Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Absicht), also neben einer gewaltlosen auch eine gewaltsame Wegnahme ins Auge gefasst hat.[591] Bei einem Motivbündel muss die Raubabsicht dominieren.[592]
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Nach h.M. muss der Täter die Absicht einer täterschaftlichen Begehung der Bezugstat haben.[593] Die Gegenansicht, die es genügen lässt, dass der Täter die Bezugstat eines anderen als Gehilfe fördern will, argumentiert mit einer Parallele zum Ermöglichungsmord gemäß § 211 Abs. 2 StGB und zur Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB, wo es genügt, dass der Täter die Begehung einer Straftat bzw. die Täuschung im Rechtsverkehr durch einen anderen ermöglichen möchte.[594] Zwar ist dieser Ansicht zuzugeben, dass die genannten Delikte eine dem § 316a StGB ähnliche „unvollkommen zweiaktige Struktur“ aufweisen,[595] jedoch unterscheiden sie sich in ihrem Wortlaut. Allein § 316a StGB erfordert explizit ein Handeln zur „Begehung“ der Bezugstat, ist also enger formuliert als §§ 211 Abs. 2, 267 StGB. Gegen die Einbeziehung des Gehilfen, der die Bezugstat ja nicht „begeht“, sondern lediglich unterstützt,[596] spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Das Autofallengesetz (Rn. 13 ff.) setzte ein Handeln „in räuberischer Absicht“ voraus, woraus sich ergab, dass hinsichtlich der Bezugstat Tätervorsatz vorliegen musste. Dafür, dass durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen eine Erweiterung erfolgen sollte, gibt es keine Anhaltspunkte.[597]
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Weiter erforderlich ist ein Finalzusammenhang zwischen Angriff und beabsichtigter Bezugstat („zur Begehung …“).[598] Dieser ist zu verneinen, wenn die durch den Angriff geschaffene Lage sich nicht bei der räuberischen Tat auswirken soll.[599]
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Die Absicht hinsichtlich der Bezugstat muss zum Zeitpunkt des tatbestandsmäßigen Angriffs vorliegen. Nicht erforderlich ist, dass die Absicht schon bei Beginn der Angriffshandlung vorliegt, sie muss aber spätestens vor Abschluss der Angriffshandlung gegeben sein.[600] § 316a StGB ist ebenfalls zu verneinen, wenn diese vor Tatvollendung erloschen ist.[601]
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Zum Zeitpunkt des räuberischen Entschlusses muss der Täter noch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzen.[602] Hier sind zwei Konstellationen[603] denkbar: Der Angriff kann entweder mit dem Nötigungsakt der räuberischen Tat zusammenfallen oder diesem vorgelagert sein. Fallen Angriff und Nötigungsakt zusammen, will der Täter regelmäßig auch bei der Begehung der Bezugstat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzen. Problematisch ist die zweite Fallgruppe. Diesbezüglich ist umstritten, ob im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung auch die beabsichtigte Bezugstat einen hinreichend engen räumlichen und zeitlichen Bezug zum (fließenden) Straßenverkehr aufweisen muss, namentlich, wenn die Raubtat außerhalb des Fahrzeugs erfolgen soll.[604] Die h.M. verneint dies zu Recht, da sich das Ausnutzungsmerkmal nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes lediglich auf den Angriff und nicht die beabsichtigte Bezugstat bezieht.[605]
5. Erfolgsqualifikation (§ 316a Abs. 3 StGB)
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In § 316a Abs. 3 StGB ist die Erfolgsqualifikation geregelt, die eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren vorsieht. Damit ersetzt die Vorschrift die unbenannten besonders schweren Fälle in § 316a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 StGB a.F. Diese Regelung führt zu einer zeitlichen Vorverlagerung gegenüber § 251 StGB und wenn der Angriff gleichzeitig auch den Versuch der anschließend nicht vollendeten räuberischen Tat darstellt, auch zu einer Verschärfung, da dann anders als bei §§ 251, 22 StGB nicht die Rücktrittsregeln und die fakultative Strafmilderung des § 23 Abs. 2 StGB anwendbar sind.[606]
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Tatobjekt kann sowohl das Angriffsopfer als auch ein Dritter sein („Tod eines anderen Menschen“).[607] Dieser muss kein Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs sein.[608] Streitig ist, ob andere Tatbeteiligte taugliche Tatobjekte sind.[609] Der Streit stellt sich auch im Rahmen des § 251 StGB, sodass dorthin verwiesen werden kann (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 155).
