VIETNAM BLACK. Brad Harmer-Barnes

VIETNAM BLACK - Brad Harmer-Barnes


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sie davon ausgehen, dass ich ohnehin abkratze, weißt du, was ich meine?«

      »Ja. Meine Mom hat auch geweint.«

      »Warum hast du dich verpflichtet, Mann?«

      Winters zuckte mit den Schultern. »Wegen der Ausbildung. Ich will Elektroingenieur werden, und diese Ausbildung ist besser als jede, die ich im College kriegen würde. Und besser bezahlt wird sie obendrein.«

      »Außerdem kannst du Kommunisten killen.«

      Winters ging nicht darauf ein. »Und warum hast du dich gemeldet?«

      »Der Richter ließ mir die Wahl zwischen dem hier oder einem ausgedehnten Aufenthalt im Knast. Kleine, dürre Burschen wie ich haben im Kittchen nicht viel zu lachen, wenn du verstehst? Doch in Kriegsgebieten kommen pfiffige Motherfucker wie ich ziemlich gut zurecht. Ich nahm an, mit meinen Fähigkeiten wäre ich hier besser aufgehoben. Abgesehen davon – wie du schon sagtest – wird's besser bezahlt.«

      Sie hatten den Rand der Lichtung erreicht. Jetzt begann der Dschungel.

      Falconer spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Er hatte die Ausbildung durchlaufen. Er hatte den Dschungel vom Flugzeug aus gesehen, und von Bord des Helikopters, der ihn zur Basis gebracht hatte, und zu Reese' Trupp. Er rieb an seinem dürftigen Schnurrbart. Noch nie zuvor war er sich wie ein kleiner Junge vorgekommen, der so tat, als wäre er ein Mann. Schweiß rann seinen Rücken hinab und er fummelte eine Zigarette aus dem Päckchen in seiner Hemdtasche.

      Hanson bemerkte die Anspannung des jungen Privates und klopfte ihm auf die Schulter. »Keine Sorge. Es wird von Mal zu Mal leichter.«

      Falconer nickte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er das glauben sollte.

      Reese rief zu ihnen zurück: »Turner, Sie übernehmen die Spitze. Winters und Hanson bilden die Nachhut.«

      Turner murmelte irgendetwas Unflätiges, das aller Wahrscheinlichkeit nach etwas mit der Abstammung des Sergeants zu tun hatte, ehe er sich an ihm vorbeischob und den Dschungel betrat.

      »Schon sonderbar, oder?«, raunte Walton Falconer zu. »Als wären zwei unterschiedliche Welten miteinander verwoben. Es gibt nicht den geringsten Übergang. Erst ist da die Lichtung … und dann sofort der dichte Dschungel. Fast, als hätten wir das Land einfach mit einem Messer abgetrennt.«

      Falconer reagierte nicht; stattdessen fasste er hinter Turner Tritt. Reese folgte ihm dicht auf den Fersen, und einer nach dem anderen drang der Trupp in den Dschungel vor.

      Binnen weniger Minuten war die Luftfeuchtigkeit so immens, dass man das Gefühl hatte, durch eine Sauna zu marschieren. Die Pflanzen ringsum schienen ihre ganz eigene Art zu haben, die Wärme und die Feuchtigkeit zu speichern und sie an die Eindringlinge abzugeben. Während sie liefen, unterhielt sich Reese leise mit Falconer. »Und, wie läuft's so, Frischling?«

      »Alles bestens, Sarge.«

      »Sind Sie sicher? Denn wenn das wirklich stimmt, werden Sie sich um einiges schneller an das alles hier gewöhnen, als es irgendein zurechnungsfähiger Mann je könnte.«

      Falconer grinste. »Ich komme zurecht, Sarge.«

      Die Unterhaltung geriet für einen Moment ins Stocken, als sie über eine besonders dichte Ansammlung von Wurzeln und Ranken auf dem Waldboden stolperten. Sobald sie das Hindernis hinter sich hatten, ergriff Reese erneut das Wort. »Also, wer ist Audrey?«

      »Was?«

      »Sie haben Audrey auf Ihren Helm geschrieben. Ist sie Ihr Mädchen zuhause? Ihre Tochter? Ihre Schwester?«

      »Mein Mädchen zuhause. Irgendwie.«

      »Was meinen Sie mit irgendwie

      »Sie … na ja, sie weiß eigentlich gar nicht, dass sie mein Mädchen ist.«

      »Wie kommt's?«

      Falconer lief hellrot an. »Wir sind zusammen zur Highschool gegangen. Sie ist klug und hübsch und einfach echt cool. Es ist nur so, dass ich … ich hatte nie den Mut, sie um ein Date zu bitten, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie an einem dürren kleinen Kerlchen wie mir Interesse haben könnte.«

