Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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mich auch«, betonte er. »Aber als Chefdirektrice hat sie natürlich viel mehr zu tun als früher. Und dann hat sie auch Angst, dass wir wieder Unsinn machen, wenn wir zu Hause sind.«

      »So, wie mein Vater mich braucht, braucht sie dich aber nicht«, widersprach Kai und schob seinen Kaugummi von der einen Seite zur anderen. »Sie hat ja noch Peter Knoll.« Er warf einen Blick zu Robin empor, aus dem die Furcht sprach, er könnte seinen besten Freund verletzt haben.

      Robin nahm das jedoch nicht tragisch. »Lass mich nur erst zu Hause sein«, verkündete er mit einem wild entschlossenen Gesicht. »Dann werde ich ihr schon erzählen, was Peter Knoll für ein Schurke ist.«

      »Hm. Meinst du denn, sie hat es noch nicht gemerkt?«

      »Als sie uns hier besuchte, habe ich sie nicht mehr danach gefragt, weil Nick es so blöd von mir fand.«

      »Nick spinnt eben auch manchmal.« Kai sagte das mit der phlegmatischen Ruhe, die zuweilen von ihm ausging. Dann machte er Robin auf eine Amsel aufmerksam, die sie zu beobachten schien. Die beiden Jungen lachten. Erst als Heidi in den Park lief und zum Nachmittagskaffee rief, stiegen sie von ihrem Baum herunter. Magdas Erbeerkuchen lockte mehr als die Aussicht auf einen Briefträger, der vielleicht doch nichts brachte, weil er schon am Morgen eine Fuhre Post in Sophienlust abgegeben hatte.

      Heidi sprang ungeduldig um den dicken Buchenstamm herum, bis die beiden Jungen schließlich unten landeten. »Was habt ihr da oben gemacht?«, fragte sie neugierig. »Doch nicht etwa Vogelnester gesucht und die Eier gegessen?«

      Kai und Robin hielten sich den Bauch vor Lachen.

      »Die Jungen sind schon längst geschlüpft, Heidi. Und außerdem tun wir so etwas nicht.« Kai erklärte es mit Nachdruck.

      »Mögt ihr denn keine Eier?«

      »Doch. Aber keine rohen halb angebrüteten Vogeleier.« Robin schüttelte sich bei der Vorstellung vor Ekel.

      Heidi sah ihn begeistert an. »Schüttel dich noch einmal, Robin. Du siehst dann aus wie eine Vogelscheuche …«

      »Nein, Heidi.« Robin war ernst geworden. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah Kai fragend an. »Wann schreibst du deinem Vater, Kai?«

      Der Freund hob die Schultern und blickte betont sorglos zum Himmel empor. »Vielleicht morgen.«

      »Dann bitte ihn doch, meine Mutter und Peter Knoll einzuladen.«

      »Wie bitte?« Kai sah Robin verständnislos an.

      Aber Robin meinte es ernst. »Jetzt, wo deine kleine Schwester zu Hause ist und dein Vater eine gute Pflegerin hat, würde er seine Tochter doch bestimmt gern meiner Mutter vorführen, nicht wahr?«

      »Das weiß ich nicht, Robin. Er ist sehr stolz auf Susanne. Aber sie ist doch keine Schaufensterpuppe.«

      »Das weiß ich auch. Ich will ja nur, dass dein Vater einmal sieht, wie dumm Peter ist. Und dann kann meine Mami auch einmal Vergleiche ziehen zwischen einem netten und einem weniger netten Mann.«

      »Ach, so meinst du das?« Kai bewunderte nun Robins Idee. Über sein Gesicht zog sich ein breites Lachen. »Klar. Dann schreibe ich ihm, er soll deiner Mutter und ihrem Freund doch einmal Susanne zeigen.« Er schlug Robin vor Begeisterung auf die Schulter. »Schließlich sind sie ja so gute Bekannte!«

      Die beiden Jungen steckten die Köpfe zusammen und tuschelten.

      »Was habt ihr denn wieder für Geheimnisse?«, wollte Heidi wissen.

      »Wir haben keine Geheimnisse, Heidi.« Kai fasste sie an der Hand und lief mit ihr die Freitreppe hoch.

      »Doch, Kai, wir haben ein Geheimnis. Vergiss das nicht.«

      Kai blieb oben auf der Treppe stehen und sah zu Robin zurück, der ihm das nachgerufen hatte. Eine tiefe Röte überzog sein Gesicht. Ja, sie hatten ein Geheimnis. Das Geheimnis jener Nacht, in der sie die wahre Tätigkeit Peter Knolls entdeckt hatten. Aber eben dieses Geheimnis hatte er, Kai, verraten. Zwar nur an Nick, und der konnte schweigen wie ein Grab. Trotzdem schämte sich Kai zu sehr, um Robin gestehen zu können, dass noch ein Dritter davon wusste. Er konnte nur hoffen, dass sein Verrat niemals herauskam, sonst würde die tiefe Freundschaft zwischen ihm und Robin zerbrechen. Und davor fürchtete er sich wirklich.

