Neuestes Süddeutsches Kochbuch für alle Stände. Viktorine Schiller
Eigentlich kann man das Kochen in zwei Grade eintheilen: der erste heißt Sieden, der andere Kochen. Bei dem ersten dürfen die Speisen nur langsam aufwallen; bei dem Kochen aber müssen sie anhaltend im Sieden erhalten werden, je nachdem die Speisen beschaffen sind. Sieden dürfen aber nur diejenigen Speisen, welche Flüchtiges und Geistiges enthalten, es mögen nun Flüssigkeiten, als Wein, Bier u. dgl., oder Speisen aus dem Pflanzenreiche seyn, die sich durch einen gewürzhaften Geschmack auszeichnen. Sieden müssen auch jene, welche sich leicht durch Wärme auflösen; kochen muß hingegen Alles, was aus mehr festen Bestandtheilen zusammengesezt ist, die entweder so trocken sind, daß sie Zeit brauchen, Feuchtigkeit genug in sich zu saugen, oder die so zäh sind, daß sie durch eine anhaltende Hitze allein mürbe gemacht werden können. Man muß immer sorgfältig auf den Unterschied des Wassers Rücksicht nehmen, da die Speisen bei hartem Wasser auch längere Zeit brauchen, um mürbe zu werden; während dagegen die grünen Gemüse ihre Farben in Brühen von hartem Wasser viel vollkommener beibehalten. Es ist aber auch nicht einerlei, ob wir die Speisen mit kaltem oder mit warmem Wasser zum Feuer bringen. Haben wir altes zähes Fleisch, so muß es früh mit kaltem Wasser zugesezt, bei gelindem Feuer langsam zum Kochen gebracht und die Hitze erst nach und nach erhöht werden. Bei diesem Verfahren wird die Brühe kräftiger und schmackhafter als das Fleisch selbst befunden werden. Will man hingegen die besten Säfte in dem Fleische behalten und dennoch eine gute Brühe haben, so ist dem langsamen Kochen vorzuziehen, wenn man das nicht gar zu alte Fleisch mit heißem Wasser zusezt und ihm dann bald einen starken Grad von Hitze gibt. Junge Thiere, die an sich schon zartes Fleisch haben, läßt man, nachdem sie blanchirt oder mit heißem Wasser eine halbe Viertelstunde lang gekocht haben, auf ganz gelindem Feuer langsam kochen. Grüne Gartenwächse darf man durchaus nicht mit kaltem Wasser zum Feuer setzen und sie nach und nach zum Sieden bringen, wenn sie nicht ohne Kraft und gutes Ansehen auf den Tisch kommen sollen; vielmehr muß man sie mit siedendem Wasser anbrühen und unverzüglich zum Kochen bringen, auch immer in vollkommenem Sude erhalten; daher man auch beim Einkochen kein kaltes, sondern immer warmes Wasser nachgießen muß.
Ganz anders verhält es sich mit den Hülsenfrüchten. Diese würden bei einem solchen Verfahren nimmermehr weich werden, und sie müssen eben deßwegen mit kaltem Wasser zum Feuer gebracht werden. Zwar pflegen Einige das erste Wasser abzugießen, sobald die Hülsenfrüchte zu sieden angefangen haben, und füllen anderes heißes Wasser darauf, welches das Weichwerden aber im geringsten nicht hindert. Man sucht ihnen durch diese Behandlung die Eigenschaft, Blähungen zu verursachen, zu benehmen. Andere wässern die Früchte, zur Beförderung des Kochens, eine Nacht über ein, wodurch sie aber viel an ihrem eigentlichen Geschmacke verlieren.
Grüne Gartengemüse muß man, sobald sie zum Feuer gesezt werden, salzen; sie behalten dann ihre grüne Farbe besser, und nehmen nicht so leicht ein blasses Aussehen an.
Noch eine Hauptsache beim Kochen ist die, daß das Feuer immer in einem gleichen Grade unterhalten wird, wie auch, daß nichts überläuft oder zu stark einkocht, oder eben durch Lezteres gar am Geschirre abhängt. Man muß darauf sehen, daß die Speisen durch das Kochen zur verlangten Zeit weich und ausgekocht genug sind; denn bleiben sie zu hart, so möchte sich unser Magen schlecht dabei befinden, so wie sie auch auf Augen und Gaumen keinen angenehmen Eindruck machen möchten. Die Speisen im Gegentheil, die zu weich geworden sind, so daß man sie mit der Gabel allein tranchiren kann, sind eben so wenig angenehm. Will man die Speisen schmackhaft kochen, so muß man sich auf dem Wege der Erfahrung damit bekannt machen, wie viel Zeit wohl jede Gattung von Fleisch, Fischen, Gemüsen etc. zum Weichkochen braucht, damit man sie weder zu früh, noch zu spät zum Feuer bringe. Doch kommt es auch bei manchen Speisen nicht auf die Dauer des Kochens, sondern oft auch auf andere Umstände an, so macht z. B. hartes oder weiches Wasser einen wesentlichen Unterschied, noch mehr aber die Art und Weise des Kochens. Manche Speisen verlangen Brühe vollauf, andere werden hingegen mit wenig Feuchtigkeit gedämpft; einige darf man im heißen Wasser nur anziehen lassen, andere müssen zugedeckt oft Stunden lang kochen. Was sich gern an das Geschirr anlegt, pflegt man in großen Küchen in ein verschlossenes Gefäße, in einen Kessel mit siedendem Wasser, zu setzen und darin zum Kochen zu bringen. Diese Vorrichtung nennt man in der Kochkunst ein Marienbad. Man erreicht durch diese Methode nicht nur den Zweck, daß die Speisen nicht anbrennen können, sondern es werden auch dadurch sehr kräftige Brühen erhalten, indem alle Säfte beisammen bleiben, und nichts verflüchtigt. Ueberhaupt besteht die ganze Kochkunst oder das Wesen derselben darin, daß man allen Speisen die gehörige Weiche verschaffe, sie aber auch für den Gaumen angenehm und dabei der Gesundheit zuträglich mache und bereite.
