Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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war doch Sonntag …

      Die gutmütige Köchin Agi brachte das Frühstück. Sie bestrich zwei Toastscheiben mit Butter und Marmelade. Doch Nina brachte keinen Bissen herunter. Mit trostlosen Augen starrte sie hinaus in das trostlose Wetter. Dabei überlegte sie, was sie unternehmen könnte, um ihre Mutti zu finden. Sie war überzeugt, dass es ihr gelingen würde, ihre Mutti zurückzuholen. Ihre Mutti hatte sie doch lieb …

      Plötzlich dachte Nina an ihren Onkel Tonio. Er war ein bekannter Kunstmaler und immer lustig. Auch Mutti konnte ihn gut leiden. Vielleicht wusste Onkel Tonio, wo Mutti jetzt wohnte?

      Nina erhob sich und verließ das kleine Frühstückszimmer. Sie hörte, dass Wally in den oberen Räumen war. Nach einem schnellen Blick in die Küche überzeugte sie sich, dass Agi ebenfalls beschäftigt war. Schnell zog sie sich ihren blaugrauen Regenmantel über und setzte das dazu passende Regenhütchen auf. Dann nahm sie ihren in der Farbe dazu passenden Regenschirm aus dem Schirmständer.

      Dann aber fiel ihr ein, dass sie ja Geld brauchte. Denn Onkel Tonio wohnte am anderen Ende der Stadt. Sie war schon oft mit Mutti in seinem Atelier gewesen. Manchmal war auch Vati mitgekommen.

      Als Nina ihr Zimmer betrat, um das Sparschweinchen zu plündern, fand sie dort Wally vor.

      Verwundert sah das Hausmädchen sie an und fragte: »Wo willst du denn bei diesem Wetter hin?«

      »In den Garten«, schwindelte Nina mit rotem Gesicht. »Ich …«

      »Schon gut.« Wally musterte sie mitleidig. Armes kleines Ding, dachte sie und verließ das Zimmer.

      Nina atmete erleichtert auf. Sie schloss das Sparschweinchen unten am Bauch mit dem winzigen Schlüssel auf und nahm einige Geldstücke heraus. Dann verschloss sie das Sparschwein wieder und stellte es auf das Regal zurück.

      Wenig später schlich Nina aus der Villa. Bald darauf stand sie vor dem alten Mietshaus, unter dessen Dach sich das Atelier von Onkel Tonio befand.

      *

      Linda Hille war innerlich noch zu zerrissen, um zu wissen, ob sie den richtigen Weg eingeschlagen hatte, als sie sich für ihren Geliebten entschieden hatte. Obwohl es bereits später Vormittag war, lag sie noch immer in dem breiten französischen Bett und blickte traurig aus dem schrägen Dachfenster. Viel konnte sie allerdings nicht sehen. Unaufhörlich schlugen Regentropfen gegen die Scheibe.

      Voller Sehnsucht dachte Linda an das breite Fenster im Haus ihres Mannes. Dort hatte sie von ihrem Bett aus einen weiten Blick auf den gepflegten parkähnlichen Garten gehabt.

      »Ich weiß nicht mehr, wo ich daheim bin«, flüsterte sie. Denn auch in dem möblierten Appartement in der Nähe von Tonios Atelier, das sie gemietet hatte, fühlte sie sich noch fremd. Wahrscheinlich würde sie sich dort auch immer fremd fühlen.

      »Willst du denn heute gar nicht aufstehen?« Tonio riss Linda aus ihren Gedanken. »Es ist gleich elf.«

      »Bei diesem Wetter liege ich am liebsten im Bett.« Linda setzte sich auf und schlang die Arme um ihre angezogenen Beine. Ihr Lächeln erreichte nicht ihre Augen.

      Tonios dunkle kräftige Brauen zogen sich leicht gereizt zusammen. »Mach’ doch nicht schon wieder so ein griesgrämiges Gesicht«, fuhr er sie ungewollt grob an und fuhr sich mit beiden Händen durch sein tiefschwarzes Haar.

      »Aber ich mache doch kein griesgrämiges Gesicht«, verteidigte sie sich und sah ihn schuldbewusst wie ein kleines Mädchen an. Wie gut er aussieht, dachte sie dabei. Sie liebte ihn mehr als alles auf der Welt. Deshalb hatte sie auch Peter und Nina verlassen. Doch niemand wusste, was für ein Opfer sie gebracht hatte, als sie sich damit einverstanden erklärt hatte, auf Nina zu verzichten.

      In den grauen Männeraugen blitzte es ungeduldig auf. »Steh endlich auf«, bat Tonio mit erzwungener Höflichkeit. »Kaffee habe ich schon aufgegossen.«

      »Ich bin gleich fertig.« Linda schob die Decke zurück und stieg aus dem Bett.

      Bei ihrem reizvollen Anblick verflog Tonios Ärger. Er nahm Linda in die Arme und küsste sie.

