Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
und damit § 252 StGB zur Anwendung kommt, nur die Phase zwischen der Vollendung der Vortat (bzw. nach hier vertretener Ansicht ausnahmsweise auch bei einem zur Gewahrsamserlangung führenden Versuch; Rn. 40), also der Wegnahme als Begründung neuen Gewahrsams unter Bruch fremden Gewahrsams, und deren Beendigung, also die Erlangung gesicherten Gewahrsams.[254] Absolute Obergrenze für die „Frische“ der Tat ist damit ihre Beendigung.[255] Nach a.A. führt die Beendigung der Vortat nur in der Regel zum Ausschluss der Tatfrische, nicht jedoch zwingend.[256] Auch wenn zuzugeben ist, dass die Vortat auch nach ihrer Beendigung noch „frisch“ sein kann, ist der Täter dann aber nicht mehr „bei einem Diebstahl“ betroffen. Wird das (qualifizierte) Nötigungsmittel nach Beendigung der Vortat eingesetzt, kommt somit nur eine Strafbarkeit wegen der Vortat sowie ggf. z.B. gemäß § 240 StGB bzw. bei Anwendung von Gewalt auch gemäß §§ 223 ff. StGB in Betracht.
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Bereits vor Beendigung der Vortat kann die Tat aber nach h.M. ihre Frische verlieren, sodass § 252 StGB nicht mehr anwendbar ist.[257] Nach der Rspr. muss sich nach den „Umständen des Einzelfalls“ ein enger zeitlicher (und räumlicher) Zusammenhang mit dem Diebstahl ergeben.[258] Der Täter muss „alsbald nach der Tatausführung“ betroffen werden[259] bzw. Nötigungsmittel einsetzen.[260] Ein enger zeitlicher Zusammenhang kann etwa verneint werden, wenn Opfer und Täter nach dem Gewahrsamswechsel zusammenbleiben und der Täter deshalb noch keinen gesicherten Gewahrsam erlangt hat, jedoch eine lange Zeit zwischen Gewahrsamswechsel und Nötigungshandlung vergeht (z.B. während einer längeren gemeinsamen Autofahrt).[261] Besteht aber der enge zeitliche (und räumliche) Zusammenhang, ist unerheblich, wenn es zum Einsatz eines Nötigungsmittels erst kommt, nachdem der Täter von der anderen Person auch über längere Zeit (oder über längere Strecken) verfolgt worden ist (Fälle der sog. Nacheile).[262] Jedoch muss sich die Verfolgung unmittelbar an das Betreffen anschließen und ohne wesentliche Zäsur erfolgen.[263] Zudem ist zu beachten, dass nach hier vertretener Ansicht (Rn. 44) die Tat auch noch bei Einsatz der Nötigungsmittel „frisch“ sein muss.[264] Insofern genügt es nicht, wenn der Verfolger den Täter aus den Augen verloren hat und ihn einige Stunden später zufällig findet und dann Nötigungsmittel einsetzt.[265]
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Zum Teil wird für die Einordnung einer Tat als „frisch“ darauf abgestellt, ob gegen sie noch Notwehr i.S.d. § 32 StGB möglich wäre, mithin, ob noch ein gegenwärtiger Angriff vorliegt.[266] In den meisten Fällen wird diese Ansicht zu denselben Ergebnissen kommen wie die h.M., da bei einem Diebstahl das Ende der Gegenwärtigkeit des Angriffs der materiellen Beendigung des Diebstahls entspricht.[267] In einigen Fällen kann es jedoch zu Abweichungen kommen, da nach h.M. zu Recht davon ausgegangen werden muss, dass die Vortat auch schon vor ihrer Beendigung ihre Frische verlieren kann.
