Mord mit Absicht. Peter Eckmann

Mord mit Absicht - Peter Eckmann


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im Erdgeschoss. Dort stehen alle Dinge, die in den nächsten Tagen von einer Lagerfirma abgeholt werden sollen. Einen Meter hoch stapeln sich dort etwa dreißig Umzugskartons, gefüllt mit all dem Einerlei, mit dem sich ein Haus im Laufe von sechs Jahren füllt. Die Möbel werden bleiben, die Wohnung beziehungsweise das Teilhaus wird möbliert vermietet. Der Koffer enthält keine Dinge, die er jetzt oder später brauchen könnte, der kann die nächste Zeit mit den anderen Sachen im Lagerhaus überdauern. Er denkt einen Moment daran, was wohl nach seinem Tod mit den Habseligkeiten in der Lagerhalle passieren wird, ruft sich aber sofort zur Ordnung: Schluss damit! Das spielt für ihn keine Rolle mehr.

      Sonnabends trifft Alexander mitunter seinen Freund und Nachbarn im Fitnesszentrum in der Nähe des Blankeneser Bahnhofs. Sollte er heute dorthin gehen? Er hat lange überlegt, ob es überhaupt sinnvoll ist, etwas für seine Kondition zu unternehmen. Muss man fit sterben? Brrr – er schüttelt sich. Er sollte vielleicht doch ein bisschen trainieren, sein Allgemeinzustand ist jämmerlich, er fühlt sich schlapp und ausgelaugt. Die beiden Chemotherapien haben ihm den Rest gegeben. Er gibt sich einen Ruck und steigt die Treppe zum Schlafzimmer im Obergeschoss hoch. Sein Sportzeug ist noch nicht verpackt, er zieht seinen Trainingsanzug an, schnappt sich die Tasche und geht damit zur Garage.

      Sein kaffeebrauner Smart bringt ihn in wenigen Minuten zum Fitnesscenter. Bis vor einem Jahr hat er einen großen Mercedes gefahren. Aber wozu? Er fährt kaum Auto, wenn überhaupt, nur kurze Strecken in der Nähe. Deshalb hat er seinen Mercedes verkauft und sich diesen Smart angeschafft – er hat es nicht bereut.

      Das Fitnesszentrum befindet sich in einem Neubau direkt am Blankeneser Bahnhof. Der Platz zum Parken ist knapp, er beglückwünscht sich einmal mehr zum Kauf des kleinen Autos. Im Center angekommen, sucht er im Trainingsraum nach seinem Freund. Und richtig, er hat sich nicht getäuscht, der Doktor der Rechtswissenschaften müht sich am Latissimus-Zugturm ab.

      „Hallo, Roger, wie geht es dir?“

      Rüdiger Miksche hält inne und dreht sich zu ihm um. „Hallo, Rambo, schön dich zu sehen.“

      Alexander schüttelt leicht den Kopf. „Die Zeiten sind vorbei, ich bin schon lange kein Einzelkämpfer mehr.“

      „Das sehe ich ganz anders. Du bist dein ganzes Leben ein Einzelkämpfer gewesen. Du hast gegen jeden gekämpft, wenn nicht mit Worten, dann eben unterschwellig. So hast du jeden bekämpft, die Mitglieder deiner Familie und auch dich selbst.“ Sein Freund ist gewohnt zu sagen, was er denkt.

      „Ich habe mir vorgenommen, mich ab jetzt zu bessern.“

      „So einfach ist das nicht, du musst ständig an dir arbeiten. Ich schlage vor, du machst das nach dem Motto der Pfadfinder, jeden Tag eine gute Tat. Du musst versuchen, das Gute in deinen Mitmenschen zu erkennen, mitunter ist das sehr verborgen.“

      „Allerdings! So wie bei mir …“, setzt Alexander nachdenklich hinzu.

      „Ja, so wie bei dir. Als die Empathie verteilt wurde, hast du weggeschaut.“ Rüdiger mustert ihn kritisch. „Wie geht es dir?“

      Sein Freund ist einer der wenigen, die von Alexanders Erkrankung wissen. Er ringt sich ein Lächeln ab. „Danke, wie sich ein Todgeweihter so fühlt.“

      „Mensch, Alex, du tust mir so leid. Was hältst du von folgendem Vorschlag? Ich will mich noch eine halbe Stunde hier quälen, du machst mit und anschließend gehen wir ins Rio Grande. Meine Frau ist heute bei ihrer Schwester, die kommt erst morgen zurück. Ich lade dich ein, du musst ordentlich was essen, damit du wieder zu Kräften kommst, du siehst ja schaurig aus.“

      Alexander Finkel lächelt gequält. „Danke, dass du mich daran erinnerst.“

      „Komm, verbeiß dich nicht in dein Schicksal, mach das Beste daraus – gutes Essen gehört dazu. Du kannst mir dabei von deinen Plänen für die nächste Zeit erzählen. Sag ja, dann werde ich uns gleich einen Tisch reservieren.“

      Nach dem Sport duschen die beiden Männer und fahren anschließend ins Rio Grande, einem Nobelrestaurant. Das Lokal ist voll besetzt, gut, dass sie reserviert haben.

