Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Tag«, sagte Alexander Schoenecker, als sie gemeinsam die Kirche verließen. Dabei war der graue Novembernebel so dicht, dass er die Menschen wie in eine Wolke einzuhüllen schien.
»Ja, so ist es.« Denise trug Susanne immer noch auf den Armen, obwohl Tita schon ungeduldig mit einer Decke neben ihr stand, um das frisch getaufte Kind vor der kühlen Luft zu schützen. Denise schien es nicht zu bemerken. Ihr Blick glitt von dem zarten Gesicht Susannes fort und richtete sich auf Thomas und Barbara. Sie wusste nicht, dass die beiden erst heute zueinandergefunden hatten. Ihr genügte es, dass dort ein Paar stand, das nun das Leben mit den drei Kindern teilen würde. In Freude und Leid, wie auch sie es tat.
Es wurde noch eine heitere Feier. Fast fünfzehn Menschen saßen um den großen Tisch herum und ließen sich Titas Festmenü schmecken. Nick, Henrik, Kai und Robin saßen am Ende der Tafel und machten Pläne, wie sie die Wochen in Sophienlust verbringen würden. Sie konnten es gar nicht erwarten, dass Thomas und Barbara in die Flitterwochen fuhren.
»Wann ist es denn so weit?«, fragte Nick schließlich Thomas. »Wann werden Sie heiraten?«
Thomas blickte fast verlegen drein. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich darüber Gedanken zu machen. Das große Glück war so plötzlich über ihn gekommen, dass er es noch nicht gewagt hatte, in die Zukunft zu blicken. Ihm genügte es, Barbara neben sich zu wissen.
»Wir werden uns Zeit lassen«, erklärte Barbara ruhig. Doch als sie die enttäuschten Gesichter der Jungen sah, fügte sie hinzu: »Nicht zu viel Zeit.« Sie lächelte Thomas an, als wüsste sie, dass er sie verstand.
Gegen Abend leerte sich das Haus Thomas Platens. Die Familie von Schoenecker wurde herzlich verabschiedet, und auch die anderen Gäste verließen die junge Familie. Susanne wurde zu Bett gebracht, und Tita beseitigte die Spuren des großen Festes. Dabei summte sie lautstark den Choral, den die Gemeinde bei der Taufe gesungen hatte.
Als Barbara herunterkam, waren die beiden Frauen für einen Augenblick allein. Tita unterbrach ihren Gesang und stellte sich breit und selbstbewusst vor Barbara hin. Ihr Gesicht strahlte, obwohl sie sich bemühte, ein wenig Missfallen auszudrücken.
»Das hätten Sie mir aber eher sagen können, Frau Wirthner. Das mit Ihrer Verlobung. Denn nun muss ich mir ja wohl eine andere Stellung suchen.«
Barbara vermied es, zu lächeln. Sollte sie zugeben, dass sie schlichtweg überrumpelt worden war? Nein, denn dann würde Tita wieder eine Schimpfkanonade auf die beiden Jungen loslassen. Und das hatten Kai und Robin wirklich nicht verdient.
»Sie dürfen sich gar keine neue Stellung suchen, Frau Stubenweis. Bei uns werden Sie immer gebraucht.«
Da trat Tita auf sie zu, umarmte sie fest und sagte mit Tränen in den Augen: »Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen, Frau Wirthner. Denn nirgends ist es so schön wie hier, besonders, seit Sie hier sind. Es ist alles so friedlich. Und Herr Platen strahlt jeden Tag mehr vor Glück.«
»Wirklich?«, fragte Barbara etwas verwirrt.
»Ja«, bestätigte die Haushälterin. »Ich habe schon von Anfang an gewusst, dass er Sie liebt.«
Barbara schwieg. Geahnt hatte sie es auch, aber um es zu erfahren, hatten diese frechen Bengel erst eine kleine Intrige anzetteln müssen.
Am Abend war es endlich ganz still im Haus. Tita war gegangen. Barbara hatte einen kleinen Imbiss vorbereitet. Auf vier Tellern hatte sie einen bunten Salat angerichtet und die Teller auf den runden Tisch am Kamin gestellt. Für die Jungen war eine Flasche Limo kaltgestellt, für Thomas und sie eine Flasche Sekt. Nun zündete Barbara die Kerzen an und rief zu Tisch.
Thomas legte die alte Bibel beiseite, die das Ehepaar von Schoenecker dem jungen Paar geschenkt hatte. Lächelnd beobachtete er Barbara.
