Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson

Der Herr der Welt - Robert Hugh Benson


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es ab­surd ist; Sie ha­ben mir das min­des­tens ein dut­zend­mal schon ge­sagt. Und ich wie­der­ho­le Ih­nen, dass es Über­he­bung, dass es Stolz ist, und das reicht voll­kom­men hin, um al­les an­de­re zu er­klä­ren. Auf die mo­ra­li­sche Stel­lung, die man ein­nimmt, kommt es an. Es mö­gen dann noch an­de­re Din­ge Mit­wir­ken —« Fa­ther Fran­cis sah scharf auf.

      »Na­tür­lich die alte Ge­schich­te«, sag­te er höh­nisch.

      »Wenn Sie mir auf Ihr Ehren­wort ver­si­chern, dass kein weib­li­ches We­sen mit im Spiel ist, oder kein spe­zi­el­ler sünd­haf­ter Vor­satz, den Sie zur Aus­füh­rung brin­gen wol­len, so will ich Ih­nen glau­ben. Aber es ist, wie Sie sag­ten, eine alte Ge­schich­te.«

      »Ich schwö­re Ih­nen, dass nichts der­glei­chen vor­liegt«, be­teu­er­te mit er­ho­be­ner Stim­me der an­de­re.

      »Dann, Gott sei Dank«, sag­te Per­cy, »es sind dann doch we­ni­ger Hin­der­nis­se, um den Weg zum Glau­ben zu­rück­zu­fin­den.«

      Schwei­gen herrsch­te eine Wei­le nach die­sen Wor­ten. Per­cy hat­te wirk­lich nichts mehr zu sa­gen. Wie­der und wie­der hat­te er ihm von dem in­ne­ren Le­ben ge­spro­chen, in dem Wahr­hei­ten als wahr er­kannt wer­den und Glau­bens­ak­te sich be­stä­ti­gen; er hat­te mit Nach­druck Ge­bet und De­mut emp­foh­len, im­mer und im­mer wie­der, bis er selbst ih­rer Na­men über­drüs­sig ge­wor­den war, und er war auf die Er­wi­de­rung ge­sto­ßen, dass dies nichts als ein Rat zur Au­to­sug­ge­s­ti­on sei. End­lich hat­te er dar­an ver­zwei­felt, ihm, der es selbst nicht ein­sah, klarzu­ma­chen, dass, wenn ei­ner­seits auch Lie­be und Glau­be Au­to­sug­ge­s­ti­on, Selbs­t­hyp­no­tis­mus ge­nannt wer­den mö­gen, die­se and­rer­seits doch eben­so sehr Wirk­lich­kei­ten sind, wie z. B. künst­le­ri­sche An­la­gen, und da­her ähn­li­che Pfle­ge er­for­dern; dass sie eine Über­zeu­gung ih­rer selbst her­vor­brin­gen; dass sie Din­ge er­wä­gen und prü­fen, wel­che, wenn ein­mal er­wo­gen und ge­prüft, sich un­ver­gleich­lich rea­ler und ob­jek­ti­ver er­wei­sen, als sinn­li­che Din­ge. Au­gen­schein­li­che Be­wei­se schie­nen für den Mann kei­ne Be­deu­tung zu ha­ben.

      Da­rum schwieg er jetzt, nie­der­ge­drückt durch das Be­wusst­sein, sich der Kri­sis ge­gen­über zu be­fin­den, und ließ sei­ne Bli­cke, ei­gent­lich ohne et­was zu se­hen, in dem klei­nen, schlich­ten, alt­mo­di­schen Sprech­zim­mer mit sei­nem großen Fens­ter, sei­nem ein­fa­chen, ge­floch­te­nen Läu­fer Her­um­schwei­fen, nur durch­drun­gen von der schreck­li­chen Hoff­nungs­lo­sig­keit die­ses sei­nes mensch­li­chen Bru­ders, der Au­gen hat­te, aber nicht sah, Ohren hat­te, und doch taub war. Er wünsch­te, je­ner möch­te sich ver­ab­schie­den und ge­hen. Es war hier nichts mehr zu tun.

      Fa­ther Fran­cis, der in nach­läs­si­ger Stel­lung da­ge­s­es­sen hat­te, schi­en Per­cys Ge­dan­ken zu er­ra­ten, und setz­te sich plötz­lich zu­recht.

      »Sie sind mei­ner müde«, sag­te er, »ich will ge­hen.«

      »Ich bin Ih­rer nicht müde, mein lie­ber Fa­ther«, gab Per­cy ru­hig zu­rück. »Ich bin nur schreck­lich trau­rig. Sie se­hen, ich weiß, dass al­les Wahr­heit ist.«

      Der an­de­re blick­te ihn be­küm­mert an.

