Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Lösungsansätze vertreten. Beyer[554] beschränkt § 316a StGB auf von außen kommende Angriffe, was z.B. Angriffe auf Taxifahrer durch Fahrgäste schutzlos stellen würde.[555] Eine andere Restriktionsmöglichkeit besteht darin, den Verkehrsschutzaspekt des § 316a StGB stärker zu betonen. Nach Duttge/Nolden sollen nur Angriffe im fließenden Straßenverkehr relevant sein, bei denen der Täter die Bewegungsvorgänge eines Fahrzeugs ausnutzt und infolgedessen genuin straßenverkehrsbedingte (Unfall-)Gefahren für die Allgemeinheit (sic!) schafft.[556] Es wird kritisiert, der BGH stelle lediglich auf die erhöhte Gefährdung des Führers bzw. Mitfahrers, nicht aber auf die spezifische Gefährdung des Verkehrs ab.[557] Danach erfasse § 316a StGB nur Angriffe im fließenden, nicht aber im ruhenden Verkehr. Baur[558] lässt hingegen auch eine Unfallgefahr für den Fahrzeugführer ausreichen, da auch dieser Teil der zu schützenden Allgemeinheit der Straßenverkehrsteilnehmer sei. Für ihn handelt es sich bei § 316a StGB um ein gemeingefährliches Delikt in Gestalt eines abstrakten Gefährdungsdelikts.[559] Die stets erforderliche Gemeingefahr sei bei Angriffen im fließenden Verkehr zu vermuten, im Übrigen zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber sorgfältig zu prüfen.[560] Auch Sowada[561] weist auf die doppelte Schutzrichtung des § 316a StGB hin. Aus § 316a StGB seien alle Tatverläufe auszuscheiden, mit denen typischerweise keine nennenswerte Erhöhung von Unfallgefahren einhergeht. Die erforderliche „Verkehrstypizität“ fehle regelmäßig bei abgestelltem Motor, unabhängig davon, ob dieser aus verkehrsbedingten oder aus anderen Gründen abgestellt wurde.[562]
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Diese rechtsgutsbezogene Interpretation ist grundsätzlich zu begrüßen. Die eher „rauborientierte Norminterpretation“[563] des BGH und von einem Teil der Literatur erfasst nur einen Aspekt des Unrechts des § 316a StGB, der aber mehrere Rechtsgüter schützen will (Rn. 99 f.). Danach ist stets zumindest eine abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr erforderlich. Eine Beschränkung auf Außenangriffe geht indes zu weit, da auch bei einer Bedrohung des Tatopfers durch einen Mitfahrer erhebliche Unfallgefahren bestehen können.[564] Eine spezifische Gefährdung des Straßenverkehrs liegt regelmäßig vor bei einem Angriff auf den Führer im fließenden Verkehr. Hier wird der Kraftfahrzeugführer in eine dilemmatische Situation gebracht, in der er sich des Angriffes erwehren und so den Verkehr gefährden oder den Angriff über sich ergehen lassen kann.[565] Die abstrakte Gefahr ergibt sich daraus, dass unklar ist, wie sich der Kraftfahrzeugführer entscheidet.[566] In der Haltephase ist hingegen eine genauere Prüfung erforderlich. Die pauschale Unterscheidung des BGH zwischen einem verkehrsbedingten und einem nicht verkehrsbedingten Halt überzeugt jedoch nicht, da der Grund für das Halten grundsätzlich ohne Bedeutung für die Unfallgefahren ist.[567] Er kann allenfalls ein Indiz sein. Dasselbe gilt für die Differenzierung danach, ob der Motor läuft oder nicht.[568] Das Ausschalten des Motors z.B. vor einer Ampel oder im Stau etwa aus Umweltschutzgründen schließt eine Beanspruchung des Kraftfahrzeugführers durch die Vorbereitung auf die Fortsetzung der Fahrt nicht aus.[569] Da zunehmend automatische Motorabschaltmechanismen (sog. Start-Stopp-Systeme) verwendet werden, würde die Strafbarkeit ansonsten außerdem häufig von rein technischen Zufälligkeiten abhängen. Selbst bei einem nicht verkehrsbedingten Halt können in Ausnahmefällen auch bei einem ausgeschalteten Motor Unfallgefahren entstehen, z.B. wenn sich das Fahrzeug während der heftigen Gegenwehr seines angegriffenen Führers plötzlich in Bewegung setzt, etwa weil die Handbremse am Berg nicht angezogen wurde.[570] Insofern ist aber eine genaue Prüfung der verkehrsspezifischen Gefahren im Einzelfall erforderlich. Ein Angriff auf Privatparkplätzen oder -straßen dürfte schon dem Wortlaut nach ausscheiden, da mit Straßenverkehr der öffentlich-rechtliche Straßenverkehr gemeint ist (Rn. 123).