»Allein schon wegen dieser herrlichen Bibel muss ich dich heiraten, Liebste. Sonst hätte ich sie zurückgeben müssen.« Er erhob sich und umarmte Barbara zärtlich.
Aus der Küche kamen Kai und Robin mit den beiden Flaschen.
»Jetzt feiern wir Verlobung«, verkündete Robin stolz. »Wir gehen erst um Mitternacht ins Bett. Wie die Großen.«
Während Thomas den Sektpfropfen gekonnt entfernte und allen – auch den Söhnen – etwas eingoss, bildete sich auf Barbaras Gesicht ein spitzbübisches Lächeln.
»Das mit dem Spätzubettgehen schlagt euch gleich aus dem Kopf. Kai muss schließlich morgen zur Schule.«
»Ich auch, Mami.«
»Nein, Robin. Du wirst morgen fehlen und mir beim Umzug helfen.«
»Beim Umzug? Bei welchem Umzug?«
Amüsiert sah Barbara sich um. Dann blieb ihr Blick an Thomas’ erstaunten Augen hängen.
»Robin und ich werden morgen wieder in unsere kleine Wohnung ziehen, Thomas. Als deine Hilfe konnte ich hier leben, als deine Braut nicht.«
»Du bist aber reichlich kleinlich.« Thomas war so überrascht, dass er diese Worte nicht bei sich behalten konnte, zumal er wusste, dass er haargenau die Meinung der Jungen teilte.
Mit offenem Mund hatten Kai und Robin Barbaras Entschluss vernommen. Nun nickten sie ernsthaft, um Thomas’ Ausspruch zu bekräftigen.
Barbara lächelte sie alle der Reihe nach unschuldig an. »Kleinlich bin ich nicht, aber naiv und romantisch. Ich will nämlich als richtige Braut über diese Schwelle getragen werden, wie es sich gehört. Wozu habe ich schließlich drei starke Männer?«
»Und deswegen müssen wir extra umziehen?«
Barbara nickte. »Ja, dann freuen wir uns umso mehr, wenn wir endlich richtig zusammengehören.«
Dagegen war nun wirklich nichts einzuwenden, aber Thomas blickte Barbara fast wehmütig an. Nun endlich durfte er zeigen, wie sehr er sie liebte, da entzog sie sich ihm.
»Du musst keine Angst haben, Thomas. Wenn du mich brauchst, bin ich zur Stelle. Und Tita wird bis zum Frühjahr wieder einziehen. Mit Kai allein wird sie schon fertig.«
»Im Frühjahr? Bis zum Frühjahr willst du in deiner Wohnung leben? Das ist ja fast noch ein halbes Jahr.«
Ein ernster Blick traf ihn. »Ich habe noch viel zu tun, Thomas. Ich will unsere Ehe nicht mit Schulden beginnen.«
Schweigend stocherten sie in ihrem Salat.
»Mami kann ziemlich dickköpfig sein«, sagte Robin schließlich altklug. »Hoffentlich gibt sich das in der Ehe.«
Alle lachten. Nur Kai schmollte.
»Du hast es schon verdammt gut, eine Mutter zu haben«, sagte er viel später vorwurfsvoll zu seinem Freund. »Du bekommst die zarteren Ohrfeigen und kannst Schule schwänzen, wenn sie umzieht.«
»Dafür hast du Susanne, Kai.«
»Na ja.« Kai drückte eine Menge Zahnpasta auf seine Zahnbürste. »Aber das kann sich ja noch ändern. Vielleicht kriegst du auch noch eine Schwester.«
Da ließ Robin kaltes Wasser in seine Hand laufen und spritzte es Kai ins Gesicht.
»He, wach auf, alter Knabe. Wenn ich eine Schwester bekomme, ist sie doch auch deine!«
Und weil sich die beiden unbeobachtet wussten, hielten sie sich bei den Händen und schüttelten sie wie zwei alte Box-Veteranen nach einem letzten gut durchstandenen Kampf.
Als sie ausgezogen und gewaschen waren, schlichen sie hinunter, um Barbara und Thomas gute Nacht zu sagen. Aber sie kamen nicht weit. Das Paar saß engumschlungen vor dem Kamin. Barbara hatte ihren Kopf gegen Thomas’ Schulter gelehnt. Es war ganz still.
Da machte Kai Robin ein Zeichen und bedeutete ihm, nach oben zu gehen. Sie hatten nicht nur eine Schlacht geschlagen und den Kampf gewonnen, sie hatten auch das Glück zu sich geholt, das ihnen so lange gefehlt hatte.