Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman - Marie Francoise


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schüttelte der Oberarzt den Kopf. »Ich muß mit Professor Thiersch sprechen und…«

      »Nein«, fiel Dr. Daniel ihm mit Bestimmtheit ins Wort. »Den Professor überlassen Sie mir. Ich muß heute ohnehin nach München, weil meine Tochter ihre Assistentenstelle in der Thiersch-Klinik antritt und ich ihr versprochen habe, sie zu begleiten. Also kann ich die Unterlagen über Herrn Baumgartner mitnehmen und mit dem Professor diesen Fall besprechen.«

      »Aber ich muß…«

      »Sie müssen in erster Linie ins Bett.« Zum zweiten Mal fiel Dr. Daniel dem jungen Oberarzt ins Wort. »Zumindest für ein paar Stunden. Während dieser Zeit werde ich mit Professor Thiersch alles klären, und am frühen Nachmittag können Sie Ihren Patienten dann in die Thiersch-Klinik begleiten.«

      Dr. Scheibler kapitulierte – weniger aus Überzeugung, sondern weil er einfach zu müde und zu ausgelaugt war, um diese Diskussion weiter fortzusetzen. Im übrigen war Dr. Daniels Argumentation ja auch schwerlich beizukommen.

      »In Ordnung, Robert, Sie haben gewonnen«, murmelte er, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging in die Intensivstation zurück.

      »Wir können anfangen, Jeff«, wandte er sich Dr. Parker zu, dann beugte er sich zu Franz hinunter. »Ich habe Ihnen vorhin ja schon erklärt, worum es geht. Drehen Sie sich bitte auf die linke Seite.«

      Franz gehorchte. Er spürte, wie Dr. Scheibler das Klinikhemd zur Seite schob und dann zwei Finger auf eine Stelle an seiner Lendenwirbelsäule legte.

      »In diesen Bereich etwa muß ich einstechen und etwas Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit entnehmen«, erklärte er. »Wichtig ist dabei, daß Sie ganz ruhig liegen. Dr. Parker wird die Stelle örtlich betäuben, so daß Sie von der eigentlichen Flüssigkeitsentnahme nichts spüren werden. Nur den Einstich, den Dr. Parker für die Lokalanästhesie vornehmen muß, werden Sie spüren, und er wird weh tun.«

      Franz schluckte. »Sie sind erschreckend ehrlich.«

      Dr. Scheibler suchte seinen Blick. »Ich will, daß Sie mir gut vertrauen, und dazu gehört nun einmal Ehrlichkeit. Wenn ich Sie belüge, können Sie ja kein Vertrauen zu mir haben.« Er richtete sich auf, legte eine Hand an Franz’ Hinterkopf und übte leichten Druck aus.

      »Pressen Sie das Kinn, so fest es geht, an die Brust«, bat er. »Und ziehen Sie die Knie an. Ihr Rücken muß ganz rund sein.«

      Franz gehorchte, obwohl er gerade in dieser Stellung den Katheder und den Temperaturfühler als schrecklich störend empfand. Auch die Infusionsschläuche, über die er noch immer Blut und Kochsalzlösung zugeführt bekam, waren ihm überall im Weg. Das alles machte ihm erst so richtig bewußt, wie elend er eigentlich dran war. Er spürte Dr. Scheiblers Hände, die seinen Kopf nach unten und seine Knie gegen den Bauch drückten. Seine Hände begannen zu zittern, während er auf den schmerzhaften Einstich wartete, den Dr. Scheibler ihm prophezeit hatte.

      Dr. Parker hatte in der Zwischenzeit die Spritze mit dem Lokalanästhetikum vorbereitet und trat nun zu dem Patienten. Die örtliche Betäubung an der Wirbelsäule verlangte von dem Anästhesisten große Erfahrung, aber über die verfügte Dr. Parker ja, und sein Gesicht spiegelte die Konzentration wider, mit der er zu Werke ging. Mit einem Alkolholtupfer reinigte er die Einstichstelle und spürte dabei, wie Franz zusammenzuckte.

      Dr. Parker warf dem Oberarzt einen Blick zu, mit dem er signalisierte, daß sich der Patient jetzt völlig ruhig halten mußte. In diesem Moment gab Dr. Scheibler ihm ein Zeichen, daß er warten solle. Der Oberarzt hatte nämlich bemerkt, wie Franz’ Schultern zu zucken begannen, und als er ihn jetzt losließ, fing sein ganzer Körper vor verhaltenem Schluchzen an zu beben.

