Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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hatten die Jungen es doch nicht so gut, wie Thomas ihr versprochen hatte. Allem Anschein nach kümmerte er sich längst nicht mehr so viel um seine kleine Schar, wie er geplant hatte. Aber sie hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Jetzt war es wichtiger, Kai von einer Riesendummheit abzuhalten.

      Ihr kleiner Wagen bog gerade um die Ecke, als eine kleine Gestalt lautlos das Garagentor schloss. Kai hatte sich seine gelbe Öljacke gegen die feuchte Herbstnacht übergezogen und schob nun leise sein Fahrrad über den kleinen Gartenweg auf die Pforte zu. Dabei sah er mehrmals zur Villa seines Vaters zurück, als fiele ihm der Abschied nun doch nicht so leicht.

      Kaum hatte er sein Fahrrad draußen vor dem Tor, zuckte er zusammen. Barbara stand vor ihm. Wortlos legte sie den Arm um seine Schulter und nahm ihm das Fahrrad ab. Sie handelte instinktiv und doch entschlossen, so dass er gar nicht dazu kam, Widerspruch zu äußern. Oder war es ihm recht, allein mit Barbara zu sein, sich von ihr mit einer tröstenden Geste zurückführen zu lassen?

      Robin hatte inzwischen die Haustür geöffnet und war schnell in seinem Zimmer verschwunden. Denn diesmal galt er als Verräter, als derjenige, der ein Geheimnis ausgeplaudert hatte. Er musste mit Kais Verachtung rechnen.

      »Ich will doch aber nach Sophienlust«, protestierte Kai leise.

      Barbara hielt ihre Hand offen hin. »Gib mir den Fahrradschlüssel«, flüsterte sie. Sie stellte das Fahrrad in eine Nische, schloss ab, ließ den Schlüssel in ihre Manteltasche gleiten und ging mit Kai ins Haus.

      »Komm, Kai. Ich mache dir einen heißen Zitronensaft.«

      Barbara sprach sehr leise und winkte ihn in die Küche. Kai folgte ihr. Schweigend beobachtete er, wie sie zu hantieren begann. In seinen Augen standen Tränen. Barbara tat so, als bemerke sie sie nicht. Sie stellte zwei Gläser vor sich hin, gab ausgepressten Zitronensaft, Zucker und heißes Wasser hinzu und drückte Kai ein Glas in die Hand.

      »Du musst nicht einfach weglaufen, Kai, wenn du Schwierigkeiten hast. Warum kommst du nicht zu mir, bevor sich so etwas Dummes in deinem Kopf festsetzt?«

      Er hob die Achseln. »Sie sind doch Robins Mutter, nicht meine.«

      Ein übermächtig zärtliches Gefühl überkam sie für diesen Jungen, der um einiges kräftiger und größer war als Robin, dessen Seele jedoch bedeutend empfindsamer war als die ihres Kindes.

      »Wenn du willst, bin ich doch auch deine Mutter, Kai. Ich habe dich auch sehr lieb.«

      Er nahm einen kräftigen Schluck. Die Säure des Getränkes zog ihm den Mund zusammen, aber seine Augen strahlten wie zwei leuchtende Sterne. »Wollen Sie denn meinen Vater heiraten?«

      Barbara schüttelte so schnell den Kopf, dass ihre sowieso unordentliche Frisur sich noch mehr auflöste. Eine heftige Röte war in ihre Wangen gestiegen.

      »Nein, Kai. Eine Mutter muss ja nicht immer die Ehefrau des Vaters sein. Aber wenn man ein Kind liebgewonnen hat, so bleibt das auch meistens so bis ins hohe Alter. Ist das nicht auch schön?«

      »Och, ich weiß nicht so recht.«

      Da trat sie auf ihn zu, umfing sein rundliches Gesicht mit ihren beiden Händen und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.

      »Doch, Kai. Ich habe dich sehr lieb. Und wenn du wieder etwas Falsches machst und Frau Stubenweis schimpft, musst du wissen, dass die arme Tita sich einfach nur zu viel vorgenommen hat. Sie kann die Arbeit nicht allein schaffen.«

      »Dann helfen Sie ihr doch!«

      Erschrocken sah Barbara sich um. Unter der Küchentür stand Thomas. Er hatte nur einen Schlafrock übergeworfen. Seine Stimme hatte heiser und verschlafen geklungen.

      »Was ist das eigentlich für eine nächtliche Konferenz?«, fragte er nun. Doch der Blick seiner Augen war verschmitzt, fast belustigt.

      Barbara sah Kai lange prüfend an. Was sollte sie jetzt antworten? Wie ­sollte sie Thomas ihre Zärtlichkeit für seinen Sohn erklären?

