Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


Скачать книгу
Ich sah die wilde Völsungsage sich

       Mit ihren langen Reihn gefallner Recken

       Herunter bis in unsre Zeit erstrecken;

       In Ihnen sah ich eine nach des Tages

       Begriff geformte Schwanhild neuen Schlages.

       Einst log man sich ein Recht zum Kriege zu,

       Jetzt fordert sich das Volk Vergleich und Ruh;

       Doch stürmt nun heute wer auf eignen Füßen,

       So muß für Vätersünden schuldlos büßen.

      Schwanhild (mit leichter Ironie.)

       Wie? Also solche blutbesprengten Schemen

       Entstiegen Ihrer Tasse blauem Dunst!

       Jedoch, das ist wohl Ihre kleinste Kunst,

       Da, wo kein Geist ist, Geister zu vernehmen.

      Falk (bewegt.)

       Nein, lachen Sie nicht, Schwanhild – denn, weiß Gott,

       Ich sehe Tränen hinter Ihrem Spott –

       Und sehe mehr. Zertrat man Ihren Geist,

       Zerknetete wie Lehm Ihr ganzes Wesen,

       Wird jeder Tropf Sie sich zum Opfer lesen

       Und pfuschen wollen, dumm und plump und dreist.

       Des Herrgotts Schöpfung wird die Welt plagiieren,

       Neu schaffen Sie – nach ihrem Bild, der Welt; Zutun, wegnehmen, ändern, modellieren. Und wird dann dies aufs Postament gestellt, Dann jubelt sie: Seht, nun ist sie normal! Wie plastisch ruhig, marmorkühl und –fahl! Bestrahlt von Lampenschein und Lüsterschimmer – Wie dekoriert sie köstlich nun das Zimmer! (Ergreift leidenschaftlich ihre Hand.) Doch leben Sie erst, eh' Sie sterben sollen! Erst sein Sie mein in Gottes Lenznatur; Sie kommt noch stets zu zeitig, die Dressur Zur "Dame", – und dann mag das Weib sich trollen. Doch das just lieb' ich. Was ist mir der Rest? Entführ' Sie einst ein andrer in sein Nest! – Doch hier wär's, wo mein erster Lenz ersprösse, Mein Liederbaum die ersten Triebe schösse; Hier, Schwanhild, würd' ich reifer, reicher, lichter, – Hier würd' mir Flugkraft, – hier, hier würd' ich Dichter!

      Schwanhild (mit sanftem Vorwurf, während sie ihre Hand aus der seinen zieht.)

       O, warum sprachen Sie und schwiegen nicht?

       Es war so schön, dies sich in Freiheit nah sein.

       Gelübd' und Eide – müssen sie denn da sein,

       Damit ein Glück nicht gleich zusammenbricht!

       Nun sprachen Sie, und alles ist vorbei.

      Falk.

       Vielmehr, ich wies ein Ziel, – nun steht's bei Ihnen,

       Sich Ihren Namen wahrhaft zu verdienen.

       Ein frisch gewagter Sprung – und Sie sind frei!

      Schwanhild.

       Und ich bin frei?

      Falk. Ja, frei sein heißt gerade,

       Das tun, wozu wir uns berufen sehn;

       Und Sie, das weiß ich, gab mir Gottes Gnade, Dem Schönheits-Sündenfall zu widerstehn. Wie Der, mit dem mein Name sich begegnet, Nur steigt, wenn er dem Wind entgegen fliegt, Sind Sie der Luftzug, der mich aufwärts wiegt Und meine Schwingen erst mit Kräften segnet. Mein sei'n Sie, mein, bevor die Welt Sie hab', – Und fällt das Laub, greif' jeder still zum Stab. O singen Sie mir Ihren Reichtum ein, Daß Lied um Lied den Dank zurücke trage; Und altern Sie dann einst beim Lampenschein, Ist's wie der Baum welkt, – ohne Qual und Klage.

      Schwanhild (mit unterdrückter Bitterkeit.)

       Verzeihn Sie, wenn ich dankend mich bescheide,

       So schön sich auch Ihr gutes Herz erhitzt:

       Ich bin für Sie, was für ein Kind die Weide,

       Daraus es seine Eintagsflöte schnitzt.

