Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
als würde sie sie ihm am liebsten ins Gesicht schleudern. Verächtlich fügte sie hinzu: »Sie als großer Unternehmer können sich ja ungestraft solche Indiskretionen leisten.«
»Barbara!« Er fasste nach ihren Händen und zog sie kraftvoll auf das Sofa zurück. »Nichts von allem ist wahr. Ich habe nur Dinge gehört, die mich beunruhigt haben. Das ist alles.«
»Von wem?«
»Das kann ich nicht sagen.«
Wieder traf ihn ein böser Blick. Aber es störte ihn nicht. Er ließ ihre Hand nicht los, beugte sich zu ihr und sagte leise: »Hat dieser Mann etwas von Ihnen verlangt, das Ihrem Wesen nicht entsprach?«
»Wie?« Sie zog ihre Augen zu Schlitzen zusammen. Wie eine schöne Katze wirkte sie, voller Temperament und Leben, zornig und leidenschaftlich. »Von mir etwas verlangt? Geld hat er mir abgenommen! Nichts als Geld und davon eine ganze Menge.«
Thomas ließ ihre Hand los. Er lehnte sich zurück und atmete auf. Sie konnte nicht wissen, wie glücklich ihn das machte. Bedeutete es nicht, dass sie die ganze Zeit völlig ahnungslos an einem Mann gehangen hatte, der nichts von ihr gewollt hatte als ihr Geld? Thomas strahlte sie an. Sie war dumm und naiv gewesen, leichtgläubig in ihrer Liebe. Weiter nichts. War es nicht rührend?
»Lehrgeld«, sagte er leichthin, mit den Achseln zuckend, »bezahlen wir alle einmal. Und nun? Ist es nun wirklich vorbei?«
Sie hielt den Kopf gesenkt und nickte stumm.
»Kann ich Ihnen helfen, Barbara?«
Sie schüttelte den Kopf. »Damit werde ich schon allein fertig.«
Es war ein merkwürdiges Schweigen, das sich nun zwischen ihnen ausbreitete. Nur das Absetzen der Kaffeekanne war zu hören. Thomas hatte sie genommen und Barbara nachgeschenkt. Er gab auch Milch und Zucker in ihre Tasse, als müsste er eine Kranke versorgen.
»Danke«, sagte sie patzig.
Thomas musste lächeln. Dann zündete er zwei Zigaretten an und steckte ihr eine davon zwischen Mittel- und Zeigefinger.
»Ich habe eine Bitte an Sie, Barbara.«
»Sie wollen wohl, dass ich zur Polizei renne und Peter Knoll anzeige, nicht wahr?« Wieder funkelten ihre grünen Augen ihn feindselig an. Aber nun bekam sie einen Dämpfer.
»Sie haben eben gesagt, Sie würden allein mit dieser Angelegenheit fertig werden, Barbara. Dann erwarten Sie auch nicht, dass ich Ihnen Verhaltensmaßregeln gebe. Ich bin kein Jugendaufseher für verliebte Damen.«
Barbara war sprachlos. Sie starrte ihn an, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben.
»Ich denke nur an Robin, Barbara. Soll ich ihn nicht bei mir wohnen lassen? Würde es Ihnen nicht helfen, den Schock zu überwinden, den Peter Knoll Ihnen versetzt hat? Sie könnten Robin täglich sehen, ohne Ihre Arbeit zu vernachlässigen. Bei mir wäre er gut aufgehoben. Die beiden Jungen wären glücklich, und Sie«, er machte eine Pause und sah sie so zärtlich an, als habe er sie nie zurechtgewiesen, »Sie wären täglich unser Gast. Mein liebster Gast.«
Barbaras Lippen öffnete sich in fassungslosem Staunen. Dann formte sich auf ihnen ein zartes Lächeln. Ihre Augen glänzten.
»Robin«, sagte sie leise, und die ganze Sehnsucht einer liebenden Mutter lag darin. »Mein kleiner Robin …«
Ihr kleiner Robin, dachte Thomas gerührt. Ihr kleiner Robin überredet meinen kleinen Kai, mitten in der Nacht in der verrufensten Gegend unserer Stadt einen Zuhälter zu überwachen. Wie klein sind denn unsere Söhne? Zu klein für das große gefährliche Leben, aber schon zu groß für so naive Eltern, wie wir es sind?
»Ich werde mir nun auch mehr Zeit für meine Familie nehmen, Barbara. Robin und Kai werden in meinem Haus von Frau Stubenweis überwacht und versorgt. Sie ist eine liebevolle Frau und wird aufpassen, dass keine Dummheiten geschehen wie damals.«
Ihre Augen trafen sich in lächelndem Einverständnis.
