Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Sie alle, bitte!
(Faßt Anna unter den Arm.)
So; nun sollst Du hören; –
Und dann soll er Dir Unterwerfung schwören.
(Sie geht nach dem Hintergrund und von dort rechts ab, in eifrigem Gespräch mit mehreren Damen. Die übrigen Gäste verstreuen sich gruppenweise rings im Garten. Falk hält Strohmann an, dessen Frau und Kinder sich stets in seiner Nähe halten. Goldstadt kommt und geht während des folgenden Gesprächs.)
Falk.
Herr, helfen Sie dem jungen Glaubenszeugen,
Bevor sie Anna'n gegen ihn gewinnen!
Strohmann (im Amtston.)
Gewiß, das Weib soll sich dem Manne beugen –
(Bedenklich.)
Doch weiß ich dessen recht mich zu entsinnen,
Erhebt sich der Beruf auf schwankem Grund,
Und auch das Opfer steht noch sehr in Frage.
Falk.
Herr Pastor, Sie verkennen doch die Lage.
Denn ich versichre Sie mit Hand und Mund,
Daß der Beruf für ihn wie ausgedacht ist –
Strohmann (verständnisvoll.)
Ja, – wenn ihm etwas Sichres ausgemacht ist, So etwas wie ein Jahrgehalt, – ja dann!
Falk (ungeduldig.)
Ich seh', es kommt uns auf Verschiednes an,
Mir heißt Beruf Trieb – Ihnen Jahresrente!
Strohmann (mit gefühlvollem Lächeln.)
Ja, ohne die kann niemand Zeugnis tun – Nicht hier noch auf dem neuen Kontinente, Noch irgendwo. Ja, wär' er frei – je nun, Mein lieber, junger Freund, – noch Junggeselle, Noch ledig, – dann nur fort ins fremde Land! Doch Lind, der eben Anna'n sich verband, Er wagt zu viel mit einer solchen Stelle. Und dann, – er ist der Mann zum Ehestand, Und ein Famil'chen stiftet sich im stillen – Ich setz' voraus, er hat den besten Willen – Allein die Mittel, Freund –? "Bau nicht auf Sand", So sagt die Schrift. Die Sache wäre leichter, Wofern das Opfer –
Falk. Das ist nicht geringe,
Das weiß ich wohl.
Strohmann. Das hülfe! Denn, erreicht' er, Daß dieses Opfer recht von Herzen ginge Und reichlich –
Falk. Ja, von Herzen wird's ihm gehn.
Strohmann.
Ihm gehn? Wie soll ich dies Ihr Wort verstehn? Man legt es ihm doch auf den Altar nieder, Er selber bringt's doch nicht –
Frau Strohmann (späht nach dem Hintergrund aus.)
Da sind sie wieder.
Falk (starrt ihn einen Augenblick erstaunt an, versteht ihn plötzlich und bricht in Lachen aus.)
Ach so, das Opfer, – das, wenn Festtag ist, Das Volk in Euren Opferstock bemißt!
Strohmann.
Ja, geht man so das ganze Jahr im Joche,
So schätzt man seine Pfingst- und Weihnachtswoche.
Falk (lustig.)
Und weiht sich dem "Beruf" – falls er einträglich –
Mag man sogar Familiendromedar sein!
Strohmann.
Versteht sich, – hat man nur sein Fixum täglich,
So kann man Hottentottenmissionar sein.
(Mit gedämpfter Stimme.)
Nun hoff' ich sie im guten zu gewinnen.
(Zu einem seiner kleinen Mädchen.)
Kind, kannst Du Dich auf meinen Kopf besinnen?
Den Thonkopf mein' ich –! Hab' ich –
(Fühlt in seine Rocktasche hinter.)
Ach, verzeih mir,
Mein Malchen; schau, ich hab' ihn selber bei mir.
(Stopft im Weitergehen seine Pfeife, begleitet von Frau und Kindern.)
Goldstadt (kommt näher.)
Sie spielen wohl ein wenig Schlange hier
Im Liebesparadies, – Sie sind ein Schlauer!
Falk.
Die Früchte der Erkenntnis sind so sauer, –
Sie reizen niemand –
(Zu Lind, der von rechts kommt.)
Na, – was ist mit Dir?
Lind.
Mein Gott, wie sieht's auf unsrer Bude aus!
Die Lampe liegt zerschmettert in der Ecke,
Der Vorhang hängt in Fetzen von der Decke,
Das Ofenrohr ist voller Tintenflecke –
Falk (schlägt ihm auf die Schulter.)
Ich machte, Freund, der alten Zeit Garaus.
Zu lange saß ich hinter der Gardine
Und ließ dem Lampendocht das Regiment;
Die Stubenpoesie hat nun ein End',
Und Herrgottssonne lacht in die Ruine.
Mein Frühling kam und brachte mir die Wandlung;
Ich dichte jetzt nur noch in Tat und Handlung.
Lind.
Dicht', wie Du willst, – doch sei Dir auch bewußt,
Daß meine Schwiegermutter den Verlust
Empfinden wird – besonders die Gardine.
Falk.
Wie? Sie, die ihren Zimmerherren alles –
Selbst Nichten, Töchter – opfert, glaubst Du, wechselte
Solch eines Humbugs halber nur die Miene?
Lind (ärgerlich.)
Gewiß, und dieses Wilde, Ungedrechselte
Kompromittiert uns beide schlimmsten Falles. Doch sei dem, wie dem sei. Die Lampe war Mein Eigentum mit Ständer, Glas und Kuppel –
Falk.
Pah, lieber Freund, – das macht mir wenig Skrupel,
Du hast doch Gottes Sommer, licht und klar, –
Was soll die Lampe da?
Lind. Du bist doch eigen, –
Vergißt Du ganz, – der Sommer reicht nicht weit!
Und will man Weihnacht ins Examen steigen,
So, sollt' ich meinen, braucht man seine Zeit.
Falk (mit großen Augen.)
Du denkst so weit?
Lind. Ja, freilich, Bruderherz!
Ich denke, das Examen ist kein Scherz.
Falk.
Und gestern Abend! Wo du lebtest, lebtest Und trunken über allen Wünschen schwebtest, – Selbst über dem, Examenheld zu sein! Des Glückes Wundervogel war doch Dein – Dein ein Gefühl, als seist Du Herr der Welt, Die all ihr Gut in Deine Hand gestellt!
Lind.
Das sagt' ich, – aber solcherlei versteht
Sich doch cum grano salis –
Falk. Seht doch, seht!
Lind.
Den Vormittag will ich mein Glück genießen, – Das bin ich fest entschlossen.
Falk.