Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell

Seit ich dich kenne ... - Jascha Alena Nell


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...“, setzte er an, doch ich legte auf. Für ein Schwätzchen blieb nun keine Zeit.

      Saskia war bereits ausgestiegen und Lydia quälte sich schimpfend und fluchend ebenfalls heraus. „Unfassbar, unglaublich, das kann doch nicht wahr sein! Zu meiner Zeit konnte ein richtiger Mann noch Autos mit den eigenen Händen reparieren, aber heutzutage grinst man lieber dämlich in der Gegend rum und modelt, anstatt etwas über Autos zu lernen. Die Hochzeit des besten Freundes ruiniert man, aber Hauptsache, man fährt einen schicken Schlitten ... der den Geist aufgibt.“

      Ich rollte mit den Augen, hatte aber keine Zeit, mich auf eine Diskussion einzulassen. „Wir müssen ein Stück laufen, das Taxi kommt nicht durch“, erklärte ich den beiden. „Ed hält hier die Stellung. Los, kommt!“

      Saskia nickte ergeben und zog hastig ihre schwarzen Killer-High-Heels aus. Auf dem Kopfsteinpflaster hätte sie sich damit sicherlich sämtliche Knochen gebrochen und das wäre es, was uns gerade noch gefehlt hätte.

      „Was, rennen?“, rief Lydia außer sich. „Ja, bin ich denn verrückt? Ich will doch nicht verschwitzt und besudelt ...“

      „Los, wir müssen uns beeilen“, mischte Saskia sich ein und packte Lydia fest am Handgelenk. „Denken Sie an Laura.“

      „Ed, du kommst klar?“ Ich sah meine tolle beste Freundin an.

      Sie nickte. „Klar, lauft los. Ich ruf den Pannendienst und kümmere mich um alles Weitere. Viel Spaß!“

      Sie winkte, ich winkte zurück, wirbelte herum und sprintete los, die keuchenden Damen im Schlepptau. Dank meines anspruchsvollen Personal Trainers verfügte ich über eine gute Fitness und Kondition, sodass ich locker und problemlos die Strecke in hohem Tempo schaffte. Lydia und Saskia keuchten hinter mir her und jammerten über Seitenstiche.

      „Das glaubt mir kein Mensch“, ächzte Lydia.

      „Nicht reden, rennen“, japste Saskia.

      Wir boten sicher ein lustiges Bild, wie wir da so durch die Straßen eilten ‒ ein junger Mann im schicken Anzug vorneweg, eine keuchende junge Frau im kurzen Kleidchen mit Hochsteckfrisur und Schuhen in den Händen hinterdrein, gefolgt von einer mopsigen, einer Bulldogge nicht unähnlichen älteren Frau mit angeklatschtem Haar, der die Zunge aus dem Hals hing.

      Wenn die ganze Sache nicht so ernst wäre, würde ich lachen.

      Wir brauchten wahrhaftig nur fünfundzwanzig statt der befürchteten dreißig Minuten bis zur Kirche, aber auch nur, weil der Taxifahrer wie von Furien gehetzt fuhr. Lydia presste sich die ganze Fahrt über die Hand vor den Mund und umklammerte mit der anderen so fest Saskias Unterarm, dass diese sich einen Aufschrei sichtlich verkneifen musste. Als wir schließlich mit einer Vollbremsung vor dem Kirchenportal hielten, wobei Kies quer durch die Gegend spritzte, bekreuzigte sie sich und stürzte wimmernd aus dem Wagen.

      „Danke“, sagte ich inbrünstig zum Taxifahrer und drückte ihm einen Schein in die Hand. „Der Rest ist für Sie.“

      Saskia und ich verabschiedeten uns höflich und stiegen aus, meine Knie waren ebenfalls butterweich, auch wenn ich das niemals zugegeben hätte. Saskias Wangen waren erhitzt, auf ihrer Stirn glänzte eine dünne Schweißschicht, ihr Haar war vom Rennen zerzaust, ihr Make-up leicht verlaufen, dennoch sah sie bezaubernd aus. Spontan legte ich ihr einen Arm um die Schultern.

      „Wir haben’s tatsächlich geschafft“, prustete sie.

      „Klar“, meinte ich betont locker, „hast du etwa daran gezweifelt?“

      „Na ja ... zeitweise.“ Sie lachte leise, machte sich dann eilig von mir los und sauste hinüber zu Laura.

      Die stand, zusammen mit ihrem Vater, einem ziemlich langen Lulatsch mit streichholzdünnen Beinen und Armen, die zu lang für seinen Körper zu sein schienen, vor dem Kircheneingang und wirkte nur noch wie ein Schatten ihrer selbst. Leichenblass und zittrig, klein und verloren, in dem gigantischen Kleid verschwand sie beinahe. Ich erkannte sogar aus dieser Distanz, dass sie geweint hatte. Vermutlich stand sie kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Wie konnte man nur so unentspannt sein?

