Ich bin ein Zebra. Erwin Javor

Ich bin ein Zebra - Erwin Javor


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ein direkter Nachkomme von Baal Schem Tov, dem berühmten Rabbiner und Gründer des Chassidismus!«

      Der kritische zukünftige Schwiegervater legte weiter nach: »Und wie steht es mit dem Mesimmen, haben sie denn Geld?« Jakov war natürlich auch darauf vorbereitet. »Wir reden hier von der reichsten Familie in ganz Stanislau.« Geschmeidig wie ein alter Profi redete Benjumin gleich weiter: »Was heißt ›reich‹?! Rothschild möchte verblassen vor Neid!«

      Langsam wurde das Moische und seiner Familie schon verdächtig. Das klang fast ein wenig zu gut, um wahr zu sein, also fragte schließlich Moisches Mutter, der man so leicht nichts vormachen konnte: »Und? Gar keinen Fehler hat sie?«

      Jakov wusste, nun war es Zeit für die dramaturgische Wendung. »Nu, was soll ich dir sagen, nicht wirklich. Aber wenn man genau hinschaut, aber nur dann, wird man merken, dass sie ein ganz klein wenig schief steht.« Benjumin war jetzt schon so richtig in Fahrt und nicht mehr zu bremsen: »Was heißt ›schief‹?! Einen Riesenbuckel hat sie!«

      Fairerweise muss gesagt werden, Benjumin war noch im ersten Lehrjahr und erlernte die Nuancen der Verstärkung erst später. Herausfordernde Fälle an den Mann oder die Frau zu bringen, konnte man ihm also wirklich noch nicht zutrauen.

      imageIn einem Schtetl in Polen, es kann auch in Rumänien gewesen sein, fand ein anderer heiratswilliger junger Mann trotz heißen Bemühens keine Braut. Er war intelligent und kam aus einem wohlhabenden Haus, wurde aber dennoch von der Damenwelt kategorisch abgelehnt. Er hatte nämlich einen entscheidenden Fehler. Er wollte ständig im Mittelpunkt stehen und nahm es auch mit der Wahrheit nicht immer ganz genau. Man konnte zwar nicht behaupten, dass er Lügengeschichten erzählte, aber seine ständigen Übertreibungen waren einfach nervtötend. So kam es, dass er einen Schadchen engagieren musste, um sein Ziel, eine Familie zu gründen, endlich zu erreichen. Der Spezialist für hoffnungslose Fälle musste ran. Schadchen Ruven. Die beiden hatten einige Vorgespräche und schlussendlich musste der Bräutigam in spe dem Vermittler hoch und heilig versprechen, sich während des Erstgesprächs mit einer verheißungsvollen Kandidatin ordentlich und vor allem bescheiden zu verhalten.

      Doch es kam, wie es kommen musste. Nach einigen Minuten netter Unterhaltung vergaß der Unbelehrbare seine anfängliche Zurückhaltung und fing an, sein Haus zu beschreiben: »Also mein Wohnzimmer ist über hundert Meter lang und …« Der junge Mann machte eine bedeutungsvolle Pause. Diese Unterbrechung nutzte Ruven, um seinem Kunden einen kräftigen Tritt unter dem Tisch zu verpassen. Da fiel dem wieder ein, dass er bescheiden sein sollte. Also beendete er schuldbewusst und kleinlaut den begonnenen Satz in der geplanten Bescheidenheit: »… und einen Meter breit.«

      Die Königsdisziplin für einen Schadchen ist es jedoch, einen Balegule, einen Kutscher, zu vermitteln. Und das hat seine Gründe:

      imageIn Nadwurne, einem Schtetl in den Karpaten, wohnte ein bei allen sehr beliebter und herzensguter Balegule. Ein gut aussehender Mann im besten heiratsfähigen Alter, auf den die Frauen nur so flogen, war Schloime außerdem. Doch leider: Wann immer er den Mund aufmachte, fluchte er auch wie ein Kutscher. Aber so, dass sogar der hartgesottensten Männerrunde die Schamesröte ins Gesicht stieg. Darum scheiterte auch ein Schadchen nach dem anderen daran, ihn zu verkuppeln, denn auch wenn er die Frauen verzückte, sämtliche infrage kommenden Schwiegereltern waren entsetzt, sobald er – was sich nicht vermeiden ließ – auch nur einen Satz sagte. Schloime sehnte sich schon sehr nach einer eigenen Frau und wurde immer trauriger. Kaum noch ein Schadchen fand sich, der es mit Schloime auch nur versuchen wollte, denn sein Ruf eilte ihm voraus.

