Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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reichte mir ein neues, als er vor mir stand, und umarmte mich noch mal. „Prost, Kumpel. Auf dich“, meinte ich und trank einen großen Schluck.

      „War ’ne tolle Trauung, oder?“, fragte Marvin glücklich grinsend. Ich nickte nur und verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass ich sie sehr kitschig und übertrieben sentimental gefunden hatte.

      Gerade als ich zum dritten Mal mit der gleichen fülligen, grauhaarigen Tante anstieß, kam eine Gestalt den Weg entlang. Eine junge Frau im cremefarbenen Kleid, mit feuerroter, etwas zerzauster Frisur.

      Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. „Edda“, rief ich erleichtert.

      Die alte Dame schaute erstaunt, folgte meinem Blick, lächelte sanft. „Ihre Freundin, junger Mann? Ein hübsches Mädchen haben Sie sich ausgesucht. Und sie hat ein reines Herz, das sehe ich von hier, obwohl ich schlechte Augen habe.“

      „Entschuldigen Sie, könnten Sie das eben halten?“ Ich drückte der Dame mein Glas in die Hand und sprintete über den gepflegten Rasen auf meine beste Freundin zu, die mich ebenfalls schon erblickt hatte und mir zuwinkte.

      Mein Herz klopfte schneller, während ich auf sie zurannte. Meine Beine waren mit einem Mal nicht mehr zu bremsen. Ich wollte so schnell wie möglich bei ihr sein. Sie war so ein gutes Mädchen, mein Engel! Sie hatte sich um mein Auto gekümmert, ohne irgendwelche Zicken zu machen, sie hatte uns das Taxi besorgt, das uns so schnell wie möglich zur Trauung hatte bringen können, und überhaupt war ich einfach froh, dass ihr nichts zugestoßen war.

      „Ed!“ Ich breitete die Arme aus, als ich nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, und sie trabte ebenfalls los. Im Näherkommen erkannte ich einen dunklen Ölstreifen auf ihrer Stirn, ihre Wangen waren erhitzt, sie sah zum Anbeißen aus.

      Nun war sie bei mir und warf sich oscarreif in meine Arme. Ich hob sie hoch und wirbelte sie einmal im Kreis herum, sie umklammerte meine Schultern, lachte und seufzte.

      „Ed, schön, dass du da bist“, flüsterte ich in ihr Haar und küsste sie spontan auf die Stirn.

      „Ich bin auch froh, bei dir zu sein. Puh, das war vielleicht was.“ Sie löste sich aufatmend von mir, seufzte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, mit der anderen Hand hielt sie sich noch immer an meiner Schulter fest. „Ich kann dir sagen, das war eine ganz schöne Prozedur. Weil alle Straßen verstopft waren, brauchte der Pannendienst ewig, bis er mal zu mir durchgedrungen ist. Dafür haben, kurz nachdem ihr weg wart, ein paar Typen neben mir angehalten und wollten wissen, ob sie mir irgendwie weiterhelfen könnten. Sie waren richtig aufdringlich, haben mich Süße genannt und sexistische Bemerkungen von sich gegeben. Einer hat mich sogar begrapscht, aber ich hab ihm zwischen die Beine getreten. Da sind sie zum Glück abgehauen.“ Sie blies die Backen auf und ließ die Luft zischend entweichen. „Der Typ meinte noch zu mir, er würde jetzt ins Krankenhaus gehen, seine Eier untersuchen lassen und mir die Rechnung schicken.“ Sie verdrehte die Augen. „Ein absoluter Vollidiot. Zum Glück kam dann bald der Pannendienst.“

      Ich spürte, wie ich wütend wurde. Ich hatte Edda allein gelassen und irgendwelche Typen hatten die Situation ausgenutzt, ein junges Mädchen im sexy Kleid allein mit einer Autopanne. Was ihr alles hätte passieren können ... ich durfte gar nicht drüber nachdenken.

      Zornig knirschte ich mit den Zähnen. „Am liebsten würde ich die Typen aufspüren und verprügeln“, verkündete ich und spürte das Adrenalin durch meinen Körper jagen. „Solche miesen ...“

      „Hey, es ist doch alles gut“, unterbrach Edda mich, legte ihre kleinen Hände auf meine Schultern und sah mich eindringlich an. „Mir ist nichts passiert, okay? Wie du siehst, kann ich mich super selbst verteidigen. Ich brauche dich nicht als Helden, Chris. Ich komme prima allein klar.“

      „Ich will aber immer für dich da sein“, brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wusste nicht, wohin mit der brodelnden Wut in meinem Bauch. „Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen.“

      „Jetzt hör schon auf, du Macho.“ Sie schlug mir leicht gegen die Brust. „Du brauchst dich für mich nicht mit irgendwelchen Typen im Dreck zu wälzen, okay? Ich finde im Übrigen, dass wir jetzt mal zu den anderen gehen sollten, immerhin ist das hier eine Hochzeit, und zwar nicht unsere.“ Sie grinste verschmitzt. „Komm runter, Waldoff, und lass uns gehen!“ Sie griff nach meiner Hand und zog mich mit sich.