      »Teufel noch eins, darauf können Sie einen lassen, dass sie das nicht gehabt hätte. Ich meine, Sie kennen dieses Mädchen seit – wie lange? – zwei, drei Jahren und haben die ganze Zeit über nicht den Mumm aufgebracht, sie näher kennenzulernen?«

      Falconer zuckte mit den Schultern. »Ich nahm an, als Armeeveteran hätte ich vielleicht bessere Chancen bei ihr, wissen Sie? Weil ich dann stärker, härter und tapferer wäre. Also habe ich mich verpflichtet, um ihr zu imponieren, und wenn ich wieder zuhause bin, frage ich sie, ob sie mit mir ausgeht.«

      Für eine Sekunde war Reese sprachlos. »Sie wollen mir also allen Ernstes erzählen, dass Sie nicht die Eier hatten, ein Mädchen zu fragen, ob es mit Ihnen ins Autokino geht, und dann entschließen Sie sich stattdessen, lieber einmal um die halbe Welt zu fliegen, um sich zwölf Monate lang von Moskitos auffressen und von Schlitzaugen beschießen zu lassen, bloß um Eindruck bei ihr zu schinden?«

      »Also, Sarge, wenn Sie das so sagen, klingt das irgendwie dämlich.«

      »Sie sind ein verfluchter Irrer, Frischling, wissen Sie das?«

      Weiter vorn, an der Spitze des Zuges, blieb Turner unvermittelt stehen und hielt die Hand hoch, Handfläche nach hinten, um dem Rest des Trupps zu signalisieren, anzuhalten. Alle erstarrten und ein paar geflüsterte Schimpfwörter gingen durch die Reihe. Hanson rückte vor und kauerte sich neben Turner, während er den Dschungel nach irgendwelchen Anzeichen für Feindkontakt absuchte. »Was ist los?«, fragte er.

      »Stolperdraht«, entgegnete Turner und wies auf eine dünne, geflochtene Schnur, die sich quer über den Pfad erstreckte. Hanson folgte der Schnur mit den Blicken bis zu ihrem Ende, wo das Band unmittelbar am Rand des Weges um einen kurzen, in die Erde getriebenen Pflock gebunden war, während das andere Ende zur gegenüberliegenden Seite des Pfades führte, rein in den Dschungel und um einen großen Baum herum.

      Hanson wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Gut aufgepasst, Turner. Warten Sie hier. Ich zeige dem Frischling, was Sie entdeckt haben, und entschärfe das Ding.«

      »Verstanden.«

      Hanson ging die Reihe entlang nach hinten, zu Reese und Falconer. »Eine Falle. Geht ganz fix, Sarge. Neuer, Sie kommen mit mir.«

      Falconer wechselte einen raschen Blick mit Reese, bevor er Hanson in den Dschungel folgte. Als sie den Baum umrundeten, spürte Falconer, wie sich die feinen Härchen auf seinen Oberarmen aufrichteten. »Was zum Teufel ist das?«

      Auf der wetterabgewandten Seite des Baumes stand ein anderthalb Meter hohes Gitterwerk aus Bambus und Ästen, das auf den ersten Blick an eine riesige Waffel erinnerte. Das Konstrukt war über und über gespickt mit fies aussehenden, zugespitzten Bambusstöcken. Der Stolperdraht führte zum Fuß des Dings und verschwand dort in einem Gewirr von Schnüren und Pflöcken.

      »Das hätte Turner erwischt, wenn er nicht so aufmerksam gewesen wäre, den Stolperdraht zu entdecken, Frischling. Deshalb haben wir alle letzte Nacht versucht, 'ne gute Mütze voll Schlaf zu kriegen. Nur ein einziger falscher Schritt und wir sind ein Mann weniger, kapiert?«

      Falconer war näher an die Falle herangetreten und studierte sie, von morbider Neugierde erfüllt. »Was ist das für ein Zeug auf den Spitzen?«

      »Schlitzaugenscheiße.«

      »Was?«

      »Bei ihren Fallgruben machen sie das genauso. Sie schmieren die Spitzen mit ihrer Scheiße ein, und wenn man von den Pfählen durchbohrt wird, fängt man sich zu allem Überfluss auch noch 'ne verdammt üble Blutvergiftung ein. Es geht denen nicht darum, einen zu töten – das dürfen Sie nie vergessen. Es geht darum, einen möglichst schwer zu verwunden und dem Rest des Trupps damit eine Heidenangst einzujagen.«

      »Heiliger Himmel.«

      Hanson nahm den Knoten aus Pflöcken und Schnur am


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