteren, dadurch bedingten Verlust des Diebesguts zu riskieren,[317] oder ausschließlich handelt, um ein verräterisches Beweisstück zu beseitigen.[318] Die Absicht der Besitzerhaltung muss allerdings nicht das einzige und auch nicht das dominierende Motiv für die Nötigungshandlung sein.[319] Ausreichend ist insoweit auch, dass der Täter sich der Strafe entziehen und zugleich sein Diebesgut erhalten will.[320] Allein aus der Mitnahme der Beute bei der Flucht kann noch nicht auf eine Besitzerhaltungsabsicht geschlossen werden.[321] Anders ist dies, wenn der Täter sich der Beute gefahrlos entledigen konnte, dies ist zumindest Indiz für eine Besitzerhaltungsabsicht.[322]
cc) Erfordernis fortbestehender Zueignungsabsicht
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Nach h.M. muss der Täter den Besitz mit dem (Fern-)Ziel der ursprünglich angestrebten Zueignung sichern.[323] Auch wenn § 252 StGB lediglich eine situationsbezogene Besitzerhaltungsabsicht voraussetzt, ist dem zuzustimmen. Das Erfordernis einer „verlängerten Zueignungsabsicht“[324] bzw. „einer zur ‚Perpetuierungsabsicht‚ modifizierten Zueignungsabsicht“[325] entspricht dem Charakter des § 252 StGB als raubähnliches Eigentumsdelikt und gewährleistet die im Hinblick auf die erforderliche Raubähnlichkeit gebotene restriktive Auslegung.[326] Allerdings handelt es sich streng genommen nicht (zwingend) um eine „verlängerte“ Zueignungsabsicht, da nach hier vertretener Ansicht auch Täter des § 252 StGB sein kann, wer an der Vortat nur als Gehilfe oder Anstifter beteiligt war. Bei diesem Täterkreis kann, muss aber nicht Zueignungsabsicht bei der Vortat vorgelegen haben.
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Das Erfordernis der Zueignungsabsicht hat drei Komponenten: Der Täter muss zunächst bzgl. der gestohlenen Sache die Absicht zumindest vorübergehender Aneignung haben.[327] Diese Aneignungsabsicht liegt z.B. nicht vor, wenn der Täter mit Beute flieht, weil er sie alsbald preisgeben (z.B. vernichten) will.[328] Nicht erforderlich ist jedoch die Absicht, sich den Besitz der gestohlenen Sache auf Dauer zu erhalten.[329] Hinzukommen muss (Eventual-)Vorsatz bzgl. dauerhafter Enteignung, der z.B. nicht vorliegt, wenn der Täter die Beute alsbald wieder zurückgeben will. Letztlich muss die beabsichtigte Zueignung rechtswidrig sein. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Täter zwischen Wegnahme und Gewaltanwendung einen Anspruch erwirbt.[330] Deshalb ist § 252 StGB auch nicht gegeben, wenn ein Eigentumsübergang auf den Täter nach dem Diebstahl (etwa im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB) erfolgt ist.[331]
aa) Täterschaft
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Räuberischer Diebstahl ist kein eigenhändiges Delikt, sodass insbesondere eine mittäterschaftliche Begehung in Betracht kommt.[332] Keine täterschaftliche Begehung liegt nach allgemeinen Regeln wegen des Fehlens eines gemeinsamen Tatentschlusses bei einem Mittäterexzess vor. Gleichwohl kann bei einem Mittäterexzess der sich nicht im Besitz der Sache befindende Täter durch den Einsatz von Nötigungsmitteln zur (vermeintlichen) Besitzerhaltung des räuberischen Diebstahls strafbar machen (Rn. 68). Voraussetzung für eine Qualifikation als Täter ist allerdings, dass der Beteiligte Selbstbesitzerhaltungsabsicht, da diese nicht zugerechnet werden kann (Rn. 68), sowie „verlängerte Zueignungsabsicht“ (Rn. 70 f.) hat.[333]
bb) Teilnahme
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Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) ist vor Tatbeginn möglich, wenn die Beteiligten bereits zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich einer Raubmittelanwendung zur Besitzerhaltung dolus eventualis haben.[334] Teilnahme an der Vortat ist nur dann Teilnahme am räuberischen Diebstahl, wenn die Teilnahmehandlung an der Vortat in der Haupttat des § 252 StGB fortwirkt und dies vom Vorsatz des Teilnehmers erfasst ist.[335]
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Anstiftung zum räuberischen Diebstahl gemäß §§ 252, 26 StGB liegt dann vor, wenn der Tatentschluss zu Diebstahl und anschließender Beuteverteidigung mit Raubmitteln geweckt wird.[336] Im Hinblick auf die einaktige Struktur des räuberischen Diebstahls ist eine Anstiftung zu § 252 StGB auch dann möglich, wenn der Teilnehmer den Täter nicht auch schon zum Diebstahl angestiftet hat.[337] Für eine Beihilfe zu § 252 StGB muss der Gehilfe die (Haupt-)Tat durch Rat oder Tat fördern.[338]
aa) Vollendung
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Vollendet ist der räuberische Diebstahl als erfolgskupiertes Gefährdungsdelikt bereits mit dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel in Besitzerhaltungsabsicht.[339] Die Vollendung hängt nicht davon ab, ob der Täter den Besitz (Gewahrsam) tatsächlich erhalten kann.[340] Da der Tatbestand einen Erfolg i.S.e. erfolgreichen Besitzverteidigung nicht voraussetzt, steht der Verlust der Beute der Vollendung nicht entgegen.[341]
bb) Versuch
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Der Versuch des Verbrechens des räuberischen Diebstahls ist strafbar (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB), liegt aber wegen des Charakters des § 252 StGB als erfolgskupiertes Erfolgsdelikt selten vor. Ein Versuch ist dann gegeben, wenn die Anwendung des Nötigungsmittels im Versuchsstadium stecken bleibt (z.B. weil das Opfer die Drohung nicht versteht).[342] Nach überwiegender Ansicht soll ein Versuch auch dann vorliegen, wenn die Vortat ein (untauglicher) Versuch (etwa bei Wegnahme einer vermeintlich fremden Sache oder bei einer Diebesfalle) war.[343] Dem ist jedoch nur insoweit zuzustimmen, sofern nicht bereits eine Gewahrsamserlangung durch den Täter stattgefunden hat, andernfalls kann bereits ein vollendeter räuberischer Diebstahl vorliegen (Rn. 40).
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Das unmittelbare Ansetzen beginnt erst mit dem Ansetzen zur qualifizierten Gewalt oder Drohung, nicht bereits mit dem Ansetzen zur Vortat.[344] Dies gilt auch, wenn der Täter bereits bei der Begehung der Vortat (bedingten) Vorsatz hatte, die Beute notfalls mit Raubmitteln zu verteidigen.[345]
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Rücktritt gemäß § 24 StGB ist nur möglich, solange die Gewalt oder Drohung und damit das erfolgskupierte Gefährdungsdelikt des § 252 StGB nicht