Die vergessene Schuld. Stefan Bouxsein

Die vergessene Schuld - Stefan Bouxsein


Скачать книгу
deine Tochter baust du heute Nacht dann irgendwann auf?«

      Siebels schaute entsetzt zu Sabine. »Wann kommt sie? Morgen?«

      »Morgen Mittag, ja. Du hast deine Tochter völlig vergessen? Sie besucht dich seit drei Jahren zum ersten Mal und du vergisst es? Kannst du dich noch daran erinnern, dass wir in drei Tagen zum Standesamt wollen. Heiraten und so?«

      »Ich denke an nichts anderes. Deswegen ist mir auch die Ankunft von Jenny kurzzeitig entfallen. Weißt du was? Ich kaufe morgen eine Luftmatratze.«

      Sabine lächelte Siebels spitzbübisch an. »Jenny hat heute Mittag angerufen. Sie hat sich einen anderen Übernachtungsplatz ausgesucht. Sie will bei einer alten Freundin schlafen.«

      »Schade. Ich hätte sie gerne ein paar Tage bei uns gehabt.«

      »Ihr werdet auch so Zeit miteinander verbringen können. Ich hoffe, dein neuer Fall lässt das dann auch noch zu und du vergisst deine Tochter nicht gleich wieder.«

      »Keine Sorge. Aber es ist ein komischer Fall. Es hat tatsächlich viel mit dem Vergessen zu tun.«

      Siebels blätterte in der alten Akte Juliane Mangold. Auf seinem Schreibtisch dampfte eine Tasse Kaffee. Juliane Mangold wurde in ihrer Zweizimmerwohnung im Frankfurter Stadtteil Oberrad aufgefunden. Todesursache war ein Schlag auf den Kopf mit einem Hammer. Der Hammer lag in einer Blutlache neben ihrer Leiche. Gefunden wurde die Leiche von einer Nachbarin, ebenfalls einer jungen Frau. Sie hatte einen Zweitschlüssel zur Wohnung und wurde stutzig, weil die zweijährige Silvia Mangold stundenlang brüllte. Das Kind lag unversehrt in seinem Bettchen, die Leiche der Mutter lag in der kleinen Küche. Niemand im Haus hatte etwas gesehen oder gehört. Der Todeszeitpunkt wurde zwischen 12:00 und 14:00 Uhr datiert. Um 20:00 Uhr hat die Nachbarin nach dem Rechten gesehen und die tote Juliane Mangold auf dem Küchenfußboden gefunden. Ihre Tochter Silvia wurde später von Julianes Eltern aufgenommen. Helene und Rudolf Mangold lebten damals in Wiesbaden. Rudolf Mangold arbeitete als Sachbearbeiter bei der Stadt Wiesbaden. Seine Frau Helene war Hausfrau. Die beiden hatten kein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter gehabt und der Kontakt war abgebrochen, nachdem Juliane mit siebzehn Jahren von zuhause ausgezogen war. Der Vater von Silvia Mangold war unbekannt.

      »Guten Morgen.« Till legte Helm und Nierengurt auf dem Besucherstuhl ab und hängte seine Jacke über die Lehne.

      »Guten Morgen. Ich lese gerade die Akte Juliane Mangold.«

      »Steht was Interessantes drin?«

      »Silvia Mangold heißt das Zauberwort. Die damals zweijährige Tochter von Juliane Mangold. Hier lies selbst.« Siebels schmiss die Akte auf den Schreibtisch von Till.

      »Wer war denn der Vater?«, wollte Till wissen.

      »Welchen Teil von: Hier lies selbst, hast du nicht verstanden? Ich gehe mal rüber zu Charly und bringe ihm einen von mir höchstpersönlich gekochten Kaffee vorbei. Du hast also Zeit, dich intensiv mit der Akte auseinanderzusetzen. Wenn ich zurück bin, überlegen wir, wie wir weiter vorgehen.«

       Nach meinem kleinen, aber vielversprechenden Rendezvous mit Eva Silber machte ich es mir im Bett von Julia bequem. Ich hatte noch den Duft von Evas Parfum in der Nase, als ich Julia zwischen ihren Schenkeln schmeckte. Ich war im Liebesrausch und betört von den Silberfrauen. Es war erst unsere zweite Nacht, aber Julia vergnügte sich mit mir ohne Scheu und Hemmungen.

       »Fast hätte ich einen großen Fehler gemacht auf der Erstsemesterparty«, verriet ich Julia.

