Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp Paket 2 – Western - William Mark D.


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      Dann stand er vor dem zerfallenen Gemäuer, das die Mission umgab. Das Tor stand zwar noch und war sogar verschlossen, aber unweit davon war eine Bresche in der Mauer, durch die der Desperado mühelos klettern konnte.

      Was suchte er hier? Vielleicht Wyatt Earp und seine Männer? Glaubte er allen Ernstes, daß sich der Dodger Marshal hier in dem Gemäuer aufhielt?

      Isaac Clanton war immer seine eigenen, oft recht merkwürdigen Wege gegangen.

      Er stand auf dem weiten ansteigenden Hof, ließ seine grobe Hand tastend über den mit Steinfiguren besetzten Brunnenrand gleiten und warf einen kleinen Stein in das Brunnenloch.

      Er lauschte ihm nach und hörte erst nach mehreren Sekunden den Aufschlag. Der Brunnen war längst versiegt, sonst hätte die Bevölkerung ihn höchstwahrscheinlich auch benutzt, und das Tor wäre nicht verschlossen.

      Ike Clanting ging weiter. Im schwachen Sternenlicht vermochte er nur einen Part des einst hufeisenförmigen Baues genauer zu erkennen. Die beiden anderen Flügel lagen tief im Dunkel. Das Dach war längst eingefallen, und durch die Fensterhöhlen blinzelten die Sterne.

      Der Mann trat behutsam auf, als müsse er ernsthaft befürchten, daß sich hier seine Widersacher aufhalten würden. Links erhob sich der Glockenturm düster in den Nachthimmel; er wirkte wie ein mahnender Finger. Dahinter lag die Capella. Auch sie war dachlos, und ihre gewaltigen Mauern zeichneten ihre zackigen Konturen in den Nachthimmel.

      Ein großer Vogel zog mit schwerem, langsamem Flügelschlag über den weiten Missionshof.

      Ike schrak zusammen und hatte die Rechte am Revolverknauf.

      Dann ging er weiter, links an den nur einstöckigen einstigen Stallungen vorbei hinüber zu den Magazinbauten.

      Er stand inmitten einer erstorbenen Welt, die in der Nacht etwas Gespenstisches an sich hatte und selbst diesen harten Mann bedrückte.

      Immer wieder führten seine Schritte ihn in die Nähe des Turmes, an dessen fahler Westseite unten eine niedrige Toröffnung gähnte.

      Schon weit über eine Stunde war er von der Cantina fort, als plötzlich aus der Ferne Schüsse zu ihm heraufdrangen.

      Schüsse, die bald in ein wildes, knatterndes Furioso übergingen.

      Aber Ika Clanton glaubte sein Camp, die Cantina von Haderyk, in sicheren Händen. Männer wie Frank McLowery würden sie gegen jeden Angreifer verteidigen können, mühelos sogar, da sie mit den Örtlichkeiten in der kleinen Stadt vertraut waren.

      Dicht neben dem Turm stand unter einer uralten Trauerweide eine steinerne Bank in einer Mauernische.

      Der Bandit ließ sich darauf nieder und lehnte sich zurück.

      Er war müde. Der weite Ritt durch die Sonnenglut der Steppe hatte auch ihn erschöpft. Er starrte durch die Zweige des Baumes zum Turm hinüber.

      Dann schloß er die Augen.

      Als er sie wieder öffnete, hatte sich das düstere, dämonische Bild, das er beim Einschlafen vor Augen gehabt hatte, in ein bizarres Gemälde von grellem, blendendem Gelbweiß verwandelt.

      Ike senkte den Blick langsam an der Turmmauer hinunter zu der Türöffnung – und starrte entgeistert in die schwarzen Kohlenaugen eines uralten Indianers.

      Seine Hand, die zum Revolver zucken wollte, verharrte in der Bewegung.

      Der Rote hatte einen großen schwar-zen Colt in der Faust, dessen Mündung genau auf den Desperado zeigte.

      Der Outlaw kannte den Revolver genau und wußte auch, wem er gehörte. Hundertmal hatte er diese Waffe im Halfter und auch schon in der Hand ihres Besitzers gesehen.

      Sie war sehr groß, schwarz, mit dunk-lem Knauf, der an der linken Seite von einem weißen Streifen durchzogen war.

