H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
haben —. Stellen Sie sich nur ein Mal vor: vier oder fünf ihrer Kriegsmaschinen gehen mit einem Mal ab — Hitzestrahlen rechts und links, aber kein Marsmann in ihnen. Kein Marsmann in ihnen, sondern Menschen — Menschen, die gelernt haben, wie man’s macht. Vielleicht erlebe ich noch jene Menschen. Denken Sie sich das doch aus, eins von jenen reizenden Dingern zu haben, mit seinem Hitzestrahl weit und frei! Denken Sie sich das doch aus, damit umgehen zu können! Was läge denn daran, nach einem solchen Lauf, nach einem solchen Hochgenuss in Staub zermalmt zu werden? Die Marsleute, die werden ihre schönen Augen aufreißen, das glaube ich! Sehen Sie sie nicht, Mann? Sehen Sie sie nicht, wie sie hin- und herlaufen, wie sie um ihre anderen mechanischen Geschichten blasen und pfeifen und tuten werden? Aus dem Häuschen würden sie auf alle Fälle sein. Und huitt, bum, rum, huitt! Gerade dann, wenn sie umherschießen, huitt kommt der Hitzestrahl, und sehen Sie! Der Mensch ist wieder in den Besitz des Seinen gekommen.«
Lange Zeit beherrschten die kühne Einbildungskraft des Artilleristen und der sichere Ton und der Mut, mit dem er seine Pläne vorbrachte, vollständig meine Gedanken. Ich setzte sowohl in seine Prophezeiung der menschlichen Bestimmung, wie in die Ausführbarkeit seiner erstaunlichen Pläne unbedingten Glauben. Und der Leser, der mich für leichtgläubig und einfältig hält, muss sich nur den Gegensatz zwischen seiner und meiner Lage vor Augen halten. Er liest alles nach und nach und hat Muße, über alles reiflich nachzudenken, und ich kauerte in furchtbarer Lage in einem Gebüsch und hörte zu, nicht selten durch Angstvorstellungen verwirrt. Wir sprachen in dieser Art während der frühen Morgenstunden und krochen dann aus dem Gebüsch heraus; und nachdem wir behutsam nach Anzeichen der Marsleute ausgelugt hatten, stürzten wir Hals über Kopf zu dem Haus auf Putney Hill, in dem er sich seine Höhle bereitet hatte. Es war der Kohlenkeller; und als ich das Werk sah, auf das er eine volle Woche verwendet hatte — eine kaum zehn Yard tiefe Höhlung, durch die er den Hauptkanal von Putney Hill erreichen wollte — da erhielt ich die erste Mahnung an die Kluft, die zwischen seinen Träumen und seinen Kräften gähnte. Ein solches Loch hätte ich an einem einzigen Tage gegraben. Aber mein Vertrauen zu ihm war stark genug, mich zu bestimmen, den ganzen Morgen bis kurz nach Mittag ihm bei seinem Graben zu helfen. Wir hatten einen Gartenschubkarren und schütteten die ausgegrabene Erde gegen den Küchenherd. Dann stärkten wir uns mit einer Schildkrötensuppe und mit etwas Wein aus der nahegelegenen Speisekammer. In dieser unausgesetzten Arbeit fand ich eine seltsame Erholung von meinen qualvollen Erlebnissen. Während wir arbeiteten, beschäftigten sich meine Gedanken mit den Plänen des Mannes, und bald genug stiegen Einwendungen und Zweifel in mir auf; aber ich setzte doch die Arbeit den ganzen Vormittag fort, so froh war ich, wieder ein Ziel zu haben. Nachdem ich wieder eine Stunde gegraben hatte, fing ich an, über die Entfernung nachzudenken, die zurückzulegen war, bis der Kanal erreicht werden konnte — und über die Möglichkeit, ihn überhaupt zu verfehlen. Meine unmittelbarste Sorge war die Frage, wozu wir eigentlich diesen langen Gang gruben, wenn es möglich war, durch die Abzugslöcher sofort in den Kanal zu kommen und sich dann zum Haus zurück den Weg zu bahnen. Auch kam es mir vor, als sei das Haus sehr unglücklich gewählt, da es einen Durchstich von so unnötiger Länge erforderte. Gerade als ich begann, diese Umstände in Erwägung zu ziehen, hörte der Artillerist mit dem Graben auf und blickte mich an.
»Wir arbeiten gut«, sagte er und legte seinen Spaten hin. »Ruhen wir jetzt ein bisschen aus«, sagte er. »Ich glaube, es ist Zeit, dass wir vom Hausdach aus jetzt Umschau halten.«
Ich war fürs Weiterarbeiten, und nach einigem Zögern griff er wieder nach seinem Spaten; und da erfasste mich ganz plötzlich ein Gedanke. Ich hielt inne und er folgte sofort meinem Beispiele.
»Warum waren Sie eigentlich auf der Weide draußen, statt hier?«, fragte ich.
»Wegen der frischen Luft«, sagte er. »Ich kehrte gerade zurück. Es ist sicherer bei Nacht.«
»Aber die Arbeit?«
»Oh, man kann nicht immer arbeiten«, sagte er. Und wie in einer plötzlichen Erleuchtung erkannte ich den Mann, wie er war. Er zögerte, den Spaten in der Hand. »Wir sollten jetzt Umschau halten«, sagte er. »Sie könnten in die Nähe kommen, das Klirren unserer Spaten hören und uns unversehens überfallen.«
Ich hatte keine Lust mehr, ihm zu widersprechen. Wir stiegen beide aufs Dach hinauf und stellten uns auf eine Leiter, von der wir durch die Dachluken spähten. Von den Marsleuten war nichts zu sehen, und so wagten wir uns auf die Dachziegel hinaus und glitten unter dem Schutz des Dachvorsprungs hinab.
Von dieser Stellung aus verbarg ein Gebüsch den größeren Teil Putneys, aber wir konnten den Fluss unten sehen, eine gurgelnde Fläche des roten Gewächses; die niedrigen Teile Lambeths waren überschwemmt und blutrot. Die rote Schlingpflanze bedeckte die Bäume, die um das alte Schloss standen, und ihre Zweige dehnten sich morsch und absterbend, von vergilbten Blättern bedeckt, aus den Wucherbüschen hervor. Es war seltsam, wie das Gedeihen beider Marspflanzen so völlig vom fließenden Wasser abhängig war. Um uns herum konnte keine der beiden Wurzel fassen; Goldregen, roter Hagedorn, Schneebälle und eine Gruppe von Lebensbäumen wuchsen aus Lorbeer und Hortensien in leuchtenden Farben und frischem Grün zum Sonnenlicht auf. Hinter Kensington erhob sich ein dichter Qualm, der im Verein mit einem blauen Rauchschleier die nördlichen Hügel einhüllte.
Der Artillerist begann, mir von dem Schlag Menschen zu erzählen, die in London zurückgeblieben waren.
»In der vorigen Woche«, sagte er, »bemächtigten sich eines nachts ein paar Narren des elektrischen Lichts und die ganze Regent Street und der Rundplatz waren taghell beleuchtet und von einer Menge geschminkter und zerlumpter Trunkenbolde, Männer und Weiber, dicht besetzt. Die tanzten und johlten bis zur Morgendämmerung. Ein Mann, der dabei war, hat es mir erzählt. Und als der Tag anbrach, sahen sie eine Kriegsmaschine, die hart neben ihnen bei Langham stand und auf sie herabsah. Der Himmel weiß, wie lange sie schon dort gestanden war. Der Marsmann, der sie lenkte, fuhr jetzt die Straße hinab auf sie zu, und las fast hundert von ihnen auf. Sie waren zu sinnlos betrunken oder zu entsetzt, um die Flucht zu ergreifen.«
Wunderlicher Lichtstrahl auf eine Zeit, die keine Geschichte je völlig beschreiben wird können!
Dann kam der Artillerist, meine Fragen beantwortend, wieder auf seine großartigen Pläne zu sprechen. Er redete sich in eine wahre Begeisterung hinein. Er sprach mit solcher Beredsamkeit von der Möglichkeit, sich einer Kriegsmaschine zu bemächtigen, dass ein gutes Teil meines Glaubens an ihn wieder zurückkehrte. Aber da ich jetzt anfing, etwas