      Ich biss mir auf die Lippe und ärgerte mich über mich selbst. Was war nur in mich gefahren, dass ich mich wie Rambo aufführte? Ed brauchte offensichtlich niemanden, der sie beschützte, sie kam bestens allein klar. Ich hoffte nur inständig, dass sie dem Kerl so fest in die Eier getreten hatte, dass er die nächsten zehn Jahre keinen Spaß mehr beim Sex haben würde. Keiner begrapschte ungestraft mein Mädchen ...

      Halt, was dachte ich eigentlich? Ed gehörte nicht mir. Sie war nur meine beste Freundin. Nicht meine feste Freundin. Nicht mein Mädchen.

      Ich spürte ein paar unverwandte Blicke auf mir ruhen, als wir uns dem wartenden Pulk näherten, die uns irgendwie alle mit Argusaugen anglotzten. Keine Ahnung, was die hatten. Amanda und Layla sahen irgendwie verdattert aus. Lukes Mund stand offen. Sophia presste sich fest an ihn und schaute, wenn ich mir das nicht einbildete, etwas eifersüchtig aus der Wäsche.

      „Übrigens“, raunte Ed mir zu, der die merkwürdigen Blicke der anderen nicht aufzufallen schienen, „dein Baby ist stehen geblieben, weil die Zylinderkopfdichtung defekt ist. Die Leute vom Pannendienst meinten, da muss man ’ne neue reinmachen, sonst würde das nichts bringen. Sie haben die Karre in eine Werkstatt gebracht. Ich hab Adresse und Telefonnummer aufgeschrieben. Wenn du willst, kannst du später mal da anrufen.“

      „Danke, Ed. Du bist großartig“, sagte ich inbrünstig.

      „Ich weiß. Und jetzt schleim nicht rum.“ Sie grinste, zog auf den letzten Metern ihre Hand aus meiner und schaufelte sich einen Weg zum Brautpaar frei. „Marvin! Laura!“ Sie nahm erst ihn, dann sie in die Arme. „Alles, alles Gute, ihr beiden! Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich nicht dabei sein konnte.“

      „Kein Problem“, erwiderte Laura und winkte ab. „Hauptsache, du bist jetzt hier.“

      „Genau, Ed.“ Marvin reichte ihr ein Glas Champagner. „Hier, wir müssen noch anstoßen.“

      Nachdem das erledigt war, eröffneten die beiden frisch Angetrauten das Buffet, das eine reichhaltige Auswahl bot.

      Reihen langer Tische waren auf der großen Wiese aufgestellt worden und es herrschte freie Platzwahl. Auf jedem Tisch standen mehrere Töpfe, aus denen es dampfte und ein köstlicher Duft emporstieg. Die Hochzeitssuppe, wie ich annahm. Dahinter gab es mehrere Tische mit weißen Tischdecken, auf denen auf Wärmeplatten oder hübschen rosa Tischsets die Hauptgerichte, Beilagen und Nachspeisen standen. Aufwendiger Blumenschmuck aus rosafarbenen und weißen Blüten in bunten Vasen zierte überall die Tische, auf einem kleinen Extratisch entdeckte ich eine gigantische dreistöckige Hochzeitstorte mit einem winzigen Ehepaar obendrauf.

      Auf einem Stehtisch mit rosa Tischdecke stapelten sich die Geschenke fast bis in den Himmel und ich hatte das Gefühl, der Haufen könnte schon umfallen, wenn ich ihn nur schief ansähe.

      Während Scharen hungriger Gäste zu den Tischen strömten, positionierten Marvin und Laura sich für den eigens zu diesem Event engagierten Hochzeitsfotografen, der ungefähr drei Milliarden Fotos von den beiden schoss. Wie sie sich küssten, umarmten oder verliebt ansahen. Lydia stand mit verschränkten Armen und strengem Blick daneben und sah zu, dass der gute Mann auch alles richtig machte. Holger harrte tapfer neben ihr aus, sah aber immer wieder sehnsüchtig hinüber zum Buffet. Saskia wartete ebenfalls, spähte aber auch bisweilen gierig zum Essen hinüber. Warum genau ich hier doof in der Gegend herumstand, war mir nicht ganz klar. Ich war damit beschäftigt, Edda dabei zuzusehen, wie sie sich meinen Freunden vorstellte. Layla und Amanda fragten sie eindeutig über unser Verhältnis aus, denn sie schüttelte immer wieder den Kopf, winkte ab und gestikulierte wild. Ich wünschte, sie würden sie einfach in Ruhe lassen. Gerade als ich mich fragte, ob ich ihr zu Hilfe kommen und die Mädels in ihre Schranken


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