Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen

Rechtsgeschichte - Susanne Hähnchen


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      Politisch lief das Prinzipat nach der Ermordung des Kaisers Alexander Severus (222-235 n. Chr.) in das Zeitalter der sog. Soldatenkaiser aus. Es handelt sich bei diesen Kaisern um militärische Anführer, die von ihren Soldaten zu Herrschern ausgerufen und meistens nur kurze Zeit regierten. Oft wurden sie von ihrer eigenen Soldateska umgebracht, wenn sie nicht im Kriege fielen. Die Soldaten erwarteten von ihnen vor allem Geldspenden und Gelegenheiten zum Beutemachen. Neben der ständigen Erhöhung der Last an Steuern und Zwangsleistungen an den Staat waren die Folgen dieser Zustände Münzverschlechterung und Inflation. Mit der Regierung des Gallienus (260-268) bahnte sich eine Konsolidierung der Verhältnisse in Richtung einer stabilen autokratischen Despotie an. Er trennt die Militär- von der Zivilverwaltung. Aurelian (270-275) ließ die noch heute zum großen Teil erhaltene Stadtmauer um Rom erbauen, ein Anzeichen für die zunehmende militärische Bedrohung selbst der Hauptstadt des Reiches.

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      Obwohl aus der auf volkstümliche Reformen gerichteten Bewegung der Popularen (Rn. 95 ff) hervorgegangen, führte das Prinzipat niemals, auch nicht in Ansätzen, zu einem demokratischen oder liberalen Gemeinwesen. Das galt für die Masse des Volkes ebenso wie für die höheren Stände. Gerade deren Angehörige mussten stets besorgt sein, sich das Wohlwollen des mehr oder weniger selbstherrlichen princeps zu erhalten. So berichtet Sueton über Augustus, dieser habe, obwohl überhaupt nicht auf Erbschaften erpicht, die Urteile seiner Freunde über ihn in ihren Testamenten genauestens abgewogen und er habe weder seinen Schmerz verborgen, wenn jemand seiner zu knapp, noch seine Freude, wenn jemand dankbar und liebevoll seiner gedacht hatte.[2] Den Angehörigen eines Verstorbenen konnte es nicht gerade förderlich gewesen sein, wenn dem Kaiser im Testament Schmerz statt Freude bereitet worden war.

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      Angesichts der allgemeinen Verhältnisse in der römischen Kaiserzeit überrascht es nicht, dass den Menschen die schon von Haus aus pragmatisch-kühle römische Staatsreligion zunehmend gleichgültig wurde. Die göttliche Verehrung der Kaiser (Rn. 137), zunächst meistens nach ihrem Tode und später auch zu ihren Lebzeiten, hätte als Integrationsfaktor wirken können, wurde aber von der Mehrzahl der Einwohner des Reiches als äußerliche Pflicht abgetan. Stattdessen wuchs die Neigung zu Kulten, die den emotionalen Bedürfnissen eher Rechnung trugen. Nun herrschte in Rom stets Religionsfreiheit in dem Sinne, dass die Verehrung aller möglichen Gottheiten erlaubt war, solange nur den Staatsgöttern und später den Kaisern die ihnen zukommenden Opfer erbracht wurden.

      Die Religionen der Juden und Christen, die nur einen Gott anerkennen (Monotheismus) mussten mit den Erfordernissen der Staatsreligion in Konflikt geraten. Von den damals im römischen Reich meist aus den östlichen Gebieten vordringenden neuen Religionen trug schließlich nach Wechsel von Tolerierung und Verfolgung unter den verschiedenen Herrschern das Christentum den Sieg davon und wurde im Dominat selbst Staatsreligion (Rn. 197).

II. Privat- und Prozessrecht

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      Unter allen diesen Umständen muss es schon erstaunen, dass sich das römische Privatrecht wenigstens seiner Idee nach als ein Reservat relativer Freiheit erhielt, wenn auch nur für wenige Personen. Die Rechtspraxis wurde jedoch zum einen weitgehend durch außerhalb des Privatrechts bestehende „metajuristische“ Vorgaben bestimmt, wie etwa das Beispiel der Testierfreiheit der Freunde des Kaisers zeigt (Rn. 146). Auch hat das Recht, anders als die Religion, nicht die Finsternis der sozialen Verhältnisse erhellt. Es war Honoratiorenrecht (Rn. 173). Nach welchem Recht weniger vornehme Römer (die faktisch die Juristen nicht oder nur selten bzw. mittelbar beschäftigt haben) in der Praxis lebten, wissen wir kaum.

