Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
schärferem Ton fort. »Wer sagt
mir, daß du nicht der Mann bist, der
ihm von hinterrücks die Kugel gegeben hat?«
»Von – hinterrücks…«, brach es heiser von den Lippen des Verbrechers. »So hat er ihn also von hinten…« Er brach ab.
In seinem Hirn jagten die Gedanken einander.
Claiborne hat ihn also ermordet! Er hat ihn von hinten angeschossen. Und wahrscheinlich hat er seine Leiche nicht einmal verscharrt. Dieser greise Indianer hat den Toten gefunden und begraben. Seinen Revolver hat er behalten.
Ike hob den Blick zur Sonne.
Sicher war es schon gegen neun Uhr. Er hatte lange geschlafen – vielleicht zu lange.
Krächzend stieß er hervor: »Ich werde dir den Colt abkaufen. Der Mann, der ihn trug, war mein Freund. Ich will ihn rächen!«
Da versetzte der Indianer schroff: »Er war nicht dein Freund!«
Ike biß die Zähne aufeinander. Hatte der Alte etwa noch mit Virg sprechen können – oder lebte Virg gar jetzt noch?
»Wie kannst du es wagen, das zu behaupten?« zischte er.
»Der Mann, dem der Colt gehörte, trug einen Stern, und du bist Ike Clanton!«
Das war deutlich.
Der Verbrecher bebte vor Zorn. »Well«, sagte er dann einlenkend, »ich will dir etwas sagen, Alter: Der Mann war mein Feind, aber ich habe ihn nicht erschossen. Ich kenne jedoch seinen Mörder und will ihm die Waffe des Toten vorhalten.«
»Es ist einer deiner Leute, Ike Clanton.«
»Gib mir den Colt!« wich der Bandit aus.
Da entspannte der Indianer den Revolver und warf ihn dem Banditen zu. »Da, nimm ihn mit! Und jetzt verschwinde von diesem heiligen Boden!«
Der Revolver flog vor die Füße des Verbrechers.
Ike starrte darauf nieder, bückte sich und hob ihn auf.
Als er wieder zum Turm hinüberblickte, war der Alte verschwunden.
Ike spannte den Colt und rannte in weiten Sätzen vorwärts. Als er den Eingang zum Turm erreicht hatte, prasselte ein Steinhagel aus dem Inneren des uralten Gemäuers, und nur durch einen blitzschnellen Sprung nach rückwärts vermochte sich der Desperado zu retten.
*
Ike Clanton hatte den Missionshof verlassen und ging durch eine der Gassen auf das Haus zu, in dessen Hof er seinen Gaul untergestellt hatte.
Der kleine olivgesichtige Besitzer des Anwesens kam ihm im Hof hemdsärmelig und barfüßig entgegen.
Ike zündete sich eine Zigarette an und fragte, ohne den Mann anzusehen: »Was war gestern nacht los? Ich habe Schüsse gehört.«
Der Mann schlug mit zitternder Hand ein Kreuz, trat dicht an den Desperado heran und flüsterte: »Wyatt Earp war in der Stadt!«
Ike wandte den Kopf. »Wyatt Earp?« tat er verblüfft.
»Yeah, Mister Clanton. Der Al-
kalde hat es gesagt. Er war drüben beim Sheriff, und dann prallte er mit Ih-
ren Freunden zusammen, Mister Clanton. Es hat eine furchtbare Schießerei gegeben.«
»Und…?« tat Ike uninteressiert.
»Es ist glücklicherweise niemand ums Leben gekommen. Aber wie leicht hätte das geschehen können. Denken Sie nur, meine Frau hat mehr als fünfzehn Schüsse gezählt.«
»Und – wo ist er jetzt?«
»Der Marshal ist mit Doc Holliday, der ja auch hier war, und Luke Short im Morgengrauen weggeritten.«
»Das weißt du genau?«
»Ganz genau, weil ich drüben in der Mündung der Nebengasse stand und den Reitern nachsah. Sie ritten auf die Grenze zu.«
Das Gesicht des Outlaws spiegelte Zufriedenheit wider. Seine Linke tastete über den Revolverknauf, der links aus seinem Hosenbund sah.
