Wyatt Earp Staffel 2 – Western. William Mark D.
Marshal fand noch keinen Schlaf.
Langsam schlenderte er die kleine Straße zum Flußufer hinunter.
Ein silberner Schimmer des Sternenlichtes lag über dem leise dahinplätschernden Wasser des Arkansas.
Still stand der Mann da und blickte über den Fluß.
Plötzlich fuhr er herum.
Am Ende der Gasse war ein metallisches Geräusch aufgeklungen. Gleich darauf drang der Hufschlag eines Pferdes an das Ohr des Lauschers.
Wyatt näherte sich vorsichtig der Gassenmündung und stand den Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt.
Drüben am letzten Haus zuckte plötzlich eine große Flamme hoch.
Wyatt zog den Colt und gab drei Schüsse ab. Dann stürzte er auf das Haus zu.
Gleich nebenan vor der Tür war eine Pferdetränke.
Der Marshal riß den schweren Holzeimer hoch, füllte ihn mit Wasser und rannte damit auf die schon bis zur Haustür hochschlagenden Flammen zu.
Stimmen flogen durch die Nacht.
Dann waren mehrere Männer neben ihm.
Weitere Eimer wurden in die Tränke getaucht. Schnell bildete sich eine Kette aus Menschen, durch deren Hände der Eimer hin und her flog.
Dann war die Tränke leer.
»Zum Fluß!« brüllte der Marshal.
Sofort bildete sich eine große Kette zum Flußufer hin. Sieben Eimer wurden in Windeseile von Hand zu Hand gereicht.
Eine halbe Stunde später war der Brand gelöscht. Auf schwelenden Balken zischte die Nässe.
Die Menschen standen um das Haus und blickten auf die verkohlten Bretter, die im Scheine der herbeigeholten Fackeln gespenstisch aussahen.
»Er ist verschwunden!« rief einer der Männer.
»Wer?«
»Wyatt Earp?«
»Das war Wyatt Earp?«
»Yeah! Wo ist er…?«
Der Marshal hatte im Laufschritt die Gasse durchmessen, war oben über die Frontstreet gerannt und eilte nun die enge Hoverstreet hindurch dem nördlichen Stadtausgang zu.
Eine seiner Ahnungen trieb ihn dorthin.
Und richtig. Ehe er die letzten Häuser erreicht hatte, schlug ihm der Geruch von Petroleum entgegen.
Er riß den Colt heraus und jagte wieder einige Schüsse in die Dunkelheit.
Wieder schlug vor ihm Hufschlag auf.
Diesmal aber war es dem heimtückischen Brandstifter nicht mehr gelungen, Feuer an das Haus zu legen, dessen Fundament er bereits mit Petroleum begossen hatte.
Ehe noch jemand auf der Gasse war, machte Wyatt kehrt.
Da gewahrte er dicht vor sich die Silhouette eines Menschen an einem Mauergiebel.
Der Colt lag in der Faust des Marshals.
Langsam ging er vorwärts.
Dann sah er trotz der Dunkelheit, daß es eine Frau war, die da an der Mauer lehnte und ihm entgegenblickte.
»Mister Earp!«
Wyatt blieb vor ihr stehen.
»Mister Earp«, sagte die Frau mir einer hellen, unsicheren Stimme, »ich bin Jenny Hoover, die Tochter des Bürgermeisters…«
Der Marshal tippte leicht an den Rand seines Hutes. »Miß Hoover?«
Das Mädchen schluckte vor Verlegenheit. »Mister, Earp, ich… ich wollte mich für meinen Vater entschuldigen. Er weiß nicht, was er getan hat. Sie haben die Stadt von Milt Rice befreit, von einem Mörder und Räuber, der uns tagelang gequält und geschunden hat…«
Wyatt winkte ab. »Schon gut, Miß – und vielen Dank.«
»Noch etwas, Mister Earp. Sie dürfen nicht gehen. Ich weiß, daß Sie nach den Eröffnungen meines Vaters wenig Lust haben werden, hier zu bleiben. Schließlich waren Sie in Wichita Marshal…«
Wyatt unterbrach sie: »Ja, Sie haben recht, ich habe wirklich nicht viel Lust, hier als Deputy zu bleiben. Wenn Mister Deger als Marshal eingesetzt worden ist, dann wird er schon einige Leute finden, die von ihm den Deputy-Stern nehmen.«
»Er hat selbst den Stern zurückgegeben, als Milt Rice in die Stadt kam!« sagte das Mädchen erregt.
Der Marshal sah Jenny verwundert an. Hatte ihr Vaer ihm nicht gesagt, daß Deger seine Tochter heiraten wolle?
Jenny mochte seine Gedanken erraten haben, als sie sagte: »Ich hasse Jim Deger, Mister Earp. Und ich habe nur einen Wunsch: daß Sie in Dodge bleiben. Es gibt noch mehr Unkraut hier als Milt Rice, gute Nacht!« Damit verschwand sie im Dunkel des elterlichen Hofes.
Wyatt blieb noch einen Augenblick stehen und sann nach. Was hatte sie eigentlich gewollt? War sie gekommen, weil sie ihrem Verehrer eins auswischen wollte? Oder hatte sie eine ernsthafte Sorge zu ihm getrieben?
Nun, wozu sollte er sich mit diesen Dingen behängen. Er würde die Stadt ohnehin verlassen. Unter einem Mann wie Jim Deger würde er nicht Hilfs-Marshal spielen. Schließlich dachte er nicht daran, die Leiter seiner beruflichen Laufbahn wieder hinunterzusteigen.
In der Frühe des nächsten Morgens stand Doc Gilbert vor Wyatts Zimmertür im Hotel London. »Marshal, kann ich einen Augenblick mit Ihnen sprechen?«
»Gleich, ich bin schon auf.«
Ein paar Minuten später saß der Arzt bei ihm im Zimmer in einem alten, abgewetzen Plüschsessel. »Darf ich rauchen?«
Wyatt, der selbst kein starker Raucher war, nickte.
»Ich habe nicht viel Hoffnung, daß mein Besuch bei Ihnen Erfolg hat«, begann der Arzt, während er sich eine helle Ohio-Big ansteckte. »Ich sagte es Ihnen gestern schon: Es war mehr als jeder von Ihnen erwartet hat, das, was Sie geleistet haben. Und Sie haben recht: Daß Holliday dazukam, war ein wahres Glück. Deshalb bin ich gestern abend noch bei ihm im Long Branch Saloon gewesen und hab’ ihm vorgeschlagen, hier in Dodge eine Praxis aufzumachen. Ich könnte ihm Medikamente leihen, auch Instrumente, bis er sich eingerichtet hat. Bestimmt ließen sich die Leute lieber von ihm ihre Zähne behandeln und gar ausreißen, als von Frank Robert, der nur ein Barbier ist.«
Wyatt lachte. Er ahnte, was kam.
Gilbert paffte eine dicke Wolke vor sich hin. »Oh, er hat mich nicht ausgelacht, Ihr Partner von gestern. Ganz im Gegenteil, er hat beste Manieren und hat mich zu einem Drink eingeladen, von dem ich erst im Morgengrauen heimkehrte. Zum Schrecken meiner Frau. Und er hat mir klargemacht, daß ich ihn so lassen müsse, wie er ist. Daß er viel zu schlecht sei, den edlen Bürgern von Dodge City die Zähne zu behandeln…«
Wyatt nickte lächelnd. »Das hätte ich Ihnen vorher sagen können, Doc. Er ist nicht mehr zu ändern. Er will es einfach nicht. Das ist es.«
Der Arzt hob den Kopf und blickte den Missourier durch eine Rauchwolke an. »Wir haben auch über Sie gesprochen, Marshal.«
Wyatt hob die Brauen ein wenig.
»Yeah, über Sie. Der Major hat Sie regelrecht hinters Licht geführt. Er hatte selbst mit Masterson verabredet, daß Sie hier den Marshalposten übernehmen sollten, wenn Sie Lust dazu hätten. Und nun kann er die Sache ja leicht verdrehen. Der Sheriff ist ja tot. Hören Sie, Earp – ich möchte Ihnen etwas sagen. In der Stadt ist noch einiges faul. Es war nicht nur die Rice-Bande, weswegen Masterson Sie kommen lassen wollte…«
»Ich weiß.«
Der Arzt machte erstaunte Augen. »Sie wissen es schon?«
»Doch, ja, hier gibt es noch mehr Unkraut.«
Doc Gilbert nickte zustimmend. »Richtig. Und das ist so hartes, zähes Unkraut,