Troubled Waters. H.J. Welch
Herrchen?«
»Emery reicht«, korrigierte ihn Emery. »Meine Freundin Ava hat Sie kontaktiert, nicht ich. Und der Hund gehört leider nicht mir. Aber meine Freundin wird sich freuen, dass Sie ihn mögen.« Er lächelte zurückhaltend. Schließlich gab es keinen Grund, sich wie ein komplettes Arschloch aufzuführen.
Der Anzugträger nickte. »Und dazu hatte Ms. Coal auch allen Grund. Es tut mir leid, dass Sie diese Probleme haben. Oakley Security ist gerne bereit, jederzeit für Ihre Sicherheit zu sorgen. Wenn es Ihnen recht ist, können wir die Details heute Abend diskutieren. Mein Name ist übrigens Scout Duffy.«
»Wir sind heute Abend schon zum Essen verabredet und…«, fing Emery an, wurde aber sofort von Ava unterbrochen.
»… Sie sind natürlich ebenfalls herzlich eingeladen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah Emery mit zusammengekniffenen Augen an. »Emery möchte um die Sache kein Aufhebens machen und die Eingriffe in seinen normalen Tagesablauf auf ein Minimum beschränken. Zum Abendessen also, ja?«
Emery warf ihr einen grimmigen Blick zu. Was soll die Scheiße? Nein, er wollte diesen verdammten Scout Duffy heute Abend nicht sehen. Er wollte mit seinen Freunden zusammensitzen, sich von dem Schreck erholen und Dampf ablassen. Und warum sah ihn dieser Duffy eigentlich immer noch an, als würde er gleich hochspringen und einen Stepptanz aufführen?
Wie auch immer, Emery war nicht dumm. Wenn der Kerl auf Sicherheit spezialisiert war, sollten sie sich vielleicht wirklich darüber unterhalten, wie er Emery am besten beschützen konnte, bis die Bullen den Eindringling endlich geschnappt hatten. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, diesen Duffy noch etwas länger zu ertragen.
Es spielte keine Rolle, dass Smudge ihn mochte… oder dass er nett zu Smudge war. Es ging hier nur ums Geschäft. Emery konnte sich nicht leisten, einfach zu ignorieren, dass ein Mann wie dieser ihn nie verstehen würde und im schlimmsten Fall sogar verachtete oder hasste. Solange er bezahlt wurde, würde er seine Vorurteile hoffentlich im Zaum halten.
Also sollte Emery ihm seine Portion Curry vielleicht gönnen. Dann war aber auch Schluss. Er musste zu diesem verklemmten Kerl nicht nett sein und behielt sich das Recht vor, ihn sofort wieder aus Avas Wohnung rauszuwerfen, sobald sie ihre Besprechung beendet hatten.
Eine verräterische kleine Stimme in seinem Kopf flüsterte Emery zu, dass er den Mann wohl nicht so schnell aus seinem Bett werfen würde, aber solche Gedanken waren im Moment nicht sehr hilfreich. Jemand wie Duffy würde ihm wahrscheinlich eher einen Kinnhaken versetzen, als ihn zu küssen. Es war eine Schande.
Emery beschloss, hier und heute wahre Größe zu zeigen. Er wollte diesem Duffy beweisen, dass ein schwuler kleiner Junge nicht nur Manieren hatte, sondern auch mehr Grips, als sein Lipgloss vermuten ließ. Er wollte ihm beweisen, dass er ein Kämpfer war. Wollte diesem Duffy zuhören und von seinen Vorschlägen lernen.
Und dann wollte er sich aus dem Staub machen. Er konnte darauf verzichten, sich von ihm vorverurteilen zu lassen. Und mit Sicherheit konnte er darauf verzichten, was dieser Kerl mit seinem armen, verwirrten Schwanz anstellte.
Kapitel 5
Scout
Scout fand, dass er seine professionelle Fassade recht gut wahrte. Weil er innerlich tobte vor Wut.
Emery erinnerte sich nicht an ihn.
Entweder das oder er war ein hervorragender Schauspieler. Emery hatte nicht wissen können, dass Scout sein Leibwächter war. Deshalb hätte er total schockiert reagieren müssen. Und doch hatte er mit keiner Wimper gezuckt, hatte nicht den Mund aufgerissen und auch sonst kein Anzeichen von Überraschung gezeigt. Kurz und gut – er hatte in Scout nicht den Mann wiedererkannt, mit dem er keine vierundzwanzig Stunden vorher Sex gehabt hatte.
Scout war sich sehr wohl bewusst, dass es jetzt vor allem um Emerys Sicherheit ging. Aber hatte Emery ihre Begegnung so wenig bedeutet und war sie so wenig bemerkenswert gewesen, dass er sich aber auch gar nichts gemerkt hatte, was ihn an Scout hätte erinnern können? Scout hatte die halbe Nacht wach gelegen und über das nachgedacht, was nur als einmalige Affäre beabsichtigt gewesen war. War er nur ein weiteres Gesicht in einer langen, anonymen Reihe von Männern gewesen, mit denen Emery seinen Spaß hatte?
