Emotional gesund leiten. Peter Scazzero
gelegentlich Jahre brauchen, bis sie sich durchgesetzt haben.2 Gott kennt Ihre Situation und Ihre Herausforderungen und er weiß, was Sie brauchen – nicht nur, um die Herausforderungen zu meistern, sondern um durch sie zu einer stärkeren Führungspersönlichkeit zu werden. Dieser Weg kann gelegentlich einsam sein, aber das gehört sicher auch zu Gottes Weise, uns dazu zu bringen, auf sein Handeln zu warten und allein ihm zu vertrauen. Wir dürfen damit rechnen, dass Gott uns die richtigen Menschen und Mittel zum richtigen Zeitpunkt über den Weg schickt, damit wir den nächsten Schritt tun können. Ich habe das selbst immer wieder erlebt.
Vergessen Sie nicht: Gottes Geist lebt in Ihnen und er wird Ihnen alle nötige Erkenntnis schenken und Sie leiten. Es hat im Lauf meines Lebens viele Zeiten gegeben, in denen ich mich überfordert fühlte und wusste, dass ich nicht die Reife, Weisheit oder Charakterstärke hatte, um bestimmte Herausforderungen meiner Führungsaufgabe gut zu bewältigen. Aber es waren genau diese Zeiten, in denen Gott mich erinnert hat: „Lass dich nicht einschüchtern, und hab keine Angst! … Bei den Menschen ist das unmöglich, aber nicht bei Gott; für Gott ist alles möglich“ (Jos 1,9 und Mk 10,27).
Und damit ist alles gesagt. Machen wir uns also auf den Weg.
Der 5-Schritte-Prozess der Veränderung
Der große Lernpsychologe Benjamin Bloom hat zusammen mit anderen eine brillante Systematik entwickelt, die beschreibt, wie Menschen lernen – und zwar in unterschiedlichen Bereichen. Bloom unterscheidet fünf Ebenen des Wertewissens oder vielmehr fünf Stadien auf dem Weg dahin, einen Wert im eigenen Leben zu etablieren. Wir denken eher alternativ: Entweder ich kenne etwas oder ich kenne es nicht. Entweder bedeutet es mir etwas, mich für die Armen zu engagieren, oder es bedeutet mir nichts. Was wir uns meist nicht klarmachen: Es braucht lange Zeit – und viele kleine aufeinanderfolgende Schritte –, um einen neuen Wert wirklich zu verinnerlichen. Wir müssen uns auf fünf verschiedenen Stufen bewegen.
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen, und zwar daran, wie ich selbst dazu gekommen bin, mein Leben zu entschleunigen, um mehr Zeit für Stille und Gebet zu haben.
1 Aufmerksam werden: „Entschleunigen ist ein interessanter Gedanke.“ Ernsthaft habe ich mich zum ersten Mal 1994 damit befasst, als ich in einer persönlichen und gemeindlichen Krise steckte.
2 Reagieren: „Wie kann ich mehr darüber erfahren oder die Idee besser verstehen?“ Ich las Bücher, hörte Vorträge zum Thema und hielt selbst Predigten dazu.
3 Als Wert anerkennen: „Ich bin überzeugt, dass Entschleunigung für uns alle ein wichtiges Thema ist.“ Ich machte ein paar Experimente mit Einkehrtagen, Feiertagsruhe oder Schweigen, aber mein genereller Lebensstil veränderte sich dadurch nicht groß. Dieser Prozess zog sich über Jahre.
4 Zur Priorität machen: „Ich strukturiere mein ganzes Leben neu, um mehr Zeit mit Jesus zu haben.“ Das geschah erst in meiner zweiten Sabbatzeit 2003/4. Ich setzte neue Prioritäten, wie ich meine Zeit und Kraft einsetzen wollte, um diesen neuen Wert für zunächst vier Monate in mein Leben zu integrieren. Es half mir, meinen Führungsstil grundlegend zu verändern. Die Entscheidung, den Wert der Entschleunigung zu leben, hat mein Leben umgekrempelt.
5 Verinnerlichen: „Alle meine Entscheidungen und Handlungen sind geprägt von diesem neuen Wert.“ Für den Schritt von „Zur Priorität machen“ zum „Verinnerlichen“ habe ich weitere sechs bis acht Jahre gebraucht. Es erforderte sehr viel Anstrengung, um den Wert Entschleunigung/Zeit für Stille und Gebet mit den Anforderungen und Aufgaben als Hauptpastor in Einklang zu bringen. Aber heute spüre ich es nahezu sofort körperlich, wenn ich selbst oder andere in meinem Team diesen Wert vernachlässigen.
Das Diagramm zeichnet zwischen Stufe 3 und Stufe 4 eine deutliche Kluft. Warum? Weil dies den Punkt markiert, an dem eine radikale und oft schwierige Veränderung nötig ist. Viele leitende Mitarbeiter können der Idee einer emotional gesunden Spiritualität durchaus viel abgewinnen. Aber es ist dennoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, den Schritt von „Als Wert anerkennen“ zu „Zur Priorität machen“ tatsächlich zu tun.