       »Welchen denn?«, fragte sie neugierig, als wir nach dem Liebesakt nebeneinanderlagen.

       »Mein Interesse galt zwar zuerst dir, aber nachdem ich euch eine Weile beobachtet hatte, fixierte ich mich mehr auf Melanie.«

       »Melanie?« Julia kicherte. »Bei ihr hättest du es wahrscheinlich nicht so einfach gehabt.«

       »Das glaube ich auch. Aber ich hätte es trotzdem geschafft«, erklärte ich scherzhaft.

       »Warum hast du dein Interesse erst von mir auf Melanie gelenkt und bist dann doch wieder bei mir gelandet?«

       »Wegen deinem Bruder. Ich war mir sicher, dass er mich nervt, wenn ich dich anmache.«

       »Ach was, Robert tut nur so großspurig. Er ist halt mein großer Bruder. Melanie hat doch auch einen großen Bruder.«

       »Ja, aber Max ist nicht so ein Idiot wie Robert.«

       »Hey, Vorsicht. Du redest über meinen Bruder.«

       »Tut mir leid, war nicht so gemeint. Ich will ja auch nur dich und ich habe schon wieder Lust auf dich.« Die hatte ich tatsächlich und Julia nahm es wohlwollend zur Kenntnis.

       »Wenn Melanie wüsste, was ihr da entgangen ist«, seufzte Julia einige Zeit später.

       Sie wird bald wissen, was ihr nicht entgangen ist, dachte ich mir schon voller Vorfreude und legte meinen Arm um Julia.

      6

      »Alles gelesen und im Großhirn abgespeichert?«, fragte Siebels, als er wieder ins Büro kam.

      »Ich war sogar noch viel fleißiger und habe mich bei den Kollegen gemeldet, die vor der Wohnung von Jana Mangold postiert sind. Fehlanzeige. Sie ist nicht wiederaufgetaucht.«

      »Das gefällt mir gar nicht. Ist sie untergetaucht oder ist ihr was zugestoßen? Wir sollten sie zur Fahndung ausschreiben.«

      »Untergetaucht? Warum? Denkst du, sie hat Robert Silber erschlagen?«

      »Entweder weil sie ihn erschlagen hat oder weil sie weiß, wer ihn erschlagen hat oder weil sie Angst hat, dass sie jetzt auch erschlagen wird. Was weiß ich, keine Ahnung. Ich gebe die Fahndung nach ihr raus. Haben wir ein Foto von ihr?«

      »Nö. In ihrer Wohnung finden wir bestimmt eins.«

      »Stimmt. Hat die Spurensicherung in ihrer Wohnung etwas gefunden?«

      »Der vorläufige Bericht kommt frühestens heute Nachmittag. Hast du mit Charly schon überprüft, wo diese Silvia Mangold jetzt lebt?«

      »Klar haben wir das geprüft. Wir haben aber keine Silvia Mangold ausfindig machen können, die 1958 in Frankfurt geboren wurde. Sonst würden wir da hinfahren, bevor wir Jana Mangold zur Fahndung ausschreiben.«

      »Vielleicht kann uns Otto Silber ja was dazu sagen? Wenn er der Vater von Silvia Mangold ist, erinnert er sich vielleicht daran?«

      Siebels hob anerkennend seinen Daumen. »Gute Idee. Hätte ich auch selbst draufkommen können. Willst du das übernehmen? Mich hat er gestern mit seinem Gehstock aus seinem Zimmer geprügelt. Hat mich beschuldigt, seine Jana umgebracht zu haben.«

      »Ich?« Till zeigte ungläubig auf sich selbst.

      »Ja, du.« Siebels zeigte mit seinem Zeigefinger auf Till. »Ein Undercover-Einsatz. Eine Unterhaltung zwischen zwei Frauenhelden. Du entlockst dem alten Herrn Silber bestimmt noch ein paar brisante Details zu seinem Liebesleben aus seinem löchrigen Gedächtnis.«

      »Undercover-Einsatz im Altersheim«, stöhnte Till. »Das ist doch deine Liga.«

      Siebels ignorierte die letzte Bemerkung von Till. »Du kannst dich ja als ein Freund von Robert vorstellen. Auf diese Weise kannst du ihm auch schonend beibringen, was mit seinem Enkel passiert ist. Von der Familie erfährt er es vielleicht gar nicht.«

      Till wollte Siebels die Undercover-Aktion im Altersheim wieder ausreden. Doch dazu kam er nicht, weil Staatsanwalt Jensen das Büro betrat.

      »Guten


Скачать книгу