      Überliefert ist vor allem Privat- und Prozessrecht. Es wurde später wiederholt zum Begleiter, wenn nicht zum Instrument „fortschrittlicher“ Entwicklungen in Deutschland, so am Ende des Mittelalters, als es das überkommene germanische Recht verdrängte, oder am Anfang des 19. Jahrhunderts, als es zur Grundlage der Rechtsordnung des Bürgertums wurde, das sich aus den Bindungen des Feudalismus und des Absolutismus löste. Begünstigt wurden diese Entwicklungen durch die Abhebung des römischen Rechts von außerrechtlichen Faktoren, insbesondere von politisch-wirtschaftlichen.[4]

      Nicht besonders geeignet war dieses Recht, absolute Herrschaft zu rechtfertigen oder zu unterstützen. Zwar hatte man wiederholt versucht, Herrschaftsansprüche mithilfe des römischen Rechts zu legitimieren. Die deutschen Kaiser haben, unterstützt von mittelalterlichen italienischen Juristen, auf die alten Quellen zurückgegriffen (Rn. 382). Beispielsweise der Satz princeps legibus solutus (der Herrscher ist frei von Gesetzen, d.h. er kann sich über das Recht hinwegsetzen) stammt jedoch in dieser Allgemeinheit nicht von den römischen Juristen. Er findet sich etwa in Dig. 1, 3, 31 (von dem spätklassischen Juristen Ulpian), bedeutet dort aber nur, dass der Kaiser den augusteischen Gesetzen gegen Ehe- und Kinderlosigkeit nicht unterlag.

      Im Folgenden geht es nun um die Rechtsquellen, aus denen die Römer während des Prinzipats ihr Recht bezogen bzw. die sie selbst für verbindlich hielten.[5] Es ist ein erstaunliches Neben- und Übereinander verschiedener Rechtsschichten zu konstatieren.[6]

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      Durch seine Ehegesetze hatte Augustus versucht, Moral und Zahl der römischen Bürgerschaft zu erhalten und zu vermehren. Sie gehören zu den noch in der Volksversammlung erlassenen Gesetzen (Rn. 140). Die lex Iulia de maritandis ordinibus vom Jahre 18 v. Chr., wohl ein Plebiszit, verbot freigeborenen Bürgern die Ehe mit Prostituierten, Kupplerinnen, Ehebrecherinnen und vielleicht sogar mit Schauspielerinnen. Senatoren und ihre männlichen Abkömmlinge durften keine Freigelassenen, Schauspielerinnen oder Schauspielertöchter heiraten. Die entgegen dem Verbot geschlossenen Ehen waren nicht unwirksam; die Ehegatten erlitten aber die gleichen Nachteile wie Unverheiratete. Ebenfalls ein Plebiszit war offenbar die aus dem gleichen Jahr 18 v. Chr. stammende lex Iulia de adulteriis coercendis. Sie enthielt Strafvorschriften gegen Unzucht (stuprum) und Ehebruch (adulterium).

      Auch mit der lex Papia Poppaea (9 n. Chr., wohl ein Komitialgesetz) sollten Ehe und legitime Fortpflanzung gefördert werden. Sie verpflichtete Männer zwischen 25 und 60 sowie Frauen zwischen 20 und 50 zur Ehe. Bürger (und Bürgerinnen) mit mindestens drei, Freigelassene mit mindestens vier Kindern waren ausgenommen. Sanktion für Ehelosigkeit war die Unfähigkeit zu erben. Kinderlose Verheiratete durften nur die Hälfte der ihnen angefallenen Erbschaften oder Vermächtnisse behalten. Die frei werdenden Nachlässe gingen an andere Erben (die Kinder hatten) oder fielen an die Staatskasse (verfallen: caducum, kaduk, vgl. auch Rn. 153). Außerdem waren andere Maßnahmen angeordnet. Der vollständige Inhalt der Gesetze ist nicht mehr bekannt.

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      Die lex Fufia Caninia (2 v. Chr.) hingegen diente der Verhinderung von übertriebenem Luxus. Aus Prahlerei geschahen oft (Massen-)Freilassungen durch Testament. Das Gesetz beschränkte die Freilassungen von Sklaven zahlenmäßig, je nachdem, wie viele Sklaven der Freilasser hatte. So durften etwa von zwei bis zehn Sklaven die Hälfte, von elf bis dreißig nur ein Drittel und nie mehr als 100 Sklaven freigelassen werden.

      Eine lex Aelia Sentia (4 n. Chr.) verbot zudem Freilassungen ohne gerechtfertigten


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