Anmerkung. Das Essen macht gewiß den wichtigsten Theil menschlichen Lebens aus, ja den nothwendigsten; denn der Arme wie der Reiche muß essen, folglich kochen; warum hat man noch keine Kochschulen, Kochinstitute, Kochereien oder wie man es nennen will, angelegt, wo junge Leute männlichen und weiblichen Geschlechts wirklich gut, zweckmäßig und nach verschiedenen Landesarten vom Grunde aus kochen lernen können, nicht allein um gute und brauchbare, wirklich dienende Köchinnen und Köche zu bilden, sondern auch Frauenzimmern aller Stände diese edle Kunst gründlich beizubringen?
VII. Von den Zuthaten und vom Schmälzen.
Die schicklichsten Zuthaten sind Salze, Butter, Gewürze, Zucker und Gewürzkräuter.
Von den Salzen hier nur einige allgemeine Regeln. Z. B. Fleischspeisen erfordern das meiste Salz, und wenn je irgendwo ein Uebermaß erlaubt ist, so ist es hier; denn nichts ist gleichsam ekelhafter und der Gesundheit nachtheiliger, als zu wenig gesalzene Fleischspeisen. Wildbret erfordert wieder weniger Salz, und unter diesem muß wieder fettes Fleisch am meisten gesalzen werden, wenn es nicht widerlich schmecken und der Gesundheit nachtheilig seyn soll. Da das Salz beim Kochen die Erhitzung des Wassers vermehrt, indem lezteres dadurch dicker wird und die fetten Theile demnach mehr auflöst, so verliert auch mancher Gegenstand durch zu langes Kochen in zu stark gesalzenem Wasser seine beste Kraft. Es wäre gut, wenn wir unsere Speisen zweimal salzten, ein Mal um die erste Absicht zu erreichen, d. h. um die Hitze des Wassers zu vermehren und zugleich die Auflösung gehörig zu befördern, das andere Mal kurz vor dem Anrichten als Würze, um den Wohlgeschmack zu erhöhen; nur müßte man dabei bedenken, daß durch zu starkes Salzen derselbe, statt verbessert, ganz verdorben werden kann.
Beim Abschöpfen des Fettes von dem Fleische und den Speisen muß man sich vorzüglich bemühen, dabei das rechte Maß zu treffen. So unschmackhaft eine Speise ist, welcher es am gehörigen Fette (Butter) fehlt, so ekelhaft ist dagegen eine andere, die damit überladen ist, besonders aber dann, wenn die Butter nur frisch daran gethan wird und keine gehörige Verdämpfung und einige Mischung Statt findet.
Gleiche Bewandtnis hat es auch mit dem Essig. Wenn man Fleisch mit Essig durchdämpfen will, so kann man nicht sparsam damit umgehen, sondern man muß ihn so zeitig daran gießen, daß er das Fleisch ganz durchdringen kann; soll aber blos eine Sauce damit sauer gemacht werden, so ist er sparsamer und später daran zu gießen, weil er durch das Kochen zu sehr verdämpfen und die Sauce weniger pikant werden würde, wenn man nicht wieder nachgöße, was aber eine Art von Verschwendung wäre, da man ja mit weniger dasselbe ausrichten kann. Es ist also hier wieder die Bemerkung, die bei dem Salzen schon gemacht worden, nöthig, nämlich anfangs nur die Hälfte des zu verwendenden Essigs zu nehmen und einige Zeit vor dem Anrichten den übrigen nachzugießen.
Eben dieses muß auch bei Anwendung der Gewürze beobachtet werden: sie sind nämlich erst kurz vor dem Anrichten zu den Speisen zu bringen, wenn es die Vorschrift nicht gerade anders erfordert. Der Fall, daß man die Gewürze gleich zu Anfang der Zubereitung an die Speisen thut, tritt bei dem Fleische ein, wenn man es mit kaltem Wasser zusezt; dadurch zieht sich die Kraft der Gewürze, sowie sie sich auflösen, in das Fleisch. Die Geschirre, worin man gewürzte Speisen kocht, müssen sorgfältig zugedeckt erhalten werden, damit durch die Verdünstung nicht das Wesentliche verloren gehe. So unentbehrlich