      »Und ich weiß, es ist nicht«, sag­te die­ser. »Es ist al­les sehr schön, ich wünsch­te, ich könn­te es glau­ben. Ich be­zweifle, ob ich je­mals wie­der glück­lich sein wer­de — aber — es ist nun ein­mal so.«

      Per­cy seufz­te. So oft hat­te er ihm ge­sagt, dass das Herz eben­so ein gött­li­ches Ge­schenk ist, wie der Ver­stand, und dass in dem Su­chen nach Gott je­nes zu ver­nach­läs­si­gen gleich­be­deu­tend sei mit dem si­che­ren Ruin, aber die­ser Pries­ter hat­te kaum je die An­wen­dung die­ser Wahr­heit bei sich selbst er­kannt. Er hat­te mit den al­ten psy­cho­lo­gi­schen Ar­gu­men­ten geant­wor­tet, dass, was durch die Er­zie­hung sug­ge­riert sei, al­les er­klär­lich und be­greif­lich ma­che.

      »Ich ver­mu­te, Sie wer­den nichts mehr von mir wis­sen wol­len«, sag­te der an­de­re.

      »Sie sind es, der von mir schei­det«, sag­te Per­cy. »Fol­gen kann ich nicht, wenn Sie etwa dies mei­nen soll­ten.«

      »Aber — aber, kön­nen wir nicht Freun­de blei­ben?«

      Des äl­te­ren Pries­ters Herz wur­de plötz­lich er­regt.

      »Freun­de?«, sag­te er. »Ver­ste­hen Sie un­ter Freund­schaft nichts wei­ter als Sen­ti­men­ta­li­tät? Was für eine Freund­schaft könn­te zwi­schen uns be­ste­hen?«

      Ein fins­te­rer Aus­druck kam plötz­lich auf das Ge­sicht des an­de­ren.

      »Ich dach­te es mir.«

      »John!«, rief Per­cy. »Sie se­hen es ein, nicht wahr? Wie kann zwi­schen uns ein Ver­kehr be­ste­hen, wenn Sie nicht an Gott glau­ben? Denn ich tue Ih­nen den Ge­fal­len, an­zu­neh­men, dass dies der Fall ist.«

      Fran­cis sprang auf.

      »Gut, —«, rief er wü­tend. »Ich hät­te es nie für mög­lich ge­hal­ten. Ich gehe.«

      Er wand­te sich zur Türe.

      »John!« wie­der­hol­te Per­cy. »Wol­len Sie so schei­den? Wol­len Sie mir nicht die Hand rei­chen?«

      Der an­de­re wand­te sich noch­mals um, bit­te­ren Groll auf sei­nem Ant­litz.

      »Nun, Sie sag­ten ja, Freun­de könn­ten wir nicht mehr sein.« —

      Per­cy woll­te spre­chen; dann be­griff er und lä­chel­te.

      »Ah, nur das ver­ste­hen Sie also un­ter Freund­schaft? Ich bit­te um Ent­schul­di­gung. Nun, höf­lich kön­nen wir schon zu­ein­an­der sein.«

      Er hielt ihm noch sei­ne Hand ent­ge­gen. Fa­ther Fran­cis sah sie einen Mo­ment an, sei­ne Lip­pen zit­ter­ten: Noch ein­mal dreh­te er sich um, und ohne ein wei­te­res Wort ver­ließ er das Zim­mer.

      1 im Ori­gi­nal: ›Tri­bu­ne‹, ›The Lon­don Trum­pet‹ und ›The Ob­ser­ver‹ <<<

      2.

      Per­cy stand re­gungs­los, bis ihm die au­ßen an­ge­brach­te au­to­ma­ti­sche Glo­cke ver­si­cher­te, dass Fa­ther Fran­cis wirk­lich ge­gan­gen war; dann ver­ließ auch er das Zim­mer und wand­te sich dem lan­gen Gan­ge zu, der in die Ka­the­dra­le führ­te. Wäh­rend er die Sa­kris­tei durch­schritt, dran­gen von fern her Or­gel­klän­ge an sein Ohr, und beim Ein­tritt in die als Pfarr­kir­che be­nütz­te Sei­ten­ka­pel­le be­merk­te er, dass im großen Chor noch Ve­s­per ge­sun­gen wur­de. Das Sei­ten­schiff ent­lang ge­hend, wand­te er sich nach rechts, durch­schritt das Mit­tel­schiff und knie­te nie­der.

      Es war ge­gen Abend, und der große, dunkle Raum war da und dort durch röt­li­che Licht­fle­cken be­leuch­tet, die die un­ter­ge­hen­de Son­ne über den schim­mern­den Mar­mor und die, dank der Frei­ge­big­keit ei­nes rei­chen Kon­ver­ti­ten, nun­mehr in ih­rer Vollen­dung das Got­tes­haus schmücken­de Gol­dor­na­men­te ge­wor­fen hat­te. Ihm ge­gen­über er­hob sich der Chor mit je ei­ner Rei­he mit Chor­hemd und Her­me­lin­kra­gen be­klei­de­ter Ka­no­ni­ker, und in der Mit­te der mäch­ti­ge Bal­da­chin, un­ter dem die sechs Kan­de­la­ber brann­ten, wie sie


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