Warrior & Peace. Stella A. Tack
mir um. Ich kreischte auf und fuchtelte mit den Armen. Meine Hand klatschte dabei auf nackte Haut.
»Aua! Verdammt noch mal. Was soll das?«, blaffte mich eine Stimme an. Ahh! Panik! Monster, Vergewaltiger! Ich wollte nicht als Sushi enden.
Kein Vampir würde an meiner Vene nuckeln. Wild entschlossen beugte ich meine Knie und rammte ihm die Füße in den Bauch.
»Heilige Scheiße!« Der Körper über mir krümmte sich und ich schaffte es tatsächlich, ihn so abzuschütteln. Blitzschnell sprang ich auf und wollte davonrennen. Leider packte mich eine Hand am rechten Bein und brachte mich erneut zum Stolpern. Hart landete ich wieder auf dem Boden und spürte, wie meine Zähne aufeinanderschlugen. Blut füllte meinen Mund. Meine Sonnenbrille zersplitterte.
»Lass mich los!« Panisch schüttelte ich mein Bein. Doch der Angreifer zog mich ungerührt zu sich heran. Zwei Arme packten meine eigenen und fixierten diese hinter mir. Danach platzierte er auch noch ein Knie auf meinem Rücken. Ächzend spuckte ich Blut auf den Boden und hustete.
»Teufel! Was bist du denn für ein Typ?«, brüllte jemand, was jetzt, wo ich keine Chance mehr hatte, noch davonzulaufen, ein wenig komisch klang. Der Vampir von vorhin war es jedenfalls nicht. Stockend hielt ich inne und versuchte, meinen Angreifer aus dem Augenwinkel zu sehen.
»Na also, geht doch!«, schnaufte die Stimme. Sie klang voll und weich, nicht alt, aber auch nicht jung. Sein Knie hielt mich weiterhin brutal am Boden. Ein leiser Schmerzensschrei entfuhr mir. Der Griff lockerte sich. »Sag mal, bist du ein Mädchen?«
»Lass mich los!«, spie ich aus.
Der Mann fluchte laut. »Ein Mädchen! Das hat mir gerade noch gefehlt.« Es klang wie das Knurren eines Raubtiers. Tief und gefährlich, ein Tonfall, bei dem sich mir alle Nackenhaare aufstellten. Der Mann löste abrupt seinen Griff um meine Handgelenke, packte stattdessen meine Hüfte und stellte mich mit erstaunlicher Kraft auf die Füße. Ein wenig desorientiert von so viel Herumgewirbel stolperte ich nach vorne und wurde ziemlich grob an seine breite Brust gerissen. Aha, die Wand von vorhin.
»Schön! Dann müssen wir uns eben beide verstecken. Du machst keinen Mucks, hast du verstanden, Mädchen? Ein Pieps und ich schlitz dir die Kehle auf.« Entsetzt klappte mir der Kiefer runter. Mein Blick wanderte von besagter Wandbrust aus nach oben. Bevor ich jedoch die Chance bekam, etwas Dummes zu tun, nämlich seine Warnung auf die Probe zu stellen und mein Knie genüsslich in seine Weichteile zu stoßen, hob er auch schon eine Hand und drückte mir diese gegen den Mund. Lautlos verschwanden wir in der Gasse, aus der ich ursprünglich gekommen war. Viel zu grob presste er uns gegen eine kalte Wand. Mein Hirn schien von all dem Adrenalin einen Kurzschluss zu haben. Was war denn das jetzt? Gleich zwei Angreifer in nicht mal zwanzig Minuten? Die Hölle war wirklich durchgeknallt.
Ein kleines Wimmern entfuhr meinen Lippen, das sofort von seiner großen Hand verschluckt wurde. Mein Körper kribbelte, als hätte er überempfindliche Nerven entwickelt, die jede Bewegung des fremden Mannes registrierten. Sein breiter Brustkorb hob sich genauso schnell wie meiner. Seine Hände waren lang und schmal. Sie sahen verstörend jung aus, obwohl sich Dutzende von feinen Narben über die helle Haut spannten. Ein herber Geruch nach Ozon und Kupfer stieg mir in die Nase. Der Fremde musste irgendwo bluten. Vielleicht war es aber auch mein eigenes Blut, weil ich mir bei dem Sturz die Wange aufgebissen hatte. Minuten vergingen, in denen wir einfach nur bekloppt aneinandergepresst an der Wand standen und warteten. Worauf? Ich hatte verflucht noch mal keine Ahnung! Mein Körper sträubte sich mit jedem Atemzug gegen die erzwungene Umarmung. Ich wurde so gut wie nie berührt! Niemand bei klarem Verstand berührte mich freiwillig. Und als Geisel gehalten zu werden, das war nun wirklich nicht gerade der Knüller. Warum musste ich auf dieser Ebene auch ausgerechnet den zwei beklopptesten Typen ganz Abaddons über den Weg laufen? Warum?
Als würde der Fremde meinen inneren Zwist mitbekommen, blickte er auf mich herab. Beinahe glaubte ich, ihn mitleidig lächeln zu sehen.
