Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
20) umstritten. Bis dahin war § 316a StGB ein echtes Unternehmensdelikt (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB), mit der Folge, dass Versuch und Vollendung gleichgestellt waren. Nach dem 6. StrRG wurde die Tatmodalität des „Unternehmens“ des Angriffs durch die des „Verübens“ des Angriffs ersetzt.[399] Damit sollte die Vollendungsstrafbarkeit hinausgeschoben werden;[400] ein Angriffsversuch reicht hierfür nun nicht mehr aus. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit einer tätigen Reue gemäß § 316a Abs. 2 StGB a.F. als überflüssig im Hinblick auf die Rücktrittsregeln des § 24 StGB gestrichen.[401] Die von der Literatur aus dieser Umgestaltung gezogenen Schlussfolgerungen sind uneinheitlich. Sie reichen von der Einordnung als unechtes Unternehmensdelikt über ein Tätigkeitsdelikt mit überschießender Innentendenz bis hin zu einem Erfolgsdelikt.[402] Nach einer Ansicht handelt es sich nunmehr zwar nicht um ein formales, aber um ein unechtes Unternehmensdelikt.[403] Dafür spricht der Wortlaut („einen Angriff verübt“), der nahelegt, dass auch Versuchshandlungen als tatbestandlicher Angriff gedeutet werden können. Dagegen kann allerdings eingewandt werden, dass auch ein Versuch des § 316a StGB nach den allgemeinen Regeln des § 23 Abs. 1 StGB möglich ist. Zudem vermag die Bezeichnung als „unechtes Unternehmensdelikt“ letztlich nichts über die Deliktsstruktur auszusagen.[404] Nach a.A. handelt es sich nunmehr um ein Erfolgsdelikt mit überschießender Innentendenz.[405] Der Erfolg könnte in dem tatsächlich verübten (nicht unbedingt gelungenen) Angriff gesehen werden. Dem ist jedenfalls dann nicht zuzustimmen, wenn man unter Erfolgsdelikten solche Delikte versteht, bei denen der Erfolg in einer von der Täterhandlung räumlich und zeitlich getrennten Verletzungs- oder Gefährdungswirkung liegt.[406] Die Ansicht, die § 316a StGB als Erfolgsdelikt ansieht, vermischt Tathandlung und -erfolg; eine tatsächliche Beeinträchtigung von Leib, Leben, Entschlussfreiheit oder dem Straßenverkehr bzw. eine konkrete Gefahr für diese Schutzgüter ist gerade nicht erforderlich.[407]
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Nach zutreffender Ansicht handelt es sich bei § 316a StGB um ein Tätigkeits- und Absichtsdelikt.[408] Die Vorschrift ist ein Tätigkeitsdelikt, weil die Tatbestandserfüllung mit dem letzten Handlungsakt, dem Angriff auf die genannten Schutzgüter, eintritt.[409] Sie ist ein Absichtsdelikt, weil die subjektive Intention des Täters über den objektiven Tatbestand hinaus auf einen weitergehenden Erfolg gerichtet sein muss.[410] Es handelt sich um ein „Tätigkeitsdelikt mit überschießender Innentendenz“[411] und hierbei wiederum um ein unvollständig zweiaktiges Delikt, da der zusätzliche Erfolg durch weitere (räuberische) Handlungen herbeigeführt werden soll.[412] Aus dieser Einordnung ergeben sich Folgen für den Beginn der Strafbarkeit und die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts nach § 24 Abs. 1 StGB (Rn. 149).