      Ike konnte es trotz der rotbraunen Faust, die die Waffe hielt, erkennen.

      Und er wußte auch, ohne daß er

      die andere Knaufseite sah, wie sie beschaffen war: Statt des weißen Striches waren dort in gleicher Farbe zwei Buchstaben eingebrannt. Ein großes V und ein großes E.

      Es war der Colt Virgil Earps.

      Ganz langsam richtete sich der Bandit auf. Er hatte den ersten Schrecken überwunden.

      Da sprangen die welken Lippen des Greises auseinander. »Was suchst du hier?«

      Ike hatte die Hände angewinkelt neben seinen Hüften hängen. Unweit von seinen eigenen Revolvergriffen. Und ganz sicher wußte der achtzigjährige Agostino nicht, wie schnell dieser weiße Mann ziehen konnte.

      Der Verbrecher fixierte den Roten scharf. »Wie kommst du an diesen Revolver?«

      »Ich bin dir keine Antwort schuldig«, erwiderte der Apache stolz, »aber ich werde es dir dennoch sagen: Ich habe ihn gefunden.«

      »Draußen vor der Stadt, bei einer Feldhütte!«

      Der Bandenführer dachte an den Bericht Billy Claibornes. Demnach konnte der Alte die Wahrheit gesagt haben.

      »Und sonst hast du nichs gefunden bei der Feldhütte?«

      Der Greis sah ihn unverwandt an. »Was sollte ich noch gefunden haben?«

      Ike wandte sich langsam ab und machte drei Schritte vorwärts.

      Dann flog er plötzlich herum und hatte seinen eigenen Colt in der Rechten. Ein böses Lachen stand um seine Lippen.

      »Hast du wirklich geträumt, daß du Ike Clanton überrumpeln könntest, Grandpa? Vorwärts, laß das Eisen fallen, sonst brenne ich dir ein paar glühende Bleistücke zwischen die Rippen.«

      Völlig unbeeindruckt sah ihn der Indianer an. »Du also bist Ike Clanton. Ich habe von dir gehört. Leider waren es wenig gute Dinge.«

      Der Tramp verfärbte sich. »Du sollst den Colt fallen lassen, Rothaut!«

      »Wenn du Ike Clanton bist, wirst du wissen, daß dein Schreien sinnlos ist. Denn du siehst ja, daß auch ich den Revolver gespannt habe. Und du kannst ganz sicher sein, daß ich den Stecher noch durchziehen werde, wenn du geschossen hast.«

      »Wage es!« fauchte der Desperado.

      Jetzt huschte über das Gesicht des Indianers ein müdes Lächeln. »Ich habe nichts zu wagen, weißer Mann. Mehr als achtzig Sommer und Winter ruhen auf meinem Haupt. Ob die Stunde meines Rittes in die Ewigen Jagdgründe heute oder morgen ist, bereitet mir nicht die geringste Sorge. Du aber, der du erst drei kurze Jahrzehnte mit dir herumträgst, hast für dein Leben zu fürchten.«

      »Gewäsch!« zischte der Bandit. »Laß den Colt fallen, Alter, sonst stirbst du!«

      »Ich werde dir nicht dreimal sagen, daß ich den Tod nicht fürchte, Ike Clanton. Ich warte doch täglich und stündlich auf ihn. Wann er kommt, bestimmt der Große Geist – und nicht du!«

      »Well, dann werde ich dir etwas sagen«, entgegnete der Verbrecher, nicht unbeeindruckt von so viel Kälte und Todesverachtung. »Die Waffe, die du da in der Hand hältst, gehört einem Freund von mir, den ich seit vielen Jahren suche.«

      Forschend glitten die Augen des Indianers über das Gesicht des Weißen. »Du lügst!«

      Ikes Gesicht wurde flammendrot vor Zorn. »Du hast die Waffe eines Toten in der Hand, Apache!«

      »Wer sagt dir, daß der Mann tot ist?«

      Ike legte den Kopf auf die Seite und ließ den Colt ins Halfter zurückgleiten.

      »Er… ist nicht tot?«

      »Das habe ich nicht behauptet.«

      »Wo ist er?«

      »Es genügt, wenn ich es weiß.«

      Da stieß der Bandit den Kopf vor. »Mörder!« fauchte er.

      Wieder huschte das müde Lächeln über das runenzerschnittene Greisengesicht.


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