      Nun wurde sie von Mutter und Saskia geherzt, gedrückt und getröstet, während der Vater mir vorwurfsvolle Blicke zuwarf. Ich straffte die Schultern und ging ebenfalls zu der kleinen Gruppe hinüber.

      „Entschuldige, Laura“, sagte ich sogleich, da es wahrscheinlich besser war, sofort vor ihr zu Kreuze zu kriechen und die Wogen zu glätten. Marvin würde mir später ohnehin noch die Leviten lesen. „Es tut mir leid, dass mein Auto kaputt gegangen ist und wir deshalb nicht rechtzeitig da sein konnten. Ich hoffe, du bist nicht allzu ... verstört.“

      Laura schluckte. Lydia schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Sie sehen ja wohl, wie verstört sie ist, Sie gefühlskalter Klotz.“

      „Mama“, Laura streichelte sanft ihren Arm und holte tief Luft, „ist schon gut. Ich bin okay. Chris, schon gut. Ehrlich. Du hast es ja nicht mit Absicht gemacht.“ Sie sah mich an, als wollte sie ein „Oder?“ hinzufügen.

      „Natürlich nicht“, antwortete ich auf ihre ungestellte Frage und senkte reumütig mein Haupt.

      „Süße, ich denke, wir sollten mal reingehen“, meinte Saskia sanft, „sonst verlieren wir noch mehr Zeit.“

      „Genau.“ Vater Holger, dem ebenfalls Schweiß von der Stirn perlte, nickte erleichtert. „Der arme Junge steht sich da drin seit Ewigkeiten die Beine in den Bauch.“

      „Gut.“ Lydia tupfte sich mit der Hand vorsichtig über die Lippen, von ihrem Lippenstift war nichts mehr übrig. „Ich als Brautmutter gehe zuerst, Saskia, Herr Waldoff, ihr zählt bis zehn und kommt dann nach“, wies sie uns an, strich ihrer Tochter liebevoll über die Wange, richtete sich zu ihrer nicht gerade beeindruckenden vollen Größe auf und stolzierte in die Kirche.

      Laura schluckte und sah sich um, runzelte mit einem Mal die Stirn. „Wo ist denn Edda?“, fragte sie mit schriller Stimme.

      „Die muss sich ums Auto kümmern“, erwiderte ich bedauernd, „sie wäre gerne dabei gewesen, ehrlich. Aber sie kommt nach.“

      Lauras Blick war wohl am besten mit angewidert zu beschreiben. „Du lässt deine angeblich beste Freundin in einer fremden Stadt einfach stehen, nur weil dein beschissenes Auto streikt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Was bist du bloß für ein Mensch?“

      „Also bitte“, wehrte ich mich sofort, obwohl ich Gewissensbisse hatte. Ich hätte Edda wirklich nicht stehen lassen dürfen. „Wer will denn unbedingt heiraten? Wer macht denn hier den ganzen Stress, hm?“, fuhr ich sie an, woraufhin sie erschrocken zurückwich.

      Holger nahm sie schützend in den Arm und funkelte mich böse an. „Junger Mann, Sie gehen zu weit“, teilte er mir mit.

      „Zehn“, rief Saskia laut dazwischen und packte mich grob am Arm. „Los, Chris, komm, wir sind dran.“

      Sie hakte sich bei mir unter, warf ihrer besten Freundin noch einen ermutigenden Blick zu und zerrte mich aufs Kirchenportal zu. „Könntest du dich vielleicht etwas zusammenreißen?“, fragte sie ungehalten. „Laura ist eh schon völlig fertig, da brauchst du sie nicht auch noch blöd anzuquatschen.“

      Da wir uns bereits auf dem Kirchgang befanden, verzichtete ich auf bissige Widerworte und konzentrierte mich lieber aufs Laufen. Ich stellte mir vor, das hier wäre ein Laufsteg und ich wäre beruflich hier. Gerade Körperhaltung, selbstbewusster Blick, Augen geradeaus, immer das Ziel im Visier.

      Flüchtig nahm ich ein paar bekannte Gesichter in der ersten Reihe wahr, Layla, Amanda, Sophia und Luke. Klar, Luke und Marvin waren doch irgendwie Freunde geworden, Sophia war nach wie vor mit Luke zusammen und auch Amanda und Layla kannten und mochten Marvin seit einiger Zeit. Sie grinsten und winkten mir unauffällig zu, als wir nun vorne bei Marvin ankamen, der mit regloser Miene dastand, die Arme vor der Brust verschränkt. Als sich unsere Blicke trafen, sah ich kurz Wut darin aufblitzen. Oh je!

      Eine


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