      Die beiden Freunde studieren die Speisekarte. „Keine Hemmungen, ich zahle jede Wahl“, fordert Rüdiger seinen Freund mit einem Lächeln auf.

      Der Kellner kommt und nimmt die Bestellung auf. „Erst mal ein Bier, der Wasserverlust des Trainings muss ausgeglichen werden“, sagt Rüdiger gut gelaunt. Der Kellner nickt und kommt bald mit dem gewünschten Getränk zurück. Nach einem langen Schluck setzt Rüdiger das Glas ab. „Ah, das war gut.“ Dann blickt er seinen Freund an. „So, nun erzähl mal, was hast du jetzt vor?“

      Alexander Finkel berichtet, dass er sich vor einem Monat ein Wohnmobil gekauft hat. Seit einer Woche steht es bereit. „Der Händler hatte von mir den Auftrag, es komplett auszurüsten. Mit Geschirr, Fernseher, Fahrrad, mit allem, was dazu gehört. Nächste Woche geht es los!“

      „Nur vom Feinsten, was? Na, es trifft ja keinen Armen. Hast du schon ein bestimmtes Ziel im Auge? Italien, Frankreich oder vielleicht Holland?“

      Alexander zuckt mit den Schultern. „Das ist noch völlig offen. Auf jeden Fall südwärts, denke ich. Auf dem Weg dahin könnte ich meine Tochter in Köln sowie meinen Sohn in Freiburg besuchen.“

      „Das hört sich gut an. Du willst also wieder Kontakt mit deinen Kindern aufnehmen?“

      Er nickt. „Ja, ich habe da einiges gut zu machen. Ich will die letzten Monate meines Lebens in Harmonie mit meinen Mitmenschen und besonders mit meinen Kindern verbringen.“

      „Bist du endlich dahintergekommen, dass du deine Energie an der falschen Stelle vergeudest, wenn du nur Streit mit jedem hast?“

      „Ja, ich denke, dass ich es jetzt endlich begriffen habe. Du hast mir den Kopf oft gerade gerückt, ich danke dir nachträglich für deine Mühe mit mir. Es hat dir bestimmt keinen Spaß gemacht.“

      Rüdiger Miksche schmunzelt. „Es war nicht immer einfach, es freut mich, dass du mein Engagement zu schätzen weißt. Das zeigt mir, dass ich mich nicht in dir getäuscht habe.“ Er nimmt noch einen Schluck von dem Bier. „Übrigens, ich habe eine Nachricht von der Hausverwaltung bekommen, der Mieter für deine Wohnung möchte schon Mitte des Monats – also übernächste Woche – kommen und tapezieren. Die wollen wissen, ob das in Ordnung ist.“

      Finkel nickt. „Das kann er tun, ich will dann schon weit fort sein. Vielen Dank übrigens, dass du dich um diese Dinge kümmerst.“

      „Das ist keine große Sache, als Anwalt ist das ein Teil meiner täglichen Arbeit. Überhaupt – was ist, falls irgendwelche Anfragen kommen oder Probleme auftauchen?“

      „Entscheide bitte nach deinem Ermessen. Ich bin nicht zu erreichen, vielleicht melde ich mich gelegentlich bei dir. Für den schlimmsten Fall – du kennst mein Testament.“

      „Mensch, Alex, nun rede doch nicht immer so.“

      „Du bist gut! Ich muss oft daran denken, was wohl bald mit mir passieren wird, ich kann das leider nicht abstellen.“ Er lächelt gequält. „Denkst du nie an einen möglichen Tod?“

      „Klar, ich denke auch daran, wie es wohl sein mag, wenn ich mal dran glauben muss. Aber das ist nicht der Punkt. Ich versuche nur, dich von all dem abzulenken, so gut es eben geht.“

      „Ich weiß, das ist doch einer der Gründe für die Reise mit dem Wohnmobil. Ich hoffe, dass ich durch die Beschäftigung mit dem ungewohnten Fahrzeug, der Suche nach einem Stellplatz und der immer wechselnden Umgebung von der ständigen Angst abgelenkt werde.“

      „Dabei wünsche ich dir viel Erfolg, ehrlich.“

      Später brechen die beiden Männer auf. Sie haben den heutigen Abend genossen, vielleicht, weil es wohl der letzte dieser Art war.

      Am Dienstag in der darauffolgenden Woche hält ein Möbelwagen vor dem schmucken Doppelhaus in der Straße Am Kiekeberg. Der Fahrer und zwei Gehilfen räumen das Zimmer leer, in dem Finkel seine Habseligkeiten aufbewahrt, um alles in das Lager zu bringen, das er angemietet hat. Ein brauner Pilotenkoffer ist


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