dd) „Frische Tat“ – räumliche Eingrenzung
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Neben dem engen zeitlichen Zusammenhang fordert der BGH auch einen engen räumlichen Zusammenhang der Nötigungshandlung mit der Wegnahme.[268] Der Täter muss entweder am Tatort oder aber in dessen unmittelbarer Nähe betroffen sein bzw. Nötigungsmittel einsetzen.[269] Die Frische der Tat endet freilich, wenn sich der Täter durch die Flucht so weit entfernt hat, dass er sicheren Gewahrsam erlangt hat und die Vortat damit beendet ist.[270] Ebenso genügt es nicht, wenn der Täter während einer sofort eingeleiteten Suche überhaupt erstmals betroffen wird.[271]
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Unter diesen Umständen genügt es wiederum, wenn die Nötigungsmittel erst während der Nacheile, d.h. der sofort nach dem Betroffensein auf frischer Tat aufgenommenen und ohne Zäsur fortdauernden Verfolgung eingesetzt werden.[272] Allerdings ist wiederum zu beachten, dass nach hier vertretener Ansicht (Rn. 44) die Tat auch noch bei Einsatz der Nötigungsmittel „frisch“ sein muss.
aa) Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
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Der Täter muss als Tathandlung des § 252 StGB Gewalt gegen eine Person verüben oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwenden. Die Ausführungen zu den qualifizierten Nötigungsmitteln im Rahmen des Raubes gelten folglich auch im Rahmen des räuberischen Diebstahls (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 43 ff.). Allerdings gibt es auch Besonderheiten:[273] Der Einsatz der Nötigungsmittel muss nicht final der Wegnahme dienen, sondern soll vielmehr den bereits erlangten Besitz sichern.[274] Da § 252 StGB ein kupiertes Erfolgsdelikt ist, muss der Raubmitteleinsatz anders als bei § 249 StGB keinen Erfolg haben, sodass sich auch nicht die Frage eines Kausal- oder Zurechnungszusammenhangs stellt.
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Auch ist die Tatsituation vielfach eine andere als beim Raub, da Gewalt gegen eine Person beim Raub vielfach ein aggressives Vorgehen beinhaltet, während beim räuberischen Diebstahl häufiger ein „tendenziell defensives Verhalten“ (z.B. Loswinden vom Ladendetektiv oder ein Beiseitestoßen des Verfolgers) vorliegt.[275] Das LG Gera verlangt deshalb, wegen des hohen Strafniveaus und zur Wahrung der normativen Äquivalenz mit dem anderen Nötigungsmittel „Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ im Rahmen des § 252 StGB einen restriktiven Gewaltbegriff zugrunde zu legen und als Gewalt nur körperbezogene Eingriffe von einigem Gewicht anzuerkennen.[276] Da nach der hier vertretenen Ansicht auch bei Raub ein restriktiver Gewaltbegriff anzunehmen ist (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 51) darf es sich jedenfalls nicht um eine nur unerhebliche körperliche Einwirkung handeln. Zudem ist daran zu denken, in diesen Fällen einen minder schweren Fall anzunehmen (Rn. 79).[277]
bb) Nötigungsopfer
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Die qualifizierten Nötigungsmittel können sich dabei sowohl gegen den Eigentümer als auch gegen den Gewahrsamsinhaber oder einen Dritten richten.[278] Sie muss sich nicht gegen denjenigen richten, der den Täter auf frischer Tat betroffen hat.[279]
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Wie bei § 249 StGB (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 53 ff.) stellt sich auch bei § 252 StGB die Frage der Gewaltfinalität, da auch hier die Gewalt im Hinblick auf die Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes erfolgen muss. „Nahezu unbestritten“[280] ist deshalb, dass der den Täter Betreffende nicht zwingend objektiv verteidigungsbereit oder subjektiv verteidigungswillig sein muss.[281] Nach h.M. soll jedoch erforderlich sein, dass der Täter subjektiv von zumindest möglicher Verteidigungsbereitschaft des ihn Betreffenden ausgeht.[282] Die Gegenauffassung, die bei einem objektiv nicht verteidigungsbereiten Opfer lediglich einen Versuch annehmen will,[283] wird nur noch vereinzelt vertreten und findet im Gesetz keine Stütze.
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Strittig ist, ob auch Tatbeteiligte taugliche Nötigungsopfer sein können. Anders als § 251 StGB setzt § 252 StGB nicht die Anwendung von Gewaltmitteln gegen eine andere Person, sondern nur gegen eine Person voraus, sodass die Einbeziehung von Tatbeteiligten weniger problematisch ist. Dabei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden. Im ersten Fall