Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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an.

      Saskia zog ihren Arm aus meinem und positionierte sich auf der anderen Seite des Altars, während ich mich auf die unterste Stufe neben Marvin stellte.

      Nun begann jemand, Orgel zu spielen ‒ den Hochzeitsmarsch. Marvin straffte die Schultern und ließ die Arme langsam sinken. Alle blickten zum Kircheneingang. Laura schwebte geradezu durch den Mittelgang, am Arm ihres Vaters, der sich im Mittelpunkt sichtlich unwohl fühlte und so gequält dreinschaute, als müsste er über glühende Kohlen laufen.

      Lydia in der ersten Reihe schluchzte dramatisch und schlug sich die Hände vor den Mund, auch Sophia, Layla und Amanda, diese Heulsusen, hatten Tränen in den Augen. Ich fing Lukes Blick auf und rollte mit den Augen. Er legte den Arm um Sophia, grinste und zwinkerte mir zu.

      Marvin stand der Mund offen, als er seine wunderschöne Braut auf sich zuschreiten sah, seine Augen waren groß wie Murmeln, und als Holger die Hand seiner Tochter in Marvins gleiten ließ, symbolisch dafür, dass er ihm quasi seine Tochter überreichte, schienen alle Anwesenden den Atem anzuhalten. Dann zog jemand geräuschvoll die Nase hoch, Holger schluchzte trocken auf, wandte den Blick ab und eilte hastig von dannen zu seiner Frau, die ebenfalls Rotz und Wasser heulte.

      Marvin konnte sich sichtlich nur schwer daran hindern, seine Braut für einen langen Kuss an sich zu ziehen, riss sich aber zusammen und begnügte sich damit, ihr zu sagen, dass sie wunderschön aussähe.

      Dann begann die Trauung. Die Rede des Pfarrers war unglaublich schmalzig und rief bei mir einen Würgereiz hervor, den ich nur schwer zurückhalten konnte. Laura weinte wie ein Wasserfall, auch in Marvins Augen schimmerten Tränen, alle schluchzten und schnieften gerührt, nur ich stand gelangweilt da, warf immer wieder einen Blick zur Kirchentür und machte mir Sorgen um Edda. Hoffentlich war ihr nichts passiert, hoffentlich war sie nicht per Anhalter gefahren und steckte nun im Schlamassel.

      Ich überlegte, ob es wohl unhöflich wäre, kurz das Handy hervorzuholen und nachzusehen, ob sie vielleicht versucht hatte, mich anzurufen. Doch da kam die Frage des Pfarrers, die man mit „Ja, ich will“ beantworten musste, und das war mein Einsatz. Hastig zog ich die Schachtel mit den Ringen aus der Sakkotasche und war froh, dass ich sie nicht während des Laufens verloren hatte. Das wäre wohl der Super-GAU gewesen. Aber es war noch mal alles gut gegangen. Ich öffnete das Schächtelchen vorsichtig und hielt es Marvin hin. Er nahm den kleineren der beiden Ringe heraus und steckte ihn mit einem total dämlichen Lächeln der tränenverschmierten Laura an den Finger. Anschließend griff auch Laura zu, küsste den Ring mit großer Geste, ehe sie ihn über Marvins dargebotenen Finger schob. Ich trat einen Schritt zurück und verstaute das Kästchen wieder in der Sakkotasche.

      „Hiermit erkläre ich euch im Angesicht Gottes zu Mann und Frau“, dröhnte der Pfarrer und irgendjemand jubelte begeistert. „Marvin, du darfst die Braut jetzt küssen.“

      Das ließ mein bester Kumpel sich nicht zweimal sagen, er stürzte sich geradezu auf seine frischgebackene Ehefrau, riss sie an seine Brust und presste seine Lippen auf ihre. Sie warf ihm die Arme um den Hals und schmiegte sich an ihn.

      Alle sprangen auf und klatschten wie die Bekloppten, die ganze Kirche bebte. Der Pfarrer warf mit gefalteten Händen einen Blick zur Kirchendecke hinauf. Vermutlich dankte er seinem Chef, dass die Trauung doch noch stattgefunden hatte.

      Anschließend begann der Part der Umarmungen und Glückwünsche.

      Laura flog Saskia um den Hals, Marvin und ich umarmten uns, während ich ihm „Glückwunsch, Mann! Und sorry noch mal“ ins Ohr raunte.

      Er winkte ab. „Schon vergessen, Chris.“

      Tja, Liebe wirkte wahre Wunder. Seine Wut auf mich schien tatsächlich verflogen zu sein.

      Während alle das Brautpaar wild durcheinander umarmten und beglückwünschten, zückte ich mein Handy und sah nach, ob Edda sich gemeldet hatte, aber Fehlanzeige. Ich biss mir auf die Lippe, wo steckte sie nur?