dd) Zeitlicher Zusammenhang zwischen Angriff und Ausnutzung
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Zwischen dem Angriff und dem Ausnutzen muss ein zeitlicher Zusammenhang bestehen.[571] Dies ergibt sich aus dem Wortlaut („dabei“) und aus dem Koinzidenzprinzip (§ 8 S. 1 StGB).[572] Die Ausnutzung muss während der Verübung des Angriffs, also in der Phase zwischen Versuchsbeginn und Vollendung des Angriffs erfolgen, nicht vorher und nicht nachher.[573] Damit ist die Phase der Angriffsvorbereitung nicht erfasst.[574]
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Problematisch sind vor Fahrtantritt bzw. zunächst aus einem anderen Grund begonnene Angriffe, die während der Fahrt fortdauern, wenn dann erst die Führer- bzw. Mitfahrereigenschaft hinzutritt (Rn. 121). Dies wird deshalb als problematisch angesehen, weil der Angriff an sich verübt, also schon vollendet ist. Deshalb fordert die Rspr., dass die Eigenschaft als Führer bzw. Mitfahrer für die Aufrechterhaltung bzw. Fortdauer des Angriffs objektiv zumindest mitursächlich sein muss.[575] Dies sei nur ausnahmsweise der Fall.[576] Wenn der Täter das Opfer bereits während der Fahrt in uneingeschränkte Kontrolle gebracht hat und die Nötigungslage während der Fahrt nur unverändert aufrechterhalten wird (verfestigte Nötigungslage), sei ein Ausnutzen mangels Mitursächlichkeit deshalb zu verneinen.[577] In diesen Fällen diene das Fahrzeug lediglich Beförderungszwecken.[578] Es ist zwar zutreffend, dass ein Ausnutzen nur dann vorliegt, wenn der Täter sich die Tatsache zunutze macht, dass das Opfer mit der Beherrschung der Verkehrsvorgänge beschäftigt ist. Dann kann es aber im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr für den Straßenverkehr keinen Unterschied machen, ob der Angriff „nur“ fortdauert, die Opfereigenschaft also erst hinzutritt, oder bereits bei Beginn des Angriffs vorlag.[579]
aa) Vorsatz
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Der Täter muss Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale, d.h. hinsichtlich des Verübens eines Angriffs auf einen Kraftfahrzeugführer oder einen Mitfahrer, haben. Dafür genügt dolus eventualis.[580]
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Das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs setzt subjektiv voraus, dass der Täter entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB in tatsächlicher Hinsicht sich der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei seinem Angriff (nicht bei der räuberischen Tat) bewusst ist.[581] Nicht erforderlich ist, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs (subjektiv) zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht.[582] Nach Ansicht der Rspr. ist das Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in erster Linie dann erfüllt, wenn der Täter sich eine verkehrstypische Gefahrenlage zunutze macht, die dem fließenden oder ruhenden Verkehr eigentümlich ist.[583] Ein Ausnutzungsbewusstsein ist etwa zu verneinen, wenn der Täter davon ausgeht, dass das Opfer aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit der Angreifer ohnehin keine Abwehrchance hat.[584]
bb) Absicht bezüglich der räuberischen Tat
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Die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes erfordert die Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen, wobei eine wahlweise Feststellung ausreichend ist.[585] Sonstige Straftaten sind wegen Art. 103 Abs. 2 GG als Bezugstaten ausgeschlossen. Die Absicht schließt auch sämtliche subjektiven Merkmale dieser Bezugstaten (Zueignungsabsicht, Beutesicherungsabsicht, Bereicherungsabsicht) ein.[586] Da es auf die tatsächliche Ausführung der Bezugstat nicht ankommt, handelt es sich um ein Delikt mit überschießender Innentendenz.[587] Absicht ist i.S.e. zielgerichteten Wollens (dolus directus 1. Grades) zu verstehen („zur Begehung“).[588] Die räuberischen Taten müssen wenigstens in den wesentlichen Grundzügen geplant sein, was eine konkrete Vorstellung über Art und Zeit der Begehung voraussetzt.[589] Allerdings brauchen die näheren Umstände, unter denen die Raubtat begangen werden soll, nicht bis ins einzelne in den Plan aufgenommen worden zu sein.[590] Auch ist es für die