»Tut mir leid, Mädchen«, flüsterte er mir ins Ohr. Meine Kapuze verdeckte zum Glück immer noch mein Gesicht, also konnte er mich nicht erkennen. Dennoch spürte ich seinen forschenden Blick auf mir ruhen. Ängstlich schielte ich in seine Richtung und stockte. Bei genauerem Hinsehen war der Mann wunderschön. Ein anderes Wort fiel mir dazu nicht ein. Seine Gestalt war, wie bereits vermutet, groß und schlank. Die Haut glich blassem Alabaster, allein unterbrochen von einer feinen Narbe, die sich quer über seine rechte Augenbraue zog. Die Wangenknochen hoben sich messerscharf hervor. Wie in Stein gemeißelt. Die Augen groß und dermaßen hellgrau, dass sie wie silberne Spiegel wirkten. Perfektioniert wurde das Ganze von einer geraden und eleganten Nase. Die vollen Lippen, öffneten sich unter jedem angestrengten Atemzug. Sein Haar war halblang und fiel ihm in sanften Locken über den Nacken und in die Stirn. Das einzig Seltsame daran war die Farbe. Sie glänzten blau! In der Dunkelheit wäre es mir beinahe nicht aufgefallen, doch die weichen Locken schimmerten ohne jeden Zweifel in einem dunklen Mitternachtsblau. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Die Mundwinkel des Fremden zuckten amüsiert, als könnte er meinen Blick auf seinem Gesicht spüren. Doch sein Ausdruck blieb so kühl wie die Schneide eines Messers. Seine Augen strahlten Eiseskälte aus und beinahe glaubte ich, so etwas wie kleine elektrische Blitze durch seine Haare hindurchhuschen zu sehen.
»Wenn die Wachen an uns vorbei sind, werde ich dich gehen lassen. Du wirst laufen und dich kein einziges Mal nach mir umdrehen«, befahl er mir leise. Die Arroganz in seiner Stimme ging mir sofort auf die Nerven. Seine Hände krampften sich noch eine Spur fester um meinen Mund. Wenn er weiter so zudrückte, würde mir langsam die Luft ausgehen. »Wenn du ein schlaues Mädchen bist, wirst du niemandem von unserer Begegnung erzählen. Verstanden?« Er schüttelte mich wie ein unartiges Hündchen. Im Augenblick hatte ich nicht übel Lust, ihm auf die Schuhe zu pinkeln. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Trotzdem nickte ich, bevor lautes Hundegebell und das Brüllen von Männerstimmen die Dunkelheit unseres Verstecks durchbrachen. Der junge Mann presste mich an sich.
»Showtime«, flüsterte er mir leise ins Ohr, als auch schon die bulligen Körper der Höllenhunde an uns vorbeihetzten. Geifer und scharfe Zähne glänzten im Licht der Straßenlaternen. Ihre großen Leiber verschmolzen beinahe nahtlos mit der schmutzigen Straße. Ich starrte die Hunde an, die knurrend stehen blieben und lauschten. Ihre großen Ohren zuckten nervös, während die Flanken schweißnass vor Anstrengung bebten.
»Ich rieche ihn! Er ist weitergelaufen«, knurrte schließlich einer. Ich kannte ihn. Sein Name war Bloodclaw. Er war der Sicherheitsmann meines Vaters. Die Hunde grollten unentschlossen. »Ich sagte, hier entlang!«, befahl Bloodclaw und schnappte nach den Hinterläufen eines anderen Hundes. Dieser zog augenblicklich den Schwanz zwischen die Beine und senkte den bulligen Kopf. »Der Gefangene darf uns nicht entwischen, er ist seit zwei Tagen auf freiem Fuß!«, bellte Bloodclaw und rannte staubaufwirbelnd weiter. Die Meute der Bluthunde schoss hinter ihm her, während ihr lautes Gebell gewaltsam die Nacht zerschnitt. Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen den Brustkorb. Der Geschmack nach Blut wurde intensiver, während ich meinem Geiselnehmer einen schnellen Blick zuwarf. Es bestand kein Zweifel. Die Hunde suchten nach ihm! War er etwa der Grund dafür, dass die Stromversorgung und sämtliche Ausgänge in der Unterwelt gekappt worden waren? Wütend biss ich die Zähne zusammen. Wenn ja, war ich nur wegen diesem Arschloch hier unten und hatte mich in einer dreckigen Mülltonne vor einem durchgeknallten Vampir verstecken müssen. Und wegen ihm musste ich mich nun auch noch vor den Hunden meines eigenen Vaters verstecken.
Mein zuvor erloschener Kampfgeist kehrte mit aller Macht zurück. Er wollte mir die Kehle durchschneiden? Dann musste er vorher meinen Arschtritt überleben. So schnell ich konnte, holte ich aus und stieß meinen Ellbogen in seinen Magen. Der Fremde schien von dem plötzlichen Angriff dermaßen überrumpelt, dass er mich keuchend losließ.
»Was?«, verblüfft griff er erneut nach mir, doch ich riss mich von ihm los und trat ihm, so fest ich konnte, gegen das Schienbein. Was ihn, zu meinem maßlosen Ärger, nicht einmal fluchen ließ. Er starrte mich nur ziemlich, ziemlich wütend an. Seine lächerlich perfekten Nasenflügel blähten sich und er warf mir einen solch kalten Blick zu, dass ich eine Gänsehaut bekam. Giftig funkelte ich zurück.
»Das ist alles deine Schuld!«, fuhr ich ihn an und schlug