      Das Umarmen ging weiter, auch über mich fielen wildfremde Leute her, im Eifer des Gefechts landete ich sogar in Lauras Armen.

      „Hey, Kumpel.“ Luke stand plötzlich vor mir und schlug mir krachend auf die Schulter. „Du hast es mal wieder spannend gemacht, was? Wir waren uns zeitweise nicht sicher, ob du überhaupt noch mal in diesem Leben hier aufschlägst.“

      „Ach, erzähl keinen Unsinn, Schatz.“ Sophia erschien neben ihm, klapste ihm leicht auf den Arm und streckte die Arme nach mir aus. Ich musste mich etwas bücken, um sie in den Arm nehmen zu können. Sie war klein und zierlich und roch sehr blumig. Sie trug ein kurzes rosafarbenes Kleid mit Rüschen am Saum, eine ganze Ansammlung von goldenen Armbändern am linken Handgelenk, Perlenohrringe, eine Kette mit Herzchenanhänger. Ihr dunkles, volles Haar hing ihr in dicken Locken wasserfallartig über den Rücken hinab und sie hatte einen Kranz aus Gänseblümchen auf dem Kopf.

      Alles in allem sah sie wirklich bezaubernd aus und einen Moment lang beneidete ich Luke um sie. Bis mir wieder einfiel, dass ich nicht gut für sie wäre. Irgendwann würde ich sie verletzen, ohne es zu wollen, weil ich einfach nicht dazu gemacht war, treu zu sein.

      Lukas wusste nicht, dass Sophia mal Gefühle für mich gehabt hatte. Weder sie noch ich hatten es ihm je gesagt und es spielte ohnehin keine Rolle mehr, immerhin war das längst Geschichte.

      „Hallo Chris. Ich hab immer gewusst, dass du es irgendwie rechtzeitig hierher schaffen würdest“, erklärte Sophia und strahlte mich an.

      „Äh, danke“, erwiderte ich und war überrascht darüber, wie viel selbstbewusster sie nun auftrat. Dieser stolze Blick, die gerade Körperhaltung, das nach vorn gereckte Kinn, all das verlieh ihr eine ganz andere Ausstrahlung. Sie war nicht mehr länger das schüchterne, zurückhaltende, kleine Bambi, sondern eine Frau, die wusste, was sie wollte. Sehr sexy.

      „Chris, hallo.“ Als Nächstes stand Amanda neben mir, sprang wie so oft an mir hoch und knutschte mich ab. Sie war nach wie vor recht beleibt, hatte sogar zugenommen, wenn ich richtig sah. Sie trug ein hellblaues Ballonkleid, das ihre dicken, stampferartigen Beine nicht gerade vorteilhaft betonte, dafür aber ihren Bauch versteckte. Dazu trug sie flache schwarze Riemchensandalen. Ihr Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt und ins Gesicht hatte sie sich eine halbe Tonne Make-up geklatscht, vermutlich um all die Pickel zu kaschieren, die momentan ihr Gesicht bevölkerten. Aber ihre warmen Augen und ihr breites Lächeln, das durch die knallrot geschminkten Lippen besonders auffiel, machten sie noch immer sympathisch und auf gewisse Weise attraktiv.

      „Mensch, Am, du hast sein ganzes Gesicht mit deinem Lippenstift verschmiert.“ Layla schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge, leckte ihren Finger ab, stellte sich auf die Zehenspitzen und wischte in meinem Gesicht herum.

      Amanda verzog angeekelt das Gesicht, Sophia rümpfte ihr niedliches Näschen.

      „Igitt, Layla, musst du deinen Sabber in seinem Gesicht verschmieren?“, fragte Amanda.

      „Wieso, er tauscht auch sonst mit allen möglichen Weibern Spucke aus“, entgegnete Layla ungerührt. „Warum nicht mal auf diese Weise? Nicht wahr, Baby?“

      Luke lachte laut auf. „Der war gut, Layla, der war richtig gut.“

      Sophia bedachte ihn mit einem finsteren Blick, Amanda seufzte tief.

      Ich kniff Layla in den Hintern, zog sie an mich und umarmte sie fest. „Sei nicht so frech, Babe, ja?“, raunte ich ihr ins Ohr.

      Sie kicherte, ich spürte ihren warmen Atem an meinem Hals. „Sag mal, Süßer, wo steckt eigentlich deine Begleitung?“ Sie löste sich von mir und sah sich suchend um. „Abgehauen in letzter Sekunde? Oder hast du irgendein Supermodel mitgebracht, das spontan zu einem Job nach New York musste?“

      Ich verdrehte die Augen, sie stellte sich mein Leben aufregender vor, als es tatsächlich war. „Ich bin mit Ed hier, meiner besten Freundin, wenn du’s unbedingt wissen willst. Sie ist noch ... beschäftigt, kommt aber bald.“

      „Hoffentlich“, fügte ich in Gedanken hinzu.

      „Ach?“


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