      Kai nickte Robin zu, der nun auch die Freitreppe erreicht hatte. Dann eilten sie zu der großen Kaffeetafel.

      Denise war auch anwesend. Wie immer war das für die Kinder ein Festtag, denn Nicks Mutter verstand es sehr gut, auf die Kinder einzugehen.

      Kaum hatten Kai und Robin sich gesetzt, trat Magda ein. Hinter ihr schritt Ulla. Beide trugen in jeder Hand eine Erdbeertorte, die mit kleinen Schlagsahnetupfen verziert war.

      »Das sind die letzten Erdbeeren dieses Jahres«, verkündete die rundliche Köchin. »Ihr müsst sie richtig genießen.«

      Das allgemeine ›Aaah!‹ der Kinder übertönte ihren letzten Satz. Aber er war sowieso überflüssig gewesen. Bei diesen Prachtwerken ihrer Backkunst bedurfte es keiner Aufforderung, die Schleckerei besonders zu genießen.

      Als alle ein Stück Torte auf ihrem Teller hatten, und Ulla die Tassen mit Kakao gefüllt hatte, herrschte für einige Minuten ein genießerisches Schweigen.

      Denise blickte sich um. Jedes der Kinder machte einen hochzufriedenen Eindruck, und das beglückte sie. Auch Kai schien keine Sorgen zu haben. Sorgsam verteilte er ein Schlagsahnehäufchen kunstvoll über seinem Stück Torte.

      »Wie geht es Susanne?«, fragte Denise ihn.

      Kai legte sofort seine Kuchengabel beiseite und holte aus der Tasche seiner Lederhose ein Foto hervor. Es war reichlich zerknittert vom vielen stolzen Herumzeigen, aber das winzige Baby war noch gut zu erkennen.

      »Susanne hat schon reichlich viele Falten«, sagte Robin trocken und deutete mit vollem Mund auf das ramponierte Bild.

      Alle lachten, besonders Heidi. Denise aber erwiderte: »Keine Angst! Bis ihr beiden Schlingel wieder zu Hause seid, werden sich die Falten schon geglättet haben.«

      »Ich fahre ja nicht nach Hause, Tante Isi. Nur Kai darf in einigen Wochen zurück. Aber das stört mich gar nicht«, prahlte Robin nach Jungenart. »Hier gefällt es mir ja prima.«

      Denises Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte unbewusst einen Fehler begangen, indem sie von der Rückkehr der Jungen gesprochen hatte. Barbara hatte in ihrem letzten Brief gebeten, Robin noch eine Zeit lang auf Sophienlust zu behalten, auch dann, wenn Kai zu seinem Vater zurückkehren sollte. Sie habe nun die Stellung einer Chefdirektrice übernommen und müsse sehr viel reisen.

      Es war jedoch zwischen den Zeilen zu lesen gewesen, wie schwer Robins Mutter dieser Entschluss gefallen war. Denise wusste, dass sie eine gute Mutter war. Sie ahnte, dass es auch noch andere Gründe geben musste, die Barbara davon abhielten, ihren Sohn heimzuholen. Vielleicht hatte sie Heiratspläne, von denen Robin nichts wissen sollte? Sie war ja noch jung und eine sehr attraktive Erscheinung.

      Denise wandte sich nun Fabian zu und fragte ihn nach den Erlebnissen des Tages, aber in Gedanken war sie immer noch bei Robin, der so ganz ohne Vater aufgewachsen war und sich bestimmt einer klugen männlichen Hand fügen würde.

      *

      Als Barbara aus Paris zurückkehrte, fand sie einen kurzen Brief von Thomas Platen vor. Darin bat er sie, an einem der nächsten Abende zu ihm zu kommen.

      Barbara las den Brief dreimal. Sie traute ihren Augen kaum. ›Sie würden mir eine große Freude machen‹, lautete der letzte Satz, ›wenn Sie Ihren Bekannten, Herrn Knoll, mitbrächten.‹

      Barbara musste sich hinsetzen. Ihre Knie zitterten. Was wusste Thomas Platen denn von Peter Knoll? Und warum wollte er ihn sehen? Sie durchforschte ihr Gedächtnis, fand aber keine Anhaltspunkte dafür, dass außer ihr irgendjemand von der Blamage wusste, die Peter Knoll ihr zugefügt hatte. Es konnte nur so sein, dass Robin dahintersteckte. Dann glaubte ihr Sohn also noch immer, dass sie Peter Knoll liebte und mit ihm beisammen sei.

      Barbara


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