Dann ließ er seinen Hengst satteln, stieg auf, warf dem dienernden Mann ein Geldstück zu und ritt davon.
Den Alkalden, der in der Mainstreet stand, beachtete er nicht.
Auch auf das unsichere Grüßen des dickleibigen Sheriffs hatte er keine Erwiderung.
Langsam ritt er nach Südwesten aus der Stadt. –
Einer der Earps war also erledigt.
Well, er würde Bill Claiborne zwar die Hölle heiß machen, aber die Tatsache, daß es in Tombstone nun keinen Sternträger mehr gab, war beruhigend. Jonny Behan – ihn rechnete Ike Clanton überhaupt nicht mit.
Er nahm sich vor, noch nicht gleich nach Tombstone zurückzureiten. Da er nun wußte, wo der Gegner war, konnte er sich einer anderen Aufgabe widmen.
Er hatte drüben, unweit jenseits der Grenze, vor einem Monat eine große Herde weiden sehen. Da würde er Umschau halten müssen für seinen nächsten Ritt mit den Boys.
*
Der Dodger Marshal und seine beiden Begleiter hatten die flache Savanne hinter sich und hielten auf einem Hügelkamm, von wo aus sie einen weiten Blick nach Süden in eine mit dünnem Gras stellenweise bewachsene Ebene hatten.
Wyatt Earp streckte den Arm aus. »Mexiko!« Er stieg vom Pferd. »Wir werden hier eine halbe Stunde rasten.« Nachdenklich saß der Marshal am Boden und blickte nach Norden. Plötzlich meinte er: »Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir uns teilen müßten. Daß einer nach Haderyk zurückreiten sollte, ein zweiter nach Tombstone und der dritte allein über die Grenze gehen müßte.«
Der Georgier nickte zustimmend. »Ich denke es schon, seit wir die Sierra hinter uns haben. Wahrscheinlich wäre es nicht falsch, wenn ich nach Tombstone zurückreiten würde.«
»Keine angenehme Sache«, meinte der Texaner. »Die ganze Horde wird höchstwahrscheinlich dorthin zurückgeritten sein. Und wenn es dann wieder ein Gewitter gibt, stehen Sie so ziemlich allein, Doc.«
Der Spieler winkte ab. »Daran gewöhnt man sich.« Er erhob sich, zog sich in den Sattel seines Falben, tippte an die Hutkante und trabte nordwestwärts davon.
Die beiden anderen blickten ihm nach.
Endlich erhob sich auch der Texaner.
»Well, dann will ich auch nicht mehr Worte machen als Ihr schweigsamer Gefährte und zurück nach Haderyk reiten.«
Wyatt nickte, während auch er seinen Fuß in den Steigbügel setzte. »All right, Luke. Und wenn es langweilig wird, dann steigen Sie mal in das alte Gemäuer hinauf, das ich gesehen habe, als wir aus der Stadt ritten. Es ist offenbar eine verlassene Mission…«
*
Sie ritten also in drei verschiedene Himmelsrichtungen davon.
Wyatt sprengte in die Ebene hinunter und hielt sich südwestlich, weil er in der Ferne unter dem klaren azurblauen Himmel eine winzige Rauchsäule gegen den Himmel hatte steigen sehen.
Es war nur ein kleines Campfeuer dreier krummbeiniger Peons, die hier eine winzige Herde bewachten.
Der Missourier erkundigte sich bei den Männern, ob sie seinen Bruder gesehen hatten. Sie hörten sich die Beschreibung an und schüttelten dann ihre dunklen Köpfe.
Nein, auch einen Reiter, auf den die Beschreibung Ike Clantons paßte, hatten sie nicht gesehen.
Wyatt ritt weiter.
Spät am Abend erreichte er eine jener winzigen Nester, die oft nur aus fünf flachen weißgetünchten, schmutzstarrenden Häusern bestanden, um die räudige Hunde herumstrichen und vor denen die Männer herumlungerten, dösten, Karten spielten und einen Dorfklatsch hielten.
Der