Niemand musste Scout sagen, dass er nichts Besonderes war. Es war aber eine andere Sache, wenn man direkt mit der Nase darauf gestoßen wurde, dass man gar nichts war. Dass man austauschbar war. Dass man keine Rolle spielte.
Was für ein Rotzbengel. Nun, wenn er Menschen so ausnutzte, wollte Scout sowieso lieber nichts mit ihm zu tun haben. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so behandelt worden zu sein. War das alles, was er Emery bedeutet hatte? Ein Schwanz zum Ficken?
Scouts Ärger war jedoch zwiespältiger Natur. Er schwankte zwischen seiner Wut auf Emery – die, wie er genau wusste, selbstsüchtig war – und seiner Wut auf den Eindringling, der Emery überfallen hatte. So sehr er sich auch über die Zurückweisung ärgerte, ein störrischer Teil seines Herzens hing immer noch an Emery und ihrem gemeinsamen Erlebnis in der Bar.
Er hatte die Akten studiert, die er vom Büro erhalten hatte. Der Hass, der in den Drohungen zum Ausdruck kam, hatte ihm fast das Herz gebrochen. Dieser ekleinhater kannte Emery nicht. Er hatte nur eine vage Vorstellung davon, was Emery repräsentierte. Und doch reichte ihm das aus, um Emery zu verabscheuen und ihm Böses zu wünschen.
Um ihm mit dem Tode zu drohen.
Es machte ihn krank. Würden diese Trolle Emery auch ins Gesicht sagen, was sie von ihm hielten? Oder trauten sie sich das nur anonym, versteckt hinter ihrem Computerbildschirm?
So irritiert und verärgert Scout auch war, er war in diesen Fall involviert, wie bei jedem anderen Klienten auch. Er musste für Emerys Sicherheit sorgen.
Letztendlich musste Scout auch anerkennen, dass es von Vorteil war, von Emery nicht erkannt worden zu sein. Es hätte Scouts Arbeit nur komplizierter gemacht und Emery gefährdet. Darauf konnte Scout gut verzichten, auch wenn er immer noch verletzt war. Es war kindisch, doch er wünschte sich, dass Emery das Besondere in ihm sah. Er wollte nicht einfach nur eine weitere Kerbe in Emerys Bettpfosten sein.
Allerdings wäre es auch eine große Hilfe, wenn Emery nicht schon seit Scouts Eintreffen mit verschränkten Armen vor ihm stehen und ihn so grimmig mustern würde. Und wenn Emery in seinem einfachen T-Shirt und der Jogginghose nicht so ganz anders aussehen würde als gestern. Bekleidet und ohne Make-up wirkte er um Jahre jünger. Verletzlicher. Scout war immer noch verdammt wütend, aber er empfand auch tiefes Mitgefühl.
Eines konnte man über seinen neuen Klienten mit Sicherheit sagen – er war weder langweilig noch berechenbar.
Emery war unverkennbar unglücklich darüber, dass er Scout heute Abend bei dem gemeinsamen Essen ertragen musste. Scout ließ sich dadurch nicht irritieren und widerstand der Versuchung, sich vorzeitig zu verabschieden. Er war hier und er hatte einen Job zu erledigen. Kurz darauf trafen einige von Emery und Avas Freunden ein, die sich sofort in der Küche zu schaffen machten. Scout hatte den Eindruck, dass sie seine Anwesenheit guthießen und froh darüber waren, dass Emery nicht schutzlos war. Ihm fiel auch sofort auf, dass die beiden Männer ein Paar waren.
Scout konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal außerhalb einer Bar oder eines Clubs mit einer ganzen Gruppe schwuler Menschen getroffen hatte. Er ging nicht auf Veranstaltungen für Schwule, nahm auch nicht am alljährlichen Pride-Umzug teil und hatte keine schwulen Freunde.
Die lästige Stimme in seinem Kopf erinnerte ihn daran, dass er überhaupt keine richtigen Freunde hatte. Das war eine der unvermeidbaren Folgen seines ruhelosen Lebens. Scout hatte seine Berufswahl getroffen und musste mit den Konsequenzen leben. Er wollte sich dafür nicht bemitleiden. Immerhin hatte er noch einige Kumpels aus seiner Zeit als Profiboxer, auch wenn er mit ihnen fast nur noch über Facebook in Kontakt war.
Er genoss es, in einem privaten Zuhause bei Menschen zu sein, die sich nicht verstellen oder verstecken mussten. Es war Scouts eigene Entscheidung gewesen, nicht öffentlich über seine Sexualität zu sprechen. Er versteckte sich zwar nicht,