Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell
uns schmecken, während Marvin und Laura ganz ungestört den Hochzeitswalzer zu Queen of My Heart von Westlife tanzten. Eine gute Band, wie ich fand.
Als die beiden schließlich Arm in Arm eintrudelten, hatten die Gäste schon ein gehöriges Loch ins Buffet gerissen. Lydia machte ein langes Gesicht, sie hatte den Hochzeitstanz ihrer Tochter genau verfolgt und dabei leider verpasst, aufs Essen aufzupassen.
„Unmöglich“, echauffierte sie sich, „dabei wollten wir doch Reden halten vorm Essen, wie sich das gehört, aber diese jungen Leute stürzen sich ja wie die Tiere auf alles Essbare.“
„Ach, Mama, lass gut sein“, seufzte Laura. „Reden sind eh stinklangweilig.“ Lydia schmollte beleidigt.
Marvin und Laura schnitten die Hochzeitstorte an, Nico war dabei und knipste eifrig. Laura hatte die Hand oben. Das hieß, dass Marvin von nun an bis in alle Ewigkeit unter ihrer Fuchtel stehen würde.
„Sie sind ein schönes Paar“, murmelte Edda und wischte sich etwas Dillsoße aus dem Mundwinkel. „Sie passen gut zusammen. Äh ... der Fotograf sieht zu uns rüber. Er grinst und winkt.“
„Ja?“ Ich war noch mit meiner Mousse au Chocolat beschäftigt, sah aber trotzdem auf.
Nico winkte mir kokett zu und grinste. Ich winkte zurück und grinste ebenfalls, den Mund voll Schokolade. Er zeigte zwischen Edda und mir hin und her und zog fragend die Brauen hoch. Ich schüttelte vehement den Kopf. Nicht, dass er auch noch Fotos von uns schoss und sie an die Presse vertickte.
„Äh, was soll das jetzt?“ Sie knuffte mich in die Seite und blickte mich auffordernd an. Ich erzählte ihr kurz, wer er war und wie wir uns vorhin kennengelernt hatten. „Aha.“ Sie seufzte tief. „Anscheinend müssen Laura und Marvin heute hart darum kämpfen, die Hauptpersonen auf ihrer eigenen Hochzeit zu bleiben, was? Irgendwie stehst du ständig im Mittelpunkt, Mr Populär. Oh je, jetzt winkt er dich zu sich rüber.“
„Nee, er winkt uns zu sich rüber“, verbesserte ich sie und in mir regte sich etwas. Mein Ehrgeiz? Mein Streben nach Ruhm und Erfolg? Vielleicht war’s auch einfach die Eitelkeit, jedenfalls fühlte ich mich geschmeichelt von Nicos offensichtlichem Interesse an mir. Ich griff nach Eddas Hand und zog sie hoch. „Komm, wir sagen kurz Hallo.“
„Chris, ich will ihm nicht Hallo sagen“, entgegnete Edda ungehalten, „ich will meinen Obstsalat essen und danach ein bisschen mit Laura und Marvin quatschen. Und vielleicht ein paar andere Leute kennenlernen. Bitte, zieh mich nicht in diesen Berühmtheitsquatsch mit rein, ja?“
„Stell dich nicht so an, Ed.“ Ich zerrte die bockige Edda hinter mir her, bis sie sich schließlich widerstrebend in ihr Schicksal fügte und mitkam. „Hey, Nico.“ Ich hob die Hand, er schlug ein. „Was gibt’s?“
„Och, nichts Besonderes. Ich wollte nur deine bezaubernde Freundin kennenlernen.“ Er streckte Edda die Hand hin. „Hallo, schöne Frau. Darf ich deinen Namen erfahren?“
„Edda“, sagte sie nicht gerade freundlich, „aber ich bin nicht berühmt, falls Sie das denken.“
Nico lachte laut. „Das macht nichts, Süße. Allein deine Schönheit macht dich schon zu einer Berühmtheit.“ Er zwinkerte ihr zu und sie blinzelte verdutzt. Machte er sie etwa an? Hatte er uns deshalb zu sich beordert?
„Also, äh ... danke“, stotterte sie überrumpelt.
„Gerne, Schätzchen. Ein schönes Mädchen wie du bekommt doch sicher ständig Komplimente, was?“ Nico grinste. „Ein Glück für Chris, dass er dich hat.“
Kein Zweifel, er machte sie an! Wie alt war er überhaupt? Mindestens Anfang, wenn nicht gar Mitte dreißig. Viel zu alt für Ed.
„Also, wir sind nicht zusammen“, erklärte Edda vorsichtig.