3. Geschützte Rechtsgüter
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Aus der Rechtsgutsbestimmung ergeben sich im Rahmen einer an der systemimmanenten Bedeutung des Rechtsgutsbegriffs orientierten teleologischen Auslegung Konsequenzen im Hinblick auf die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene restriktive Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale.[413] Geschützte Rechtsgüter sind nach unumstrittener Ansicht zunächst Individualrechtsgüter des Opfers, nämlich Eigentum sowie das Vermögen auf der einen Seite und das Leben, die körperliche Unversehrtheit sowie die Willensentschließungsfreiheit auf der anderen Seite.[414]
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Streitig ist, ob auch die Kollektivrechtsgüter Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer bzw. genauer die Funktionsfähigkeit des Straßenverkehrs geschützt sind.[415] Die h.M. bejaht dies zu Recht.[416] Dafür spricht die systematische Stellung bei den gemeingefährlichen Straftaten des 28. Abschnitts sowie der Wortlaut der Norm („die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt“).[417] Außerdem sind die (sich auch in der systematischen Stellung des § 316a StGB niederschlagenden) Vorstellungen des historischen Gesetzgebers zu berücksichtigen, wonach § 316a StGB „auf der Nahtstelle zwischen den Vermögens- und den Verkehrsdelikten“ liege.[418] Zudem lässt sich die im Vergleich zu Vermögensdelikten sehr hohe Mindeststrafe bei gleichzeitiger Vorverlagerung der Strafbarkeit nur bei der – auch vom Gesetzgeber gewollten – Einbeziehung der Kollektivrechtsgüter legitimieren.[419] Eine Ansicht in der Literatur vertritt demgegenüber, dass ausschließlich der Schutz des Eigentums und des Vermögens intendiert sei.[420] Der Kraftverkehr werde lediglich reflexartig geschützt. Dafür spreche der Umstand, dass eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs nicht notwendig sei. Allerdings zeigt das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 316 StGB, dass es auf eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs nicht ankommen kann. Diese auf Vermögens- und Eigentumsschutz beschränkte Ansicht führt zu einer Strafbarkeitsausweitung, etwa im Hinblick auf Angriffe gegenüber Personen, die sich im Fahrzeuginnern befinden, ohne dass sie ihr Fahrzeug bereits in Bewegung gesetzt haben.[421] Die besseren Gründe sprechen also dafür, mit der h.M. den Schutz des Straßenverkehrs als „tragenden Teil der Unrechtskonzeption“[422] anzusehen.
a) Überblick
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Der objektive Tatbestand des § 316a StGB setzt voraus, dass der Täter einen Angriff auf Leib, Leben oder (Willens-)Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Subjektiv muss neben Vorsatz die Absicht i.S.e. überschießenden Innentendenz vorliegen, einen (qualifizierten) Raub, (qualifizierten) räuberischen Diebstahl oder eine (qualifizierte) räuberische Erpressung (§§ 249, 250, 252, 255 StGB) zu begehen.
b) Täter
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Täter des § 316a StGB kann jedermann („wer“) sein, sowohl ein Außenstehender als auch der Fahrer gegenüber dem Mitfahrer oder umgekehrt.[423] Wenn der Fahrer der Täter ist, ist aber besonders sorgfältig zu prüfen, ob er die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt.
aa) Angriff
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Angriff[424] ist jede gegen Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Opfers gerichtete feindselige Handlung.[425] Damit genügt die schlichte intentionale Angriffstätigkeit; es ist nicht erforderlich, dass ein Verletzungserfolg eintritt.[426] Maßgeblich ist somit die Finalität des Angriffshandelns.
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Strittig ist aber, ob darüber hinaus eine Einwirkung auf das Opfer erforderlich ist. Die Rspr. fordert beispielsweise bei Angriffen gegen die Entschlussfreiheit eine Einwirkung auf diese,[427] mit der Konsequenz, dass der nötigende Charakter einer gegen die Entschlussfreiheit gerichteten Handlung vom Opfer wahrgenommen werden muss.[428] Eine Einwirkung wird auch von einem Teil der Literatur vorausgesetzt.[429] Die hiermit angestrebte Einschränkung, insbesondere bei Angriffen auf die Entschlussfreiheit, lässt sich sachgerecht auch über das Merkmal des „Verübens“ (Rn. 108) bzw. „Ausnutzens“ erreichen. Nach einer a.A. soll entscheidend sein, ob das Verhalten objektiv geeignet ist, Leib, Leben oder Entschlussfreiheit zu beeinträchtigen.[430] Damit werden – den Tatbestand einschränkend – untaugliche, also von vornherein objektiv ungefährliche Angriffsformen nicht erfasst.[431] Zudem wird dem Täter die Rücktrittsoption möglichst lange offen gehalten. Dagegen wird zu Recht argumentiert, dass der Begriff des Angriffs tätigkeitsbezogen ist und vom Wortlaut auch objektiv ungefährliche Verhaltensweisen einbezogen sind.[432] Eine Restriktion lässt sich aber wiederum über die Merkmale „Verüben“