Aber lassen Sie sich nicht entmutigen. Die Veränderungen, die Sie sich wünschen, werden nicht über Nacht eintreten, aber sie werden eintreten. Lassen Sie sich Zeit. Vertrauen Sie darauf, dass Gott alles im Blick hat, und bitten Sie ihn, Ihnen den jeweils nächsten Schritt zu zeigen. Viele Hundert Menschen rund um den Globus sind mit Ihnen unterwegs. Bleiben Sie dran und machen Sie einen Schritt nach dem anderen. Weder Sie selbst noch die Menschen, die Ihnen anvertraut sind, werden dieselben bleiben.
Auswertung: Wie gesund ist Ihr Führungsstil?
Sie haben den Selbsteinschätzungstest „Wie gesund ist mein Führungsstil?“ auf siehe hier. bearbeitet. Hier einige Kriterien, die Ihnen helfen, Ihren gegenwärtigen Führungsstil einzuschätzen.
Sie haben am häufigsten 1 oder 2 angegeben. Ihr Führungsstil tendiert dazu, emotional unreif zu sein. Wahrscheinlich agieren Sie auf der emotionalen Reifestufe eines Kindes oder Säuglings. Das klingt vielleicht hart, aber Sie können sich damit trösten, dass Sie keineswegs allein sind. Ich selbst fand mich auf genau derselben Stufe, und das nach siebzehn Jahren als engagierter Nachfolger Jesu, einem theologischen Universitätsabschluss und acht Jahren Gemeindepraxis. Und die meisten Pastoren, die ich begleite, sind an genau derselben Stelle. Emotional und spirituell erwachsen zu werden, dauert Jahre – genau wie das Erwachsenwerden sonst auch. Das ist keine Angelegenheit von Tagen oder Wochen. Atmen Sie also tief durch. Entspannen Sie sich. Sie sind nicht allein.
Sie haben am häufigsten 2 oder 3 angegeben. Sie sind bereits auf dem Weg. Aber Sie agieren vermutlich auf der emotionalen Reifestufe eines Teenagers. Ihr geistliches Leben dreht sich vor allem um Ihre christlichen Aktivitäten, nicht um Ihre Identität als Christ. Und Sie spüren bereits, dass sich das auf Ihr inneres Leben auswirkt. Sie müssen Ihre persönlichen Werte – Zeit finden für die Gemeinschaft mit Jesus oder Ihrer Ehe bzw. Ihrem Single-Dasein Priorität einräumen – noch mit der Weise, wie Sie Ihre Leitungsaufgabe wahrnehmen, in Einklang bringen. Sie sind sich Ihrer Stärken, Schwächen und Grenzen bewusst, aber das ist ein Feld, das noch mehr Aufmerksamkeit verlangt. Wie und wo könnte Gott Sie zu einem robusteren inneren Leben und zur Vertiefung Ihrer Glaubenspraxis rufen? Wenn Sie weiterlesen, rechnen Sie damit, dass Sie persönlich oder im Blick auf Ihr Führungsverhalten auf ein paar Herausforderungen stoßen.
Sie haben am häufigsten 4 oder 5 angegeben. Ihr Führungsstil ist im Wesentlichen gesund. Sie agieren höchstwahrscheinlich auf einer emotional erwachsenen Ebene. Sie haben ein gesundes Verständnis von Ihren Stärken, Grenzen und Schwächen als Leiter. Sie können Ihre Überzeugungen und Werte vertreten, ohne andere anzugreifen. Ihre Beziehungen zu Ihrem Ehepartner, Freunden und Verwandten haben einen hohen Stellenwert. Und Sie sind sich Ihrer Führungsrolle und Identität als Leiter/in sehr bewusst und wissen, wie Sie mit anderen in Beziehung treten können und wollen. Ihr Tun für Gott erwächst aus Ihrem Sein vor und in ihm. Wenn Sie dem Weg einer emotional gesunden Spiritualität weiter folgen, können Sie erwarten, dass sich Klarheit und Erkenntnis vertiefen werden – sowohl im Blick auf Ihr eigenes Leben als auch im Blick auf die Menschen, für die Sie Verantwortung tragen.
Wer eine Gemeinde, eine Organisation oder ein christliches Werk führen will, das in der Welt etwas zum Guten verändert, braucht dazu mehr als Führungsinstrumente und Managementtechniken. Dauerhafte Veränderung in Gemeinden und Organisationen erfordert Menschen, die tief in ihrem Inneren selbst verändert wurden und aus diesem veränderten Sein heraus handeln. Wer wir sind, ist viel entscheidender für unseren Führungsstil als das, was wir tun, sei es nun auf der strategischen oder sonst einer Ebene. Wenn wir nicht erkennen, dass jeder Aspekt unseres Führungsverhaltens daraus lebt, wer wir sind, werden wir uns selbst und den Menschen, für die wir Verantwortung tragen, schaden.
Viele Aspekte ließen sich nennen, die wichtig sind,