      Kai half ihr zum Glück aus der Klemme. »Nichts, Papi. Ich wollte Barbara nur etwas fragen. Und jetzt gehe ich schlafen. Gute Nacht.« Er drückte sich an seinem Vater vorbei aus der Küche.

      Thomas sah ihn an, als glaube er ihm kein Wort. Als er mit Barbara allein war, schloss er die Tür.

      »Schön, dass Sie da sind, Barbara. Auch wenn die Zeit ein wenig ungewöhnlich ist.«

      Barbara konnte nichts entgegnen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals hinauf. Morgen, sagte sie sich, werde ich mit ihm telefonieren, ihm alles erklären, mich für mein Eindringen in sein Haus entschuldigen. Jetzt will ich nur nach Hause, fort aus seiner Küche, aus seiner Nähe, die mir so wohltut und mich doch so quält.

      »Sie wissen doch selbst, dass hier nicht alles so läuft, wie wir es uns vorgestellt haben, Barbara.« Thomas sprach es aus, ohne sie anzusehen. Er öffnete den Eisschrank, um sich eine Flasche Mineralwasser zu holen. »Heute Abend hat Tita Stubenweis mich gebeten, sie zu entlassen. Sie will nur noch tagsüber kommen, um die Kinder zu versorgen. Die beiden Jungen schaffen sie völlig.«

      Peng! Er stellte die Flasche auf den Tisch und sah Barbara ratlos an.

      »Hier sind vier Menschen, die Sie brauchen, Barbara. Ziehen Sie zu uns.«

      »Das kann ich doch nicht, Thomas.«

      »Du kannst viel mehr, als du denkst, Barbara.« Plötzlich stand er ganz nahe vor ihr, fasste sie an den Schultern und zog sie an sich.

      Barbara sträubte sich. »Ich mache mir nichts aus dem, was die Leute denken«, sagte sie. »Aber ich fürchte mich davor, dir so nahe zu sein. Alles, was hinter uns liegt, ist einfach noch zu frisch …«

      Thomas’ Gesicht war ernst und verschlossen geworden, aber er blickte sie klug und verständnisvoll an.

      »Ich verstehe dich ja, Barbara. Bitte, verzeih mir, wenn ich deine Gefühle verletzt habe. Ich werde dich nicht quälen. Beruhigt es dich, wenn ich dich bitte, meinen Kindern die Mutter zu ersetzen, weiter nichts?«

      »Ich muss arbeiten, Thomas.« Sie war zum Tisch zurückgewichen und umschloss den Hals der Mineralwasserflasche wie einen Rettungsring.

      »Ich auch, Barbara. Aber wir werden uns diese Aufgabe teilen.«

      Sie nickte. Ihr Griff um die Flasche löste sich. Dann verließ sie die Küche, ohne ihm eine klare Zusage gegeben zu haben. Als sie sich von ihm verabschiedete, reckte sie sich hoch und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Danach verschwand sie in der Dunkelheit, wie jemand, der sich verbergen muss. Genauso war ihr auch zumute. Sie ahnte schon, dass sie einen unmöglichen Fehler begangen hatte. Diesmal ging es nicht um einen hohen Geldbetrag, sondern um eine kleine Zärtlichkeit. Die Folgen waren genauso wenig abzusehen.

      *

      »Puuuh!«, stöhnte Kai, »dieser dämliche Dreisatz.« Mitleidheischend blickte er zu Robin hinüber. Der hatte sein Mathematikheft schon längst geschlossen und blickte in den grauen Oktobertag hinaus.

      Seit Barbara ins Haus gezogen war, hatten sich die schulischen Leistungen der beiden Jungen erheblich verbessert, obwohl Robins Mutter gar keine Zeit hatte, sich darum zu kümmern. Aber Thomas hatte sein Versprechen nun endlich wahr gemacht. Er kam jetzt jeden Tag gegen fünf Uhr nach Hause und sah sich Kais und Robins Hausaufgaben an. Die Besprechungen, die er früher in seinem Büro geführt hatte, wurden nun in die Villa verlegt, und Barbara war eine diskrete Gastgeberin. Sie sorgte dafür, dass die Herren einen Imbiss und etwas zu trinken bekamen. Dann zog sie sich in die beiden Zimmer zurück, die sie ganz oben unter dem Dach bezogen hatte.

      Robin erhob sich. »Ich pflücke für Mami noch einen Blumenstrauß. Es sind noch ’ne Menge Astern im Garten.«

      »Mein Papi hat ihr doch erst gestern Rosen mitgebracht.«

      Die beiden Schlingel grinsten sich an.

      »Da hast du eigentlich recht. Dann pflücke ich ihr eben morgen einen Strauß Blumen.«

      Kai schüttelte sich vor Schadenfreude. »Morgen kriegt sie eine


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