»Wird Frau Stubenweis diesen beiden Schlingeln denn gewachsen sein?«
»Aber sicher. Sie ist eine erfahrene Mutter und Großmutter. Und schließlich bin ich ja auch noch da«, setzte er selbstsicher hinzu.
»Ich auch. Ich bin auch noch da.« Barbara fühlte sich maßlos glücklich. Sie war Thomas zu großem Dank verpflichtet, aber das störte sie nicht. Er war nicht der Typ, der daraus Vorteile zog. Und wenn schon. Was war das gegen die Einsamkeit, unter der sie jetzt litt?
Aber Thomas dachte ganz anders darüber. »Sie sind also einverstanden, Barbara? Mir fällt ein Stein vom Herzen. So fühlt Kai sich durch sein kleines, umsorgtes Schwesterchen nicht ausgestoßen und empfindet keine Eifersucht wie damals, als …«
Barbara sah ihn flehentlich an. Nein, er sollte nicht von Dinah sprechen. Jetzt nicht. Der Moment dieser engen Verbundenheit, in dem sie für ihre Söhne gemeinsame Pläne machten, sollte nicht durch eine Erinnerung an diese schöne Frau zerstört werden.
»Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten?«, fragte sie schnell.
»Ich trinke lieber Wein, Barbara. Und den nur abends. Danke.« Dabei sah er sie an, als habe er ihre Gedanken erraten. Erst viel später brach er auf, um nach Hause zu gehen. Sie hatten alles besprochen, was für ihre Söhne wichtig war. Dabei hatten sie sorgsam vermieden, von dem zu sprechen, was ihnen noch viel mehr bedeutete. Es war wie eine Krankheit, die sich ihrer Herzen bemächtigt hatte.
Aber das begriffen sie erst viel später, als sie wieder – jeder für sich allein – in ihren Zimmern hockten. Zwischen ihnen lagen nur einige Straßen. Aber die schienen unendlich lang zu sein.
*
»Mamilein!«
Robin hatte Barbara schon vom Garten aus entdeckt. Er warf den Rechen, mit dem er die Herbstblätter zusammenharken sollte, auf die Erde und rannte zum Gartentor, um ihr zu öffnen.
Barbara umarmte und küsste ihn, als habe sie ihn eine lange Zeit nicht gesehen. Dabei waren erst drei Tage seit ihrem letzten Treffen vergangen.
Es war Herbst geworden, und Robin lebte jetzt schon mehrere Wochen im Hause Thomas Platens. Es war ihm anzusehen, wie wohl er sich hier fühlte. Morgens verließ er mit Kai das Haus, um zur Schule zu gehen, mittags kehrte er wieder hierher zurück. Immer war Frau Stubenweis da. Sie versorgte die Jungen vorbildlich, obwohl sie nicht mit strengen Tadeln sparte. Aber noch störte die beiden Schlingel das nicht. Und dass die kleine Susanne von Thomas und der Haushälterin nur Liebe und Zärtlichkeit empfing, fanden sie auch ganz richtig.
In der ersten Zeit war Barbara jeden Tag zu Besuch gekommen.
Sie liebte nicht nur die freundliche Atmosphäre dieses Hauses, in dem ihr Kind wie ein Sohn aufwuchs, sie vertrug sich auch blendend mit Hedwig Stubenweis, die Kai von Anfang an ›Tita‹ genannt hatte. Hier vergaß Barbara den beruflichen Zwang, dem sie sich immer mehr ausgesetzt fühlte, hier verschwanden die niederdrückenden Zahlen aus ihrem Kopf, die sie seit der unseligen Geschichte mit Peter Knoll immer noch belasteten.
»Warum bist du gestern, vorgestern und vorvorgestern nicht gekommen, Mami?«
Robin führte sie über die Terrasse in den großen Wohnraum. Im Kamin prasselte ein Feuer. Durch die offene Tür zur geräumigen Küche grüßte Tita den gerngesehenen Besuch. Die Haushälterin bügelte Babywäsche und hielt Barbara gleich ein paar Hemden von Robin entgegen.
»Alles zu klein, Frau Wirthner. Ihr Sohn wächst und wächst.«
»Ich werde neue kaufen, Tita.« Die beiden Frauen begrüßten sich herzlich.
»Wo ist Kai denn?«, fragte Barbara dann.
»Er ist einkaufen gegangen, Mami«, antwortete Robin prompt. »Ich arbeite im Garten, er kauft ein. Das teilen wir jetzt immer so auf. Nächste Woche umgekehrt. Komm, ich zeige dir, was ich schon alles getan habe.«
Es war nur eine Ausflucht von Robin, um sie wieder ganz allein für sich zu haben, aber Barbara konnte ihn verstehen. Sie