Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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Augen und mit zusammengepressten Lippen. „Typisch“, stieß sie schließlich hervor. „Auffallen, nichts als auffallen! Und das auch noch negativ. Ich hoffe, Sie rasen nicht wie ein Irrer, junger Mann.“ Ich zog es vor, darauf nicht zu antworten, sie warf mir einen scharfen Blick zu und blökte Saskia, die sich bereits angeschnallt hatte, an: „Na, rutsch durch, Mädchen, eine Dame lässt man nicht auf der Straße einsteigen. Sonst fahren die mich noch platt, diese Verrückten.“

      Augenrollend sah ich dabei zu, wie Saskia unter einigen Schwierigkeiten versuchte, sich und ihr langes, voluminöses lavendelfarbenes Kleid mit dem schwingenden, ausladenden Rüschenrock auf den anderen Hintersitz zu verfrachten, während Lydia ungeduldig mit der Zunge schnalzend dastand und auf den Fersen vor- und zurückwippte.

      „Komm, steig schon mal ein“, wies ich Edda an und öffnete ihr die Beifahrertür.

      Sie war bis eben in die Betrachtung des Wagens vertieft gewesen, blickte mir nun in die Augen und verzog leicht spöttisch den Mund. „Noch ’ne Nummer größer ging’s wohl nicht, was? Musstest du dir gleich so ein Schlachtschiff zulegen? In dieser Bonzenkarre fallen wir ja mehr auf als die Limo, mit der die Braut vorgefahren ist.“

      „Tja, weißt du, als ich mir das Auto gekauft hab, hatte ich seltsamerweise überhaupt nicht Marvins Hochzeit im Kopf“, gab ich giftig zurück und klopfte genervt aufs Autodach. „Steigst du jetzt mal ein oder was?“

      „Ja doch.“ Edda kletterte auf den Beifahrersitz. „Ich frage ja nur, hätte es nicht auch ein schlichterer, etwas weniger auffälliger Wagen getan? Oder ist das hier so was wie dein Statussymbol?“

      „Unsinn“, sagte ich ungehalten, knallte die Tür zu, eilte um den Wagen herum und klemmte mich hinters Lenkrad.

      Auch Lydia war mittlerweile umständlich eingestiegen. Saskia half ihr freundlicherweise beim Anschnallen.

      „So, können wir los?“, fragte ich betont fröhlich und warf einen raschen Blick in den Rückspiegel. Saskia blickte kurz auf und reckte den Daumen in die Höhe, was ich als Zustimmung wertete. Ich holte tief Luft, hoffte, dass mein Baby sich nun wieder normal verhielt und mich nicht blamierte, drückte die Kupplung durch und drehte den Zündschlüssel im Schloss. Der Motor erwachte zum Leben.

      „Du lieber Himmel“, ächzte Lydia, als ich den Wagen auf die Straße hinaussteuerte, „ich hoffe nur, wir kommen mit dieser Höllenmaschine lebend in der Kirche an.“

      Einige Straßen weiter, noch ein gutes Stück von der Kirche entfernt, begann der Wagen plötzlich zu spinnen. Die mir bereits vertrauten Geräusche erklangen erneut, wir kamen mit der schwachen Motorleistung kaum noch den Berg hoch, außerdem erklangen von hinten, vom Auspuff, ganz merkwürdige Geräusche, ein Bollern und Knallen. Beunruhigt blickte ich immer wieder durch den Rückspiegel nach hinten, konnte aber nichts Auffälliges feststellen.

      Meine Mitfahrer, anfangs noch ganz entspannt, wurden allmählich nervös. Lydia zeterte seit etwa zehn Minuten herum, von wegen sie habe ja gleich gesagt, dass dieses Auto unsere Eintrittskarte in die Hölle sei, Saskia und Edda diskutierten laut miteinander, fachsimpelten, was wohl los sein könnte. Ich sah stur geradeaus und versuchte, alles aus meinem Wagen herauszuholen.

      „Chris? Was ist das?“, fragte Edda mich schließlich eindringlich. „Oder hörst du das etwa gar nicht, dieses Bollern und Rattern und Rumpeln?“

      „Das ist ganz normal“, behauptete ich, „entspannt euch einfach.“

      Weitere fünf Minuten später begann eine Kontrollleuchte vorne zu blinken, es war die Meldung für zu wenig Kühlwasser. Was nicht sein konnte, da ich das erst vor drei Tagen nachgefüllt hatte. Irgendwas stimmte absolut nicht. Schweißtropfen sammelten sich auf meiner Stirn, liefen mir über den Rücken, während ich krampfhaft einen Gang runterschaltete und mich über eine leichte Anhöhe kämpfte. Der Wagen hinter mir blendete auf und hupte schließlich sogar, erst dachte ich, es läge daran, dass ich ihm zu langsam fuhr ‒ schneller ging es nun mal nicht ‒, doch dann entdeckte ich die weißen Rauchschwaden, die aus meinem Auspuff quollen und die Sicht nach hinten vernebelten.

      „Ich bin zwar kein Experte“, meinte Edda vorsichtig, „aber das sieht nicht gut aus.“

      „Ja, verdammt noch mal“, zeterte Lydia außer sich, „ist das denn die Möglichkeit? Jetzt raucht diese Schrottkarre wie ein Zelt voll Indianer, der Klepper kommt ja nicht mal mehr den Berg hoch, da bin ich ja mit dem Fahrrad flotter. Pass auf, gleich rollen wir rückwärts in den anderen rein. Du lieber Gott, steh mir bei!“

      „Am besten, Sie beten ein Ave Maria“, knurrte ich durch zusammengebissene Zähne, „und halten ansonsten den Rand.“

      Das hatte Lydia zwar nicht gehört, dafür aber Edda. „Das bringt uns nicht weiter“, raunte sie mir zu.

      „Herzlichen Dank, du Klugscheißerin“, erwiderte ich wütend.

      Mit knapper Not schafften wir es den Berg hinauf. Ich blinkte und fuhr rechts ran in eine Bushaltestelle. Mit einem jämmerlichen Winseln starb der Motor ab. Hastig zog ich die Handbremse an und drehte den Zündschlüssel um, das Licht der Warnleuchte erlosch. Schwer atmend hing ich über dem Lenkrad und fragte mich, wie das hatte passieren können. Mein neuer Wagen!

      „Wir kommen zu spät zur Trauung. Ich verpasse die Hochzeit meiner jüngsten Tochter und sitze stattdessen in einer rauchenden Konservendose fest“, kreischte Lydia erbost. „Das ist unerhört! Das glaubt mir kein Mensch.“

      „Die können ohne uns gar nicht heiraten“, verkündete ich tonlos, griff in meine Sakkotasche und hielt die samtene kleine Schachtel hoch, „ich hab nämlich die Ringe.“

      Entsetzt schlug Lydia sich die Hand vor den Mund. „Auch das noch! Himmel, Maria und Josef! Ich torpediere die Hochzeit meiner eigenen Tochter, das wird sie mir niemals verzeihen.“

      „Jetzt übertreiben Sie aber, Frau Hofer“, mischte Saskia sich sanft ein. „Chris hat das sicher nicht mit Absicht gemacht. Es gibt eben ein kleines Problem am Wagen, sicher nicht so schlimm ...“

      „Von wegen nicht so schlimm“, dachte ich bitter, „der Wagen ist nagelneu.“

      „Komm, Chris“, Edda hatte schon die Autotür geöffnet, „wir sehen uns das mal rasch an. Vielleicht hat sich ja nur ein Kabel gelöst oder so.“

      Das wagte ich zu bezweifeln. Ich glaubte nicht, dass sie oder ich den Wagen auf die Schnelle wieder zum Laufen bringen würde, der musste in die Werkstatt.

      Dennoch stieg ich aus, allein schon um Lydias nervtötendem Gezeter zu entgehen, sie benahm sich, als hätte ich das mit Absicht gemacht. Dass sie keine allzu hohe Meinung von mir hatte, wusste ich. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Marvin mein bester Freund war, musste sie mich für einen ziemlichen Mistkerl halten, wenn sie wirklich glaubte, ich würde versuchen, ihm die Hochzeit zu verderben.

      Ich klappte die Motorhaube hoch und Edda und ich beugten uns darüber. Ich las dieselbe Ratlosigkeit in ihrem Blick, die ich selbst empfand.

      „Hm.“ Sie rümpfte die Nase, rieb sich die Stirn, deutete dann plötzlich auf den Öldeckel, auf dem sich weißer Schaum gebildet hatte. „Schau mal, das sieht nicht normal aus, oder?“

      „Hm, nein“, murmelte ich und rieb mir den Nacken, „glaub nicht.“ Verlegen blickte ich meine beste Freundin an. „Ich hab leider nicht so viel Ahnung von Autos, Ed.“

      Sie zuckte die Achseln. „Ich auch nicht. Man muss ja auch nicht alles wissen.“ Sie boxte mir kameradschaftlich gegen die Schulter.

      „Na ja, aber ich bin ein Kerl“, erwiderte ich peinlich berührt und wusste ganz genau, dass ich niemals mit einem anderen Mädchen über mein fehlendes Fachwissen im Bereich Auto reden würde. Ed konnte ich vertrauen, ich wusste, dass sie mich nicht auslachen oder verachten würde.

      „Na und?“ Edda sah mich kopfschüttelnd an. „Ich bin ’ne Frau und kann nicht stricken oder kochen. Ich meine, wir leben im Zeitalter der Gleichberechtigung, da könnten Frauen


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