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Wie bei allen Erfolgsqualifikationen ist ein sog. Unmittelbarkeits- oder gefahrspezifischer Zusammenhang notwendig.[610] Bezugspunkt ist hier die tatbestandliche Handlung des Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit („Tat“), in der sich die Todesfolge als spezifische Gefahr verwirklicht haben muss.[611] Dagegen kann nicht an die beabsichtigte Bezugstat angeknüpft werden, da deren Verwirklichung nicht mehr zum Tatbestand des § 316a StGB gehört.[612] Führt nicht der Angriff, sondern erst der später vorgenommene Nötigungsakt zum Todeseintritt, kommt vielmehr § 251 StGB in Betracht.[613] Der Unmittelbarkeitszusammenhang wird zu verneinen sein, wenn der Angriff kein ausreichendes Erfolgspotential hat.[614] Überdies muss die Todesgefahr aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs resultieren. Nur dann verwirklicht sich gerade die spezifische Gefahr des § 316a StGB.[615] Der spezifische Gefahrzusammenhang liegt daher nicht vor, wenn das Angriffsmittel auch außerhalb des Straßenverkehrs den Todeseintritt herbeigeführt hätte.[616] Fallen Angriff und Nötigungsakt zusammen, ist nach § 316a Abs. 3 StGB zu bestrafen, wenn das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs im Vordergrund steht; dann verwirklicht sich nämlich nur sekundär die raubtatspezifische Gefährlichkeit.[617] Anderenfalls ist § 251 StGB einschlägig.[618]
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In Abweichung von § 18 StGB ist wenigstens Leichtfertigkeit notwendig. Tötungsvorsatz führt gleichfalls zur Bejahung des § 316a StGB („wenigstens“).
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Versuch und Beteiligung an der Erfolgsqualifikation sind nach den allgemeinen Grundsätzen möglich (vgl. § 11 Abs. 2 StGB). Auch ein erfolgsqualifizierter Versuch ist denkbar,[619] jedoch bleibt dafür wegen des frühen Vollendungszeitpunktes des § 316a StGB wenig Raum.[620]
a) Beteiligung
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Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 ff. StGB) erfolgt nach allgemeinen Regeln. Der Täterkreis ist nicht begrenzt („wer“), sodass auch der Führer des Fahrzeugs tauglicher Täter sein kann (Rn. 102). Es stellen sich auch im Rahmen des § 316a StGB die Probleme der sukzessiven Mittäterschaft[621] und der sukzessiven Beihilfe. Der Teilnehmer braucht nicht selbst die Absicht zur Begehung einer Raubtat zu haben.[622] Er muss aber von der räuberischen Absicht des Haupttäters wissen.[623]
aa) Vollendung und Beendigung
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Die Tat ist vollendet, wenn der Täter in räuberischer Absicht den Angriff „verübt“ hat (Rn. 103 ff.).[624] Nicht erforderlich ist eine reale Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Opfers.[625] Ebenso wenig kommt es auf den Beginn oder gar die Umsetzung der räuberischen Tat an.[626] Der Vollendungszeitpunkt ist damit schwer zu bestimmen.[627] Bei einem Angriff auf die Willensentschlussfreiheit muss nach zutreffender Ansicht das Opfer den objektiven Nötigungscharakter wahrgenommen haben (Rn. 104, 108).[628] Ansonsten liegt nur ein Versuch mit der Möglichkeit eines Rücktritts gemäß § 24 StGB vor.[629]
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