      Lachend schob sie ihn von sich fort. »Auf diese Weise wird der Kaffee kalt«, sagte sie.

      »Er ist schon kalt.« Er zog sie wieder an sich.

      Erst sehr viel später saßen die Beiden einander an dem niedrigen Tisch gegenüber. Sie tranken den frisch aufgebrühten Kaffee und aßen dazu knusprige Semmeln, die Tonio noch schnell aus dem Milchladen im Haus unten geholt hatte.

      »Ich kann es kaum erwarten, endlich ganz bei dir zu sein«, erklärte Linda. Sie zog den flauschigen resedafarbenen Morgenmantel über ihrer Brust etwas enger zusammen.

      »Eigentlich tut mir Peter leid«, sagte Tonio. »Er hat uns beiden voll und ganz vertraut.«

      »Ja, das ist wahr.« Lindas gelöste Stimmung war bereits wieder verflogen. »Peter ist so ein guter Mensch. Er hat nicht verdient, dass wir ihn so hintergangen haben. Und dann mache ich mir auch die größten Gewissensbisse wegen Nina. Kleine Nina! Übermorgen fängt ihre Schule an. Ob Peter sie schon aus dem Kinderheim abgeholt hat?«

      »Ich verstehe, dass Peter sie dir nicht überlassen will. Dabei hätte ich Nina gern zu mir genommen. Sie ist ein liebes kleines Ding.« Tonio zündete sich eine Zigarette an und erhob sich. »Seitdem das alles passiert ist, leiste ich nichts mehr. Schau doch dieses Gemälde an.« Er deutete auf die Staffelei. »Früher habe ich so einen Schinken in drei Tagen fertig gehabt. Vor drei Wochen war das Theater bei euch in der Villa, und vor drei Wochen habe ich mit dieser Arbeit begonnen. Ich kann momentan nicht malen.«

      »Tonio, das verstehe ich nicht. Früher hast du immer behauptet, ich inspiriere dich. Heute sieht es jedoch so aus, als würdest du mir die Schuld an deinem Versagen geben.« Kreisrunde hektische Flecken zeichneten sich plötzlich auf ihren schmal gewordenen Wangen ab. In ihren großen blaugrünen Augen schimmerten Tränen.

      »Hör mit der verdammten Heulerei auf, Linda!«, rief er ungehalten.

      »Du weißt, dass weinende Frauen für mich ein Greuel sind. Ich habe mir alles ganz anders vorgestellt. Ja, ich liebe dich schon seit Jahren, aber Peters wegen habe ich mich stets gezwungen, dir nicht nahezutreten. Ich habe versucht, mich in andere Frauen zu verlieben, um dich zu vergessen. Aber dann hast du mir deutlich zu verstehen gegeben, dass du mich ebenfalls liebst. An diesem heißen Augusttag vor drei Wochen …«

      »Bereust du es denn?«, unterbrach sie ihn erregt.

      »Ja, ich bereue es!«, rief er und warf die halb gerauchte Zigarette in den großen Aschenbecher.

      Linda drückte die Zigarette aus. »Dann war alles umsonst? Dann …«

      »Unsinn, das meine ich doch nicht. Wir haben uns entschlossen, beisammenzubleiben. Aber ich denke an Peter. Damals, vor vier Jahren, hat er für mich einen Freispruch erwirkt, obwohl ich schuldig war.«

      »Mein Gott, du hast eben der Versuchung nicht widerstehen können, den von dir so gut kopierten Goya als echt zu verkaufen – weil du Geld brauchtest.«

      »Heute kann ich das nicht mehr verstehen, Linda. Aber ich war damals tatsächlich am Ende. Mit dem Geld wollte ich meine Zukunft sichern. Aber damit nicht genug! Peter hat mich bei sich wie einen Bruder aufgenommen. Er hat mir Geld geliehen, damit ich neu anfangen konnte. Nur ihm habe ich es zu verdanken, dass ich heute ein relativ bekannter Maler bin und gut verdiene. Und ich Schuft nehme ihm nun die Frau fort und Nina die Mutter. Verdammt noch mal, ich bin wirklich ein Schweinehund.«

      Linda hörte ihm still zu. Seine sich selbst anklagenden Worte waren für sie ein weiterer Beweis dafür, dass er einen anständigen Charakter hatte. Sie wusste, auch sie hatte Peters Vertrauen in niederträchtiger Weise missbraucht. Sie war immerhin schon achtundzwanzig, also kein junges unerfahrenes Mädchen mehr. Sie hätte die Vernünftigere sein müssen.

      »Bitte, Tonio, sag so etwas nicht«, bat sie verzagt und griff nach seiner herabhängenden Hand. Unwirsch entzog er sie ihr und trat vor die Staffelei.

      Diese Reaktion auf ihre zärtliche Geste verletzte


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