Eine Regung huschte über Nicos Gesicht. Freude? „Ach nein? Nun, das sah vorhin aber anders aus.“
„Vorhin?“, fragte ich lauernd.
„Na ja, als du angekommen bist, Emma ...“
„Edda“, korrigierte ich ihn düster.
„Ja, klar, Edda. Da seid ihr euch doch in die Arme gefallen. Ich hab Fotos gemacht, weil ich das so emotional und romantisch fand, wisst ihr, ein perfektes Bild von Liebenden. Ihr wart so miteinander beschäftigt, dass ihr es gar nicht mitbekommen habt. Wollt ihr mal sehen?“
„Äh, ehrlich gesagt ...“ Ehe ich den Satz zu Ende bringen konnte, stand er zwischen uns und knipste eifrig auf seiner Kamera herum. Ich roch sein männlich-herbes Aftershave, fühlte mich unwohl und machte einen Schritt zur Seite, um Abstand zwischen uns zu bringen, doch er rückte sofort nach und hielt mir seine Spiegelreflexkamera unter die Nase.
„Da, guckt. Süß, oder? Wildromantisch! Wie ihre Haare im Wind fliegen. Wie sie vom Boden abhebt ... Traumpaar!“
Ich glotzte auf die zig Fotos, die er von Edda und mir gemacht hatte, wie wir Arm in Arm dastanden, ein Augenblick in unserem Leben, doch Nico hatte es geschafft, alle Emotionen einzufangen ‒ Freude, Erleichterung, Zuneigung, Freundschaft. Alles, was ich in diesem kleinen Moment empfunden hatte. Er war echt ein spitzenmäßiger Fotograf. Dennoch fand ich diesen Auftritt hier ein wenig seltsam. Ed dagegen biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. Nun wandte Nico sich ihr zu, legte sogar einen Arm um sie, zeigte ihr die Fotos. Ich erwartete, dass sie den Arm abschüttelte, doch sie wehrte sich nicht, lehnte sich sogar an ihn und kicherte, als er rasch durch die Fotos klickte. Ich konnte es kaum fassen.
Schließlich nahm Nico den Arm weg und sah uns beide unter halb gesenkten Lidern prüfend an. „Ihr seid also nicht zusammen, ja?“
„Nein“, verkündeten Edda und ich unisono.
„Seid ihr euch sicher?“
„Ich glaube, das wäre uns aufgefallen“, brummte ich sarkastisch.
„Wir sind nur Freunde. Beste Freunde“, prustete Ed und rang einen Lachanfall nieder.
Ich wusste nicht, was daran so komisch sein sollte, und warf ihr einen finsteren Blick zu. Gleich würde er sie nach ihrer Nummer fragen, ich sah es schon kommen.
„Wie schön!“ Nico strahlte. „Kann ich vielleicht ein Bild von euch machen? Deshalb hab ich euch eigentlich gerufen. Ihr seid ein sehr schönes Motiv. Ich schicke die Abzüge dann direkt an das neue Ehepaar. Na?“
„Äh ... ach, von mir aus.“ Vielleicht gab er dann endlich Ruhe.
Ed trat neben mich und legte mir den Arm um die Hüfte, den Kopf bettete sie an meiner Schulter. Die ganze Zeit über spürte ich deutlich ihr unterdrücktes Lachen, das machte mich ganz wuschig.
Als er endlich fertig war, löste Edda sich von mir und keuchte prustend: „Okay, willst du auch noch ein Foto von dir und Chris?“
Was?! Ich sah sie entsetzt an. Ihr Gesicht war ganz verzerrt von der Anstrengung, das Lachen zu unterdrücken. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Witz verpasst, und sah sie ärgerlich an. Edda prustete schon wieder los.
„Äh ... nein, danke“, lehnte Nico nach einem kurzen Blick auf sie ab und hatte es mit einem Mal sehr eilig. „Ich muss noch ein paar Sachen mit Frau Hofer besprechen. Also, hat mich gefreut, ihr beiden. Danke für eure Zeit.“
„Gern“, kicherte Edda. „Tschüss, Nico.“
„Ciao, meine Hübsche.“ Er zwinkerte ihr zu.
Ich ballte verärgert die Fäuste. Hatten die beiden sich vielleicht gerade per Geheimsprache zum Stelldichein verabredet und ich hatte es nicht mitbekommen? Warum sonst gackerte Edda so albern?
Der Fotograf wandte sich zum Gehen, doch mir fiel noch etwas ein und ich hielt ihn zurück. „Äh, Nico?“
„Ja?“ Als er sich umdrehte, sah er geradezu hoffnungsvoll aus.
„Äh ... das hier ist