      »Weinen Sie nur, Franz«, riet Dr. Scheibler ihm und gebrauchte dabei absichtlich den Vornamen seines Patienten, um ihm etwas Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Ganz sanft berührte er Franz’ Schulter, während er mit der anderen Hand die Decke hochzog, um dem jungen Mann die Peinlichkeit seiner untersuchungsbedingten Blöße zu ersparen, deren er sich gerade in dieser Situation besonders bewußt sein mußte. »Weinen Sie sich aus. Das erleichtert.«

      Mit beiden Händen bedeckte Franz sein Gesicht, während er hilflos zu schluchzen begann. Er schämte sich ganz entsetzlich vor den beiden Ärzten, schaffte es aber nicht, seinen Tränen Einhalt zu gebieten.

      Dr. Parker und Dr. Scheibler tauschten einen Blick, dann ging der junge Anästhesist hinaus, während sich der Oberarzt zu seinem Patienten hinunterbeugte.

      »So ist es gut, Franz«, meinte er. »Weinen Sie nur. Wir lassen Sie jetzt ein bißchen allein, damit Sie ungestört sind.«

      »Nein!« Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte Franz auf, dann griff er mit beiden Händen nach Dr. Scheiblers Arm. »Nicht alleinlassen. Bitte nicht.« Sein Körper wurde von Schluchzen geschüttelt. »Herr Doktor, ich habe Angst! Vor dieser Untersuchung… vor den Schmerzen… vor dem Tod! Ich habe solche Angst! Ich will noch nicht sterben!«

      Spontan setzte sich Dr. Scheibler zu ihm aufs Bett und nahm ihn wie ein kleines Kind in die Arme.

      »Es muß noch nicht zu spät sein, mein Junge.« Die Stimme des Oberarztes klang sanft und tröstend. »Professor Thiersch wird alles menschenmögliche für Sie tun.«

      Doch Franz schüttelte den Kopf. »Ich will nicht weg von Ihnen. Ich will, daß Sie mich behandeln. Zu Ihnen habe ich Vertrauen.«

      Da legte Dr. Scheibler ihm eine Hand unter das Kinn und zwang ihn damit, ihn anzusehen. Dabei krampfte sich das Herz des Arztes vor Mitleid zusammen, als er in die verweinten Augen seines jungen Patienten blickte.

      »Ich kann Ihnen nicht helfen, Franz«, erklärte er eindringlich. »Mir fehlt einfach die Erfahrung des Professors. Aber ich verspreche Ihnen, daß ich mich um Sie kümmern werde, auch wenn Sie in der Thiersch-Klinik liegen.«

      Wieder schüttelte Franz den Kopf. »Sie werden mich schon morgen vergessen haben. Ich bin doch hier nur einer von vielen Patienten, die Sie zu untersuchen und behandeln haben.«

      »Glauben Sie das wirklich?«

      Franz zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht.«

      Dr. Scheibler schwieg einen Moment, dann meinte er: »Ich habe gesagt, daß ich mir Ihr Vertrauen durch Ehrlichkeit verdienen will, also werde ich auch weiterhin ehrlich zu Ihnen sein. Natürlich erinnere ich mich nicht mehr an jeden Patienten, der hier durch meine Hände gegangen ist. Das wäre bei der Vielzahl der Kranken, die ich schon behandelt habe, auch unmöglich. Aber einen Patienten, um den ich mir so viele Sorgen mache… mit dem ich leide und um den ich Angst habe… den vergesse ich nicht.«

      Die Kehle wurde Franz eng bei diesen Worten, und er fühlte schon wieder Tränen aufsteigen.

      »Lassen Sie es heraus«, meinte Dr. Scheibler, der genau wußte, was in Franz vorging. »Weinen Sie sich aus.«

      »Annemie«, stieß Franz hervor. »Sie wird Angst haben… weil es so lange dauert…«

      Doch Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Dr. Parker hat ihr bereits Bescheid gesagt.«

      »Sie haben doch gar nicht mit ihm gesprochen«, wandte Franz ein.

      Da lächelte der Oberarzt ein wenig. »Mit einigen meiner Kollegen kann ich mich auch durch Blicke verständigen. Seien Sie unbesorgt, Franz, Ihre Annemie weiß wirklich Bescheid.«

      Dankbarkeit lag in den Augen des jungen Mannes, dann wischte er mit einer energischen Handbewegung die Tränen ab.

      »Sie können die Untersuchung jetzt machen, Herr Doktor.«

      »Gerrit«, verbesserte der Oberarzt. »Ich glaube, wir beide sind an einem Punkt angelangt, wo man sich Förmlichkeiten sparen kann.« Aufmerksam betrachtete er seinen Patienten. »Sind Sie wirklich bereit, Franz?«

      Der nickte tapfer. »Ja, Gerrit.« Der Vorname des Arztes kam ihm zwar noch ein bißchen schwer über die Lippen, trotzdem fühlte er sich plötzlich sicherer.

      Dr. Scheibler holte den Anästhesisten zurück, und in


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