      Falk.

       So hat sie doch den Menschen was erzählt,

       Eh' sie der Herbst mit grauen Nebeln quält.

       (Heftig.)

       Sie müssen! sollen! Es ist Ihre Pflicht, Sich mir zu schenken, – fühlen Sie das nicht? Was Sie nur träumen, wird in mir Gedicht! Da liegt der Vogel noch, den ich erschlug; Sie hörten seine Stimme nie genug. O singen Sie für mich, wie er für Sie, – Und ein Gedicht wird jede Melodie!

      Schwanhild.

       Und kennen Sie mich dann und bin ich leer Und hab' mein letztes Lied vom Zweig gesungen – Was dann?

      Falk (betrachtet sie.)

       Was dann? Wohlan, was tat denn er?

       (Zeigt in den Garten.)

      Schwanhild (leise.)

       Ja, ja, dann wird der Stein nach mir geschwungen.

      Falk (lacht höhnisch.)

       Das ist der Mut, der sich so hoch verschwor, Nach jedem Ziel den Freiheitssprung zu wagen! (Mit Nachdruck.) Hier ist ein Ziel – was werden Sie nun sagen, Das alles klärt?

      Schwanhild. Nichts andres als zuvor:

       Auf dem Weg kann ich nie mit Ihnen wandern.

      Falk (kalt abbrechend.)

       So sind wir quitt! So gehn Sie mit den andern.

      Schwanhild (hat sich schweigend von ihm abgewandt. Sie stützt die Hände gegen das Geländer der Veranda und legt den Kopf darauf.)

      Falk (geht einige Male auf und ab, nimmt eine Zigarre, bleibt in Schwanhilds Nähe stehen und sagt nach einer Pause:)

       Sie hätten recht, es lächerlich zu finden,

       Was Ihnen heute Abend widerfuhr.

       (Hält inne, als ob er eine Antwort erwarte. Schwanhild schweigt.)

       Ich ging zu weit. Ich seh', Sie wissen nur

       Als Schwester und als Tochter zu empfinden.

       Ich will fortan nur noch behandschuht gehn,

       Damit wir uns nicht wieder mißverstehn.

       (Wartet ein wenig, – da aber Schwanhild unbeweglich stehen bleibt, wendet er sich um und geht nach rechts hinüber.)

      Schwanhild (hebt nach einer kurzen Pause den Kopf empor, sieht ihn fest an und nähert sich.)

       Nun nehmen Sie ein ernstes Wort in acht,

       Zum Dank, daß Sie mich haben retten wollen.

       Sie brauchten da ein Bild, das mich zum vollen

       Verständnis Ihres Wolkenflugs gebracht.

       Sie sahen sich als Falken, der dem Winde

       Entgegen steuert, will er höchsten Flug; Ich war der Hauch, der Sie zum Himmel trug, – Und ohne mich verdarb der Held zum Kinde. Wie jämmerlich! Wie unaussprechlich klein, – Ja lächerlich, wie's Ihnen selber schwante! Doch fiel Ihr Gleichnis nicht auf spröden Stein, Da's an ein ander Gleichnis mich gemahnte, Und dieses dürfte minder hinkend sein. Ich sah Sie, nicht als Falken, nein, als Drachen, Als Dichterdrachen, der, papierbeleibt, Als eignes Ich ein Unding ist und bleibt, Und den erst Schnur und Wind zu etwas machen. Die Brust – von Wechseln auf ein früh und spät Erharrtes Poesiegold übersät; Ein Bündel Epigramme jede Schwinge, Wild flatternd, aber zahm wie Schmetterlinge; Der lange Schweif ein stolzes Zeitgedicht, Das der Gesellschaft Fehler geißeln sollte, Doch allerhöchstens einmal säuselnd schmollte, Vergaß der ein' und andre seine Pflicht. So sah ich Sie und hört' Ihr kraftlos Flehn: "Ach, setz mich auf im Westen oder Osten! Ach, laß mich und mein Lied zum Himmel gehn, Und mag's dich auch der Mutter Schelte kosten!"

      Falk (mit geballten Händen und starker innerer Bewegung.)

      


Скачать книгу