Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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willst du nun hoch oder nicht?«

      »Von mir aus!«, fauchte ich, was die Alte zufrieden nicken ließ. Krachend fiel der Aufzugdeckel wieder zu. Dabei geriet Highway to Hell leicht ins Stottern, bevor das Gefährt sich ruckartig in Bewegung setzte. Der Gedanke, dass ich in Kürze drei Ebenen allein zu Fuß gehen musste, ließ mich unbehaglich auf und ab hopsen. Ebene 144 war mehr als nur gefährlich! Es waren zwar Ebenen, die zum Teil als zivilisiert galten, 144 war jedoch ein Ort, an dem man am besten nie, nie, nie ohne Bodyguards oder Pfefferspray hinging. Oder ohne eine vollgeladene Kalaschnikow! Theoretisch war mir der Zutritt zu diesen Ebenen sogar verboten. Unruhig knabberte ich an der Unterlippe und überlegte mir, einfach umzudrehen und bei Sokrates zu übernachten. Leider hatte ich keine Ahnung, wo sich der Minotaurus zurzeit aufhielt. Die Kerker waren riesig, die Folterkammern erstreckten sich kilometerweit über Downtown. Sie kamen einem Irrgarten gleich. Bevor ich ihn fand, hätte ich mich bestimmt für einige Tage verlaufen. Nein! Außerdem war ich nicht feige. Ich würde einfach möglichst unauffällig die Ebenen durchqueren und hoffentlich auf Ebene 145 ein Taxi erwischen. Dort war die Gegend nicht mehr ganz so übel.

      Die Fahrt dauerte geschlagene zehn Minuten. Stetig düste ich aufwärts und passierte die verschiedensten Gegenden. Manchmal drangen laute Schreie oder irres Gelächter durch die Aufzugtüren. Ein andermal erschütterte eine kleine Explosion den Raum, sodass ich mich schnell an der glatten Wand festhalten musste, um nicht hinzufallen. Ich starrte auf den dreckigen Boden und bemerkte dabei, dass ich in Trollrotz getreten war. Toll! Das grüne Zeug klebte mir wie Kaugummi an der Sohle und war ätzend. »Igitt!« Schnell begann ich, den Gummi an der nackten Wand abzukratzen. Der Schleim zog lange Fäden am Metall entlang und fraß kleine Schmauchspuren hinein.

      »Hör sofort auf damit oder ich schmeiße dich raus!«, krächzte plötzlich die Stimme der Hexe aus dem Lautsprecher.

      Erschrocken setzte ich den Fuß ab und starrte schuldbewusst nach oben. »Äh, Verzeihung. Wird nicht wieder vorkommen!«

      »Das will ich auch hoffen. Immerhin muss ich diese Sauerei dann putzen.«

      O Gott, wie peinlich! Verlegen stand ich im Aufzug und versuchte, die Tatsache zu ignorieren, dass mir der Rotz ein kleines Loch in die Schuhsohlen brannte. Bei Stock 120 hielt der Aufzug plötzlich ruckelnd an. Vor Schreck biss ich mir dabei in die bereits leicht lädierte Unterlippe und schmeckte warmes Blut auf der Zunge. Schnell leckte ich es ab und runzelte die Stirn. Sollte Blut so süßlich schmecken? Eigenartig. Hm … vielleicht lag es an der Cola von vorhin? Bevor ich mich weiter über mich selbst wundern konnte, öffneten sich die Türen. Ein eisiger Luftzug zerzauste meine Haarspitzen, die unter der Kapuze hervorlugten. Drei Personen betraten den engen Raum. Innerlich erstarrte ich und beäugte die Höllenbewohner misstrauisch. Als Erstes betrat ein großer blasser Mann, um dessen schlanke Gestalt ein dunkler Ledermantel wallte, den Aufzug. Mit nahezu animalischer Eleganz stellte er sich neben mich und grinste mit einer Reihe scharfer Zähne auf mich herab. Sein weißes Hemd mit entzückenden Rüschen, die aus den Ärmeln ragten, und Blutflecken am Kragen raschelte leise, bevor eine Frau mit feuerrotem Haar und ähnlichem Outfit den Aufzug betrat. Ihre Lippen waren blass, die Mundwinkel rot verschmiert. Als sie mich bemerkte, leuchteten ihre ebenso roten Augen hungrig auf. Ein gewinnendes Lächeln trat auf ihre Lippen. Den Göttern sei Dank, sie hielt trotzdem Abstand. Der letzte Kerl des Trios war ein junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren. Er konnte nur wenig älter sein als ich, obwohl die erschöpften Falten um seinen Mund ihn ausgelaugt und verhärmt wirken ließen. Sein Gesicht war von einer ungesunden grauen Farbe, während seine blonden Haare blutverklebt und dreckstarrend zu Berge standen. Sein Blick war demütig gesenkt. Um den Hals trug er ein mit Nieten besetztes Hundehalsband. Mein Blick huschte zurück zu dem männlichen Abaddoner, der mit langen schlanken Fingern die Nummer 144 drückte. Sie würden also die letzten Minuten mit mir nach oben fahren. Nervös blieb ich in meiner Ecke stehen und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Die beiden anderen musterten mich. Die Frau flüsterte dem Mann etwas zu und begann haltlos zu kichern, während ihr Begleiter mich mit rot leuchtenden Augen beäugte. Es war nicht schwer zu erraten, dass die beiden Vampire waren. Ihrem Auftreten zufolge jedoch keine sonderlich alten. Ein wenig genervt verdrehte ich die Augen. Die jungen waren immer die schlimmsten. Es gab verschiedene Clane, die ihre finsteren Spielchen in einigen der unteren Etagen trieben. Diese Wesen hatten einen ausgesprochen lästigen Größenwahn. Hielten sich für stärker, schneller, schlauer und unwiderstehlicher, als sie es in Wirklichkeit waren. Dabei gaben sie sich so unmögliche Namen wie Vladimir, obwohl sie in Wirklichkeit Franz-Dieter hießen. Sie waren Jagdtiere und hungrig. Immer. Die meisten starben bereits in den ersten Wochen ihrer Existenz. Sie hatten die unglückliche Tendenz, sich gegenseitig auszusaugen, wenn der Hunger zu groß wurde. Der junge Mann an ihrer Seite musste hingegen ein Domestik sein. Ein Schoßhund. Man traf nur selten einen Vampir ohne einen oder gleich mehrere Domestiken an. Meistens waren es Menschen mit besonderen Blutgruppen oder außergewöhnlich gutem Aussehen. Dieser hier schien wohl eher zu der gut schmeckenden Sorte zu gehören. Zumindest sah er bereits ziemlich leer gesaugt aus. Beinahe tat er mir leid. Aber auch nur beinahe. Man wusste nie. Die meisten Menschen waren verrückt genug, sich freiwillig als Snack anzubieten. Der Twilight-Hype in der Menschenwelt hatte den Vampiren einen unerwartet hohen Blutvorrat und ein noch größeres Ego verschafft.

      Nervös schielte ich zu ihnen und bemerkte, dass die beiden mich immer noch anstarrten. Zum Glück konnten sie mein Gesicht durch den Schatten der Kapuze nicht sehen! In Gedanken zählte ich die Sekunden, bis wir endlich die 144. Ebene erreichten. Die Luft war zum Schneiden dick und roch leicht nach salzigem Blut. Unruhig trat ich von einem Bein auf das andere und merkte, wie mein Puls stetig in die Höhe schoss. Die Vampire grinsten wölfisch. Der männliche beugte sich verschwörerisch zu mir vor. Sein Atem roch unangenehm vergoren.

      »Was hat ein solch süßes Mädchen bei Sperrstunde in den unteren Ebenen zu suchen?« Seine Stimme war weich und samtig. Er klang verführerisch … lockend. Sofort fühlte ich den Drang, meinen Kopf in den Nacken zu legen und ihm meine Halsschlagader anzubieten. Gewaltsam unterdrückte ich den Impuls und zuckte stattdessen betont gleichgültig mit den Schultern. Ich war nicht unbedingt scharf auf eine Unterhaltung mit den beiden und mein Blut wollte ich ebenfalls behalten.

      »Woher wisst Ihr, dass ich ein Mädchen bin?«, fragte ich daher nur flapsig und ließ seine Frage unbeantwortet. Unter meinen unförmigen Klamotten konnte ich genauso gut als schlaksiger Junge durchgehen. Wobei es tatsächlich immer schwieriger wurde, meine Kurven ausreichend zu verdecken.

      Der Vampir lachte rau. Genießerisch sog er die stickige Luft in seine Lunge. »Ich kann es förmlich schmecken. Die Luft ist erfüllt von dem Duft frischer Rosen und süßen Honigs. So etwas habe ich noch nie zuvor gerochen. Du bist ein Dessert auf zwei Beinen.«

      Verdammt! Knirschend biss ich die Zähne zusammen. In Zukunft würde ich mehr Parfüm benutzen müssen. Der chemische Geruch überdeckte meistens sehr effektiv den meines eigenen Körpers. Heute offensichtlich nicht.

      »Wie heißt du, Mädchen?«, gurrte jetzt auch die Vampirin. Als ob ich ihr antworten würde! Inzwischen rückten die beiden mir gefährlich nahe auf die Pelle. Ihr Domestik starrte dabei nur ins Leere. Der Arme sah aus, als würde er jeden Augenblick umkippen. Dem Himmel sei Dank blieb mir eine Antwort erspart, denn der Aufzug kam laut knarrend zum Stehen. Die Türen öffneten sich. Erleichtert atmete ich auf und nahm die Beine in die Hand. So schnell ich konnte, drückte ich mich zwischen den Blutsaugern hindurch ins Freie und hastete die Straße entlang. Schlitterte um eine Ecke und brachte so viel Abstand zwischen uns, wie ich nur konnte. Diese Blutsaugeridioten waren verdammt gute Fährtenleser. Ich konnte also nur hoffen, dass die beiden satt genug waren, um kein größeres Interesse an mir zu haben. Inzwischen konnte ich ebenfalls den süßen Duft nach Rosen an mir vernehmen. Ich schnupperte weiter und … verdammt! Er ging wirklich von mir aus. Leider würde ich damit noch weitaus schlimmere Kreaturen als nur ein paar partywütige Vampire anlocken. Augenblick! Wo war ich eigentlich? Schnaufend blieb ich stehen und sah mich ein wenig genauer um. Es war das erste Mal, dass ich Ebene 144 betrat, ich hatte also nur eine vage Vermutung, wohin ich gehen musste. Soweit ich es beurteilen konnte, war ich in eines der eher unbelebteren Wohnviertel geschlittert. Die Häuser waren gedrungen. Glichen eher hölzernen Hütten als tatsächlich bewohnbaren Behausungen. Die Fenster waren mit Brettern


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