      Nur Ruven, der bekannte Spezialist für völlig ausweglose Fälle, sah in ihm eine Herausforderung, der er sich stellen wollte. »Hast du noch Eltern?«, fragte er Schloime. – »Nein, was fragst du mich, du Behejme, du Rindvieh! Du weißt doch, dass sie längst gestorben sind.« – Ruven lächelte gelassen. »Nimm deinen Talles. Wir gehen jetzt zum Bejs Ojlem.« Schloime seufzte tief, nahm seinen Gebetsschal mit vielen Flüchen auf den Lippen und wenig Hoffnung im Herzen, und sie gingen zum Friedhof. Am Grab seiner Eltern ließ ihn Ruven schwören: »Ich schwöre beim Seelenheil meiner Eltern, dass ich nur reden werde, wenn der Schadchen Ruven, der miese Ganeff, es mir erlaubt.« Ruven nahm die Beleidigung ungerührt zur Kenntnis, war zufrieden und verschaffte Schloime flugs am Tag darauf eine Einladung bei den Eltern der schönen Rachel aus dem Nachbardorf.

      Ihr Vater, im besten Schabbes-Gewand, strahlte Ruven und Schloime unvoreingenommen an und hieß sie herzlich willkommen. Die Mutter von Rachel, der möglichen Kalle, hatte aufgekocht, nur das Beste vom Besten, und immer wieder fragte sie Schloime: »Willst du noch Latkes?« Schloime nickte freundlich, nahm von den Kartoffelpuffern und schwieg, wie vereinbart. »Willst du noch Lokschn mit Joach?« Schloime zeigte pantomimisch Begeisterung für die angebotene Nudelsuppe. »Schmeckt es dir?« Schloime nickte so enthusiastisch, dass keine Zweifel entstehen konnten. Der anscheinend so liebenswerte, nur leider schüchterne Schloime gefiel nicht nur der Mutter, auch Rachel war hingerissen und machte ihm so deutlich, wie es die guten Sitten nur erlaubten, schöne Augen, was bei Schloime auf mehr als fruchtbaren Boden fiel. Er warf dem Schadchen einen hochzufriedenen Blick zu.

      Die Schwiegermutter in spe kam mit Tee. Schloime leerte Zucker in seine Tasse, rührte den Tee aber nicht um. »Was ist denn?«, fragte sie besorgt. »Ist er zu heiß?« Schloime schüttelte den Kopf. »Willst du mehr Zucker?« Schloime schüttelte den Kopf. »Schmeckt er dir vielleicht nicht«, fragte sie mittlerweile schon leicht gekränkt. Schloime begann verzweifelt dreinzuschauen, lief rot an in seiner offensichtlichen Bedrängnis, aber schwieg eisern weiter. Langsam wurde die Situation unbehaglich, und das gerade noch so liebenswert schüchterne Schweigen steckte die ganze Runde an, und die Stimmung schien einzufrieren. Einmal noch wollte Rachels Mutter es versuchen: »Schloime! Nu sag doch, warum trinkst du dann den Tee nicht?!«

      Endlich, endlich gab ihm der Schadchen wohl oder übel das vereinbarte Zeichen, dass er sprechen durfte. Mit einem befreiten Ruck sprang Schloime auf, warf in seiner Erleichterung fast den Tisch um, machte in Höhe seines Hosenschlitzes eine kreisrunde Rührbewegung und rief verzweifelt aus: »Und mit wus soll ich mischen? Mitn Schmock??!«

      Wer jetzt stutzt: Ursprünglich bedeutet Schmock, wie soll ich das jetzt ausdrücken, das männliche Fortpflanzungsinstrument.

      Für Religiöse ist das Verhör bei den potenziellen Schwiegereltern auch nicht leichter:

      imageEin armer Jeschiwebocher, der um die Hand eines reichen Mädchens anhielt, saß in seinem besten Kaftan vor ihrem Vater und stand ihm Rede und Antwort. Der begann die Feindseligkeiten: »Was machst du beruflich?« – »Ich studiere den Talmud, mit Gottes Hilfe«, antwortete der Jeschiwebocher wahrheitsgemäß. Der Vater runzelte die Stirn: »Und wie willst du dann meine Tochter erhalten, die ein gutes Leben gewohnt ist?« Weiterhin bescheiden gab der Student zu Protokoll: »Gott wird schon helfen.« – »Und wie willst du deine Kinder ernähren?«, verhörte der Vater den Schwiegersohn-Kandidaten weiter. – »Ich werde so schnell wie möglich fertig studieren. Und Gott wird schon helfen«, bekam er zu Antwort. Der Vater bohrte weiter: »So, so. Und wo willst du mit deiner Familie wohnen?« Der Jeschiwebocher blieb unverändert höflich und bescheiden: »Ich werde mich sehr anstrengen, ein schönes Zuhause zu finden. Und Gott wird schon helfen«.

      An diesem Punkt kam die Mutter der Zukünftigen dazu und tuschelte ihrem Mann ins Ohr: »Was hältst du von dem?« Mit einem vielsagenden Seitenblick auf den Kandidaten tuschelte er zurück: »Er ist mittellos und viel zu jung, ahnungslos, aber immerhin: Er hält mich für Gott.«

      Wenn alles geklärt war, fanden dann zwei zusammen. Das ist im Tierreich auch nicht anders. Achtung: Herrenwitz!

      imageIn einem kleinen Schtetl beobachteten zwei Männer eine Kuh und einen Stier, die von den Besitzern der Tiere zu einem Paarungsversuch überredet werden sollten. Es waren immerhin der potenteste